Seifenblasenträume

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Thomas:

Wollte ich das wirklich hören? Ihre Entscheidung.
Und auserdem, wann hatte ich den Punkt verpasst, wo Steff es entschied.
Das ist auch mein Kind.
Ich meine klar, ich trage es nicht in mir.
Ich muss nicht die ganzen Untersuchungen über mich ergehen lassen.
Aber ich werde immer dabei sein und ihr die Hand halten.
Ihre Hand, währenddessen sie schon eine Verbindung zu unserem Kind hat kann ich nur sie halten.

Aber das ändert doch nichts im geringsten daran, dass ich auch mit dieser Entscheidung einversanden sein muss.
Auch ich muss damit leben können.
Ich muss mir genauso jeden einzelnen Tag noch - im Spiegel - in die Augen schauen können und sagen können alles richtig gemacht zu haben.
Alles probiert zu haben.

Immer tiefer rutsche ich in die Gedankenspirale, unmächtig dagegen ankämpfen oder es stoppen zu können.
Die Seifenbalse in der unsere eigene Familie geschwebt ist, ist zerpaltzt. Mit einem leisen 'plopp' sind alle Illusionen und all die Träume , welche in den schönesten Farben des Regenbogens schimmerten zerplatzt.
Zurück bleibt diese Leere, welche sich schwer auf mich legt.

Ich weiß nicht, wie lange ich ihr so still gegenüber gesessen habe. Aber irgendwann höre ich, wie Steffs Stimme zu mir durchdringt.

,,Thomas was ist los? Du bist die letzen 5 Minuten mit deinen Gedanken irgendwo gewesen, nur nicht hier bei uns."

,,Mir sind nur ein paar Gedanken durch den Kopf gegangen über..." weiter kann ich nicht reden, denn mir versagt die Stimme, welche kaum mehr als ein Flüstern gewesen war.

,, Worüber hast du dir den Kopf zerbrochen? Und jetzt komm mir nicht mit der Ausrede, es sei nicht wichtig. Denn ich kenne dich, außerdem steht dir die Sorgenfalte auf der Strin."
So bestimmend wie jetzt, habe ich Steffs Stimme in den letzten Stunden nicht vernommen.

Ich schließe meine Augen und hole Luft, muss ich doch kurz meine Gedanken sammeln und sotieren. Wie formuliert man ein Thema, welches über die Zukunft entscheidet und einen so innerlich lähmt, ohne zu zeigen wie verzweifelt man in Wirklichkeit ist.

,, Naja dein Satz vorhin. Er hat ziemlich viel in mir ausgelöst. Also ich meine, ich möchte..... Es ist dein Körper, in dem unser kleines Wunder wächst und ich weiß, dass du diejenige von uns beide bist die alle Untersuchungen über sich ergehen lassen muss. Aber ich möchte trozdem mitentscheiden. Denn immerhin wird es auch mein Leben beeinflussen. Auch ich muss mit dieser Entscheidung leben können..." ich merke wie viel Kraft mich dieser Monolog gekostet hat. Unauffällig schiebe ich meine Hände unter meine Oberschenkel, denn diese haben vor lauter Anspannung zu zittern begonnen.
Ich fixiere einen Punkt auf der Wand hinter ihr, da ich im Moment ihr nicht ins Gesicht schauen kann. Denn ich habe angst darin etwas zu lesen, was meine schlimmste Vermutung bestätigt. Und zum ersten Mal verfluche ich es, dass wir uns beide blind kennen. Jede Regung des anderen sofort zu deuten wissen.

,,Thomas ich hätte nie eine dieser Entscheidungen ohne dich getroffen.." jetzt ist es Stefanie, deren Stimme gerade nur ein Flüstern ist.

Ich löse meine Blick von dem unbekannten Fleck an der Wand und sehe sie wieder an.

,, Nicht ohne mich?" stammle ich, wie ein kleines Kind.

,, Nein nicht ohne dich! Denn ich weiß sehr wohl, dass es auch dein Leben beeinflusst. Außerdem könnte ich das alles hier nicht ohne dich, aber geanu du bist derjenige den ich in der nächsten Zeit am meisten brauchen werde." schüchtern lächelt sie mich an. Nicht dieses Presselächeln, sondern mein Sefflächeln.

,,Ich würde gerne erst die Fruchtwasserpunktion abwarten, bevor wir weitere Entscheidungen treffen Steff." und endlich schaffe ich es ihr wieder direkt beim Sprechen in die Augen zu schauen.

,, Ja das war auch mein Gedanke, aber dennoch sollten wir uns über einiges im klaren sein..." sie kneift ihre Lippen zusammen schluckt einmal laut hörbar, bevor sie weitersprechen kann. ,, Ich würde die Reise mit einem Kind mit Down-Syndom antreten. Aber ich könnte es nicht, wenn ich weiß dass es kein lebenswertes Leben hat." und dann löste sich die Tränen die sich in ihren Augen gesammelt haben.

Ich ziehe sie wieder an meinem Oberkörper um sie zu halten, während sie ein neuer Weinkrampf schüttelt.
Beruhgiend streichle ich ihr über den Rücken.
Denn mehr kann ich nicht machen, weil es keine tröstenden Wörter für unsere Situation gibt.
Als sie sich beruhigt hat, rutscht sie wieder von mir weg.

,,Das ist meine Entscheidung Thomas. Wie siehst du das?"

,, Genauso. Ich würde sagen wir warten das Ergebnis ab. Aber mit oder ohne Trismie 21 ist mir egal. Mir ist nur wichtig, dass unser Kind eine gute Prognose hat. Also für mich würde es nicht in Frage kommen, falls es leidet. Nur im Bett liegen kann und die Welt nicht erkunden kann, oder sogar dauerhaft beatmet werden müsste." versuche ich meine Gedanken in Worte zu packen. Es fühlt sich komish an es laut zu sagen, weil ich gerade definiert habe, was lebenswert für mich ist.

,,Ich bin so erleichtert, dass wir der gleichen Meinung sind." sagt Seff und es klingt ehrlich.

,, Ja ich auch. Ich würde sagen allen anderen erzählen wir erst davon, wenn wir für uns eine Entscheidung getroffen haben." fragend schaue ich sie an.

,, Ja das machen wir." Stefanie greift nach meine Händen und da war es wieder mein Stefflächeln.

So saßen wir uns nun am Sofa gegenüber - mit Abstand - die eigene Hand in der Hand des Anderen.
Wir saßen da mit Abstand, aber auf Augenhöhe.
Wenn man uns so sah, konnte man meinen wir waren weit von einander entfehrnt. Doch das war nicht so.
Unsere Herzen waren zusammen, wir sind uns einig.

Life without colorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt