Auch wenn ich sonst ein eher schüchterner und zurückhaltender Mensch bin, der lieber für sich allein ist, fällt es mir unheimlich leicht, mich mit Steve Harrington zu unterhalten. Ich beobachte ihn und er beobachtet mich beim Reden und wir vergessen beinahe alles um uns herum, bis plötzlich Jonathan auf uns zugelaufen kommt.
"Da bist du ja! Hast wieder den ganzen Abend reingeknutscht, hm?", fragt er lachend.
Er reißt mich förmlich aus meinen Gedanken und bringt mich total aus dem Konzept. Ich sehe ihn ein wenig erschrocken an und als ich mitbekomme, dass Steve mich die ganze Zeit anstarrt, schießt mir die Hitze in die Wangen.
"Ja, was sonst?", frage ich und lache peinlich berührt.
Steve hat den Blick noch immer nicht von mir abgewandt und ich traue mich schon gar nicht mehr, in seine Richtung zu schauen.
"Nancy und ich wollen dann langsam wieder nach Hause. Sie ist total voll, es ist vermutlich das Beste für alle, wenn sie ins Bett geht und sich erstmal ausschläft."
Ich nicke verständnisvoll. Ich kenne meine beste Freundin verdammt gut und jedes mal wenn sie trinkt, erreicht das Ganze irgendwann einen Punkt, an dem ihr Körper sie von ihrer quirligen, lustigen, angetrunkenen Art innerhalb von Sekunden zu einem völlig betrunkenen und wehleidigen Zustand umschalten lässt. Selbst Jonathan lallt ein wenig und auch wenn er noch ziemlich klar spricht und normal läuft, hat er auch schon ein paar Shots intus.
Jonathan tappt von einem Fuß auf den anderen und sieht mich erwartungsvoll an. Ich überlege und überlege und komme dennoch nicht darauf, was ich jetzt am besten sagen oder tun soll.
Einerseits will ich hier bleiben und mich weiter mit Steve unterhalten, andererseits möchte ich aber auch langsam heim und zumindest wissen, dass Nanc und Jonathan sicher Zuhause angekommen sind.
"Willst du mitkommen? Meine Mom holt uns alle ab und bringt uns heim.", fragt er.
Meine Gedanken kreisen. Steve sieht Jonathan und mich abwechselnd an.
"Ich kann sie auch heim fahren. Ich habe nichts weiter getrunken. Also natürlich nur, wenn du willst, Liz."
Nachdem ich mir das ganze kurz durch den Kopf gehen lasse, nicke ich und lächele Steve an.
"Okay, dann kommt gut nach Hause und ich schätze wir sehen uns morgen oder übermorgen im Diner?", fragt Jonathan mich.
"Ja, wie immer. Bis dann!"
Er lächelt ebenfalls.
"Bis dann!", sagt er dann und läuft zurück ins Haus.Der Garten ist inzwischen wie leer gefegt.
"Na komm, wir verschwinden auch, bevor wir noch zum Aufräumen verdonnert werden!", lacht Steve.
Charlie springt sofort auf und hüpft aufgeregt an uns beiden hoch.
"Jetzt hat deine Familie wieder mehr Zeit, um mit dir zu kuscheln, nicht wahr?"
Das Lächeln auf meinen Lippen wird immer größer, als ich beobachte, wie Steve den kleinen Rüden durchknuddelt und sich von ihm verabschiedet. Danach bin ich an der Reihe.
"Ich wünsche mir schon seit ich noch kleines Mädchen war immer einen Hund, aber dadurch dass meine Mom allergisch auf Tierhaare reagiert, dürfen Dustin und ich leider keinen haben.", seufze ich, während ich durch Charlies lockiges Fell streichele.
"Ich wollte früher auch unbedingt einen haben und als meine Eltern sich voneinander getrennt haben und Mom ausgezogen ist, hat mein Dad mir den Wunsch erfüllt. Mom ist zwar nicht allergisch, aber sie wollte nie Haustiere haben. Mein Dad und ich hingegen schon und naja, jetzt haben wir Buddy."
Ich beobachte das Grinsen in seinem Gesicht. Es steckt mich förmlich an.
"Buddy?"
Wir müssen beide lachen.
"Er ist mein bester Kumpel, einen passenderen Namen gibt es nun mal einfach nicht!", rechtfertigt er sich.
"Ich hab doch gar nichts gesagt!", verteidige ich mich lachend.
"Aber gedacht!", wirft Steve ein und berührt dabei für einen kurzen Augenblick meine Hand.
Vermutlich eher ausversehen als alles andere, aber es genügt, um eine kurze, stille Pause zwischen uns einzuläuten.
Ich brauche eine Sekunde, um mich wieder zu sammeln.
"Ich habe nur gedacht, dass Buddy bestimmt total niedlich ist und perfekt zu dir und deinem Dad passt."
Er grinst mich an.
"Was ist denn jetzt schon wieder?", frage ich ihn lachend.
"Du meinst, weil wir auch so niedlich sind?"
Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und lache. Dann starte ich einen etwas kläglichen Versuch, ihn zu schubsen. Das funktioniert leider nur halb so gut, wie ich es mir vorgestellt habe, da er um einiges kräftiger und vorallem im wahrsten Sinne des Wortes standfester ist, als ich.
"Du spinnst doch total, Steve Harrington.", sage ich lachend und laufe vor ihm durch die Haustür der Carters nach draußen.
Bis wir seinen Wagen, einen stumpf blauen, etwas staubigen Dodge 600 SE, erreichen, amüsiert sich Steve köstlich über die peinliche Situation, in die ich mich selbst mal wieder gebracht habe.
Diese unangenehme Lage meinerseits beendet er kurz darauf jedoch zum Glück, als er mich fragt, wo ich wohne.
Sein Wagen riecht nach einer Mischung aus Parfüm und Popcorn. Zweiteres stelle ich gar nicht erst in Frage, weil mir der halbvolle Fünfliter-Popcorneimer im Fußraum der Beifahrerseite sofort ins Auge sticht.
Die Fahrt dauert knapp zehn Minuten und selbst trotz der Tatsache, dass er ein paar Drinks hatte, fährt Steve sehr sicher und vorsichtig.
Als wir in der Einfahrt unseres Hauses stehen, schaltet er den Motor ab und steigt mit mir aus. Ohne dass einer von uns auch nur ein Wort sagt, begleitet er mich bis zur Haustür.
"Okay ähh... Dann bis bald. Oder so. Wir sehen uns doch bestimmt bald wieder oder?"
Ich muss schmunzeln.
"Bestimmt.", antworte ich lächelnd.
"Alles okay?", fragt er, als ich irgendetwas Unverständliches vor mich hin fluche.
Ich krame schon seit wir ausgestiegen sind verzweifelt in meiner Tasche und kann meinen Schlüssel einfach nicht finden.
"Ich könnte schwören, dass ich ihn eingepackt habe... Aber jetzt wo ich darüber nachdenke, bin ich mir auch nicht mehr so sicher. Ach verdammt."
Ich räume meine Tasche, die ich inzwischen schon einmal komplett auf den Kopf gestellt habe, wieder ein und gebe die Suche nach dem Haustürschlüssel auf.
"Ich will aber auch nicht klingeln, meine Mom muss in drei Stunden schon wieder aufstehen..."
Steve nickt verständnisvoll.
"Ach verdammter Mist."
Ich lasse mich auf die Bank auf unserer Veranda fallen und grübele darüber, was ich jetzt machen könnte. Meine Großeltern wohnen zu weit von Hawkins weg, um mitten in der Nacht einfach mal bei ihnen vorbeizufahren. Nancy und Jonathan schlafen bestimmt auch schon. Meine Tante, die nur zwei Straßen weiter wohnt, ist vor zwei Tagen mit ihrem neuen Freund in den Urlaub gefahren.
"Schöne scheiße....", murmele ich leise vor mich hin.
Steve setzt sich neben mich und überlegt für ein paar Sekunden.
"Und wenn du einfach mit zu mir kommst und bei uns übernachtest? Ist ja nur weil es ein Notfall ist. Ich kann dich außerdem wenn du möchtest direkt morgen früh nach Hause bringen!"
Ich sehe ihn an und halte für einen Moment lang inne.
"Aber nur, wenn das auch keine Umstände für deinen Dad und dich macht...", sage ich leise.
"Nein, quatsch! Dad muss morgen auch wieder früh aus dem Haus, er wird nicht mal bemerken, dass jemand bei mir schläft. Und selbst wenn ist das vollkommen okay, glaub mir!"
"Okay... Das ist wirklich total lieb von dir!"
Ich bin noch nicht so ganz überzeugt davon, ob das wirklich eine gute Idee ist, aber ich habe keine andere Wahl. Die einzige andere Option wäre, auf der Veranda zu übernachten und das möchte ich auch nicht. Dafür bin ich vermutlich ein zu großer Angsthase.
Steve unterbricht meine Gedanken.
"Na los, fahren wir, bevor noch irgendwelche alten Säcke von nebenan die Polizei rufen, weil sie denken, wir wollen einbrechen."
Er schafft es selbst in dieser unbehaglichen Situation, mir ein Lächeln zu entlocken. Dann steigen wir wieder beide in sein Auto und machen uns auf den Weg zum Haus seines Dads auf der anderen Seite der Stadt.
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Summer Of 1985 (Steve Harrington, Stranger Things)
Fiksi PenggemarEs ist Anfang Juni, als die Seniors der Hawkins High School ihre allerletzten Schultage vor den Abschlussprüfungen erleben und es für alle anderen Klassen mit großen Schritten auf die Sommerferien zu geht. Seit knapp einem Jahr ist in Hawkins nichts...