Eine ganze Stunde Stille. Dafür bin ich wie ein verrückter gefahren und habe meinen geliebten Frappuccino zurücklassen müssen. Alles nur fürs Schweigen. Als Mr. Sanders Eltern mir erzählt haben, dass ihr Sohn kompliziert und stur sei, dachte ich nicht, dass er wie ein stiller Bruder auf der Couch sitzen würde.
Wenigstens gab mir das Zeit, alles zu verarbeiten, was mir seine Eltern gesagt hatten. Zusammengefasst: der Junge hat nen Knacks weg. Mobbing, Nachstellung, Gewalt Androhung, mutmaßliche Vergewaltigung und als ob das nicht schon gut genug wäre auch noch versuchter Mord. Definitiv nicht meine Abteilung. Gerade wenn ich bedenke, dass reihenweise Therapeuten an ihm verzweifelt sind oder er sich geweigert hat, sie zu sehen.
"Mr. Sanders, ich werde auch fürs Schweigen bezahlt, Ihnen bringt die Stille jedoch nichts, also wieso erzählen Sie mir nicht, was sie gestern schönes gemacht haben?", frage ich freundlich und zeichne nebenbei auf meinem Notizblock.
Was könnte ich malen? Einen Pinguin? Einen Teddybären? Einen Pinguin der einen Teddybären trägt? Einen Pinguin der einen Teddybären trägt und nebenbei an seinem Frappuccino schlürft? Ja das ist es!
"Wie würden Sie sich fühlen, wenn die einzigste Person, die Sie je geliebt haben, Ihnen ein Messer in die Brust steckt und das Herz rausreißt?", sein kalter Blick huscht zu mir.
Ich verziehe das Gesicht, "Einzige."
"Was?"Ich mache eine wegwerfende Handbewegung, "Nicht so wichtig. Erzählen Sie mir von dieser Person, waren Sie beide ein Paar?"
"Wir waren so glücklich. Ich habe ihn geliebt. Ich tue es immer noch", sein Kopf zuckt leicht zu Seite, "Ich will ihn tot sehen!"
Totales Klischee. Wenn ich ihn nicht haben kann, dann soll ihn auch kein anderer kriegen. Innerlich rolle ich die Augen, stumm hat er mir doch besser gefallen.
"Was schreiben Sie da eigentlich mit?", fragt er.
Ich zucke mit den Schultern, "Sollte eigentlich ein Pinguin werden. Er hält einen Teddy und Starbucks."
Seine Augen verengen sich, "Sie malen einen Pinguin?"
"Falsch. Ich habe einen gemalt. Jetzt brauch ich ein neues Motiv. Vorschläge?", grinse ich und schaue ihn erwartungsvoll an.
"Was für ein Therapeut sind Sie bitte?", ach wie niedlich, seine Wangen laufen vor Wut ganz rosig an.
Ich lege den Stift weg, "Mr. Sanders, wenn Sie nicht reden, rede ich auch nicht. Ich hab keine Lust stundenlange Monologe zu halten um am Ende heiser dazustehen."
"Also wollen Sie mir nicht helfen?", sein nun giftiger Blick streift mich und heftet sich dann an dem Fenster fest.
"Wieder falsch. Natürlich möchte ich Ihnen helfen. Aber Sie müssen es zulassen, Sie müssen meine Hilfe annehmen, sich mit mir unterhalten, mir erzählen, was Sie bedrückt, damit wir gemeinsam Lösungen finden können", sage ich und unterdrücke gleichzeitig ein Gähnen. Ein Kaffee würde jetzt echt guttun.
"Sind wir fertig hier?", murmelt er.
"Kommt drauf an."
Seine Augenbrauen treffen sich, "Auf was?"
"Kommen Sie wieder?", frage ich.
"Muss ich ja wohl", seufzt er.
Als ich ihm das Handzeichen gebe, springt er auf und lässt die Tür hinter sich lautstark zu knallen. So schlimm bin ich nun auch wieder nicht. Jetzt bräuchte ich wirklich einen Kaffee. Sich ohne einen Kaffee in die Arbeit zu stürzen, ist ja wohl eine Zumutung! Und wenn ich daran denke, wie voll mein Terminkalender für heute ist, kriege ich schon Kopfschmerzen. Und wenn ich dann noch zusätzlich darüber nachdenke, dass Wes heute Abend ein Date hat, kriege ich das Kotzen. Ich könnte mir zwar jemanden aufreißen, aber dazu bin ich heute nun wirklich nicht in der Stimmung, denn im Moment ist mir nur nach meinem Bett und kuscheln zumute. Doch auf starke Arme, die mich ganz fest an sich drücken, kann ich mich dieses Mal nicht freuen.
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Taste of Monte
Подростковая литератураZachary hat in den letzten Jahren vieles durchgemacht und verloren. Mit dem Tod seines Partners, hat auch er aufgehört zu leben und stürzt sich nur so in seine Arbeit, um seine Gedanken von ihm fernzuhalten und sich abzulenken. Helfen lässt er sich...