[Franks POV]
Andächtig lauschte Frank dem leisen Prasseln des Regens, der hin und wieder von einer Windböe gegen das Küchenfenster gedrängt wurde, auf dessen Fensterbank er es sich bequem gemacht hatte. Die schmale Steinplatte war wahrscheinlich nicht darauf ausgelegt, einen erwachsenen Mann zu tragen, rührte sich unter dessen Last jedoch nicht. Und wenn doch, wäre es Frank egal gewesen. Er liebte es zu sehr, dort zu sitzen und seine trägen Augen die stürmische, kühle Welt auf der anderen Seite der dünnen Scheibe beobachten zu lassen, als dass er darauf verzichten könnte.
Er nahm einen kleinen Schluck Kaffee aus der Tasse, die von seinen Händen fest umklammert wurde, und verzog das Gesicht. Er war noch immer viel zu heiß, um problemlos genossen zu werden, aber das war okay. Zeit hatte Frank immerhin mehr als genug, in anbetracht der Tatsache, dass es grade mal vier oder fünf Uhr morgens war – so genau hat er nicht auf die Uhr geschaut, als er seine müden Knochen aus dem Bett gezwungen hatte. Also blieben ihm noch ungefähr drei Stunden, bis Bert ihn abholen würde, die er nutzen konnte, um das Schauspiel zu beobachten, dass sich ihm an der kalten Fensterscheibe bot.
Sie war leicht beschlagen, von der Wärme die vom ihm selbst und dem Getränk zu seinen Händen ausging, und war geziert von etlichen kleinen und großen Regentropfen, in denen sich das spärliche Licht der Straßenlaternen und vorbeifahrenden Fahrzeuge brach. Wie Sterne hoben sie sich vom nächtlichen Dunkel der Außenwelt ab und faszinierten Frank, der sich in ihnen und der Leere seiner Gedanken verlor. Das rot-blaue Blinklicht eines vorüberziehenden Krankenwagens erhellte für wenige Momente die Hauswand des Nachbarhauses und spiegelte sich hundertfach in den kleinen Wasseransammlungen. Er fand es wunderschön. Es hatte etwas sehr beruhigendes, zu wissen, dass er hier drinnen, in der warmen, kleinen Küche hocken konnte, während nur wenige Zentimeter von ihm entfernt ein Unwetter über Newark zog, das sich hoffentlich spätestens dann legen würde, wenn Bert und er sich in dessen Transporter auf den Weg nach Summit machten, um dem neuen Mitglied Ray's und seiner WG beim Umzug zu helfen. Gerard war sein Name. Und dieser Gerard hatte sich vor wenigen Tagen bei Ray gemeldet, weil er keine Möglichkeit hatte, seinen Kram hierher zu transportieren, was ihm Franks Meinung nach reichlich spät eingefallen war. Aber Frank wusste, dass er selbst nicht besser darin war, sich rechtzeitig um wichtige Angelegenheiten zu kümmern, also konnte er Gerard nicht dafür verurteilen. Er hoffte lediglich um Rays Willen, dass sein neuer Mitbewohner nicht noch mehr solcher Verhaltensweisen mit ihm teilte – das würde sein bester Freund wahrscheinlich nicht aushalten. Frank alleine bereitete ihm schon mehr als genug Probleme...
Ein niedergeschlagenes Seufzen entkam ihm. Er wusste ganz genau, in welche Schwierigkeiten er seinen Kumpel und sich selbst brachte, aber er wusste nicht, wie er das alles wieder grade biegen sollte. Das Suchen nach einem halbwegs angemessen entlohnten Job gestaltete sich ohne Schulabschuss und mit ebenso wenigen sonstigen Qualifikationen recht schwierig, selbst hier in einem New Yorker Vorort, wo man meinen sollte, dass wirklich jeder eine Anstellung fand, wenn er sich nur genügend Mühe gab. Das war jedoch nicht der Fall. Nicht für Frank, der trotz seiner Notlage nicht auf einige Ansprüche verzichten wollte. Schwarzarbeit oder gar das Mitwirken in irgendwelchen eindeutig illegalen Machenschaften waren Dinge, die für ihn nicht Frage kamen. Er war bereits zweifach vorgestraft, und ihm war klar, dass er sich vorerst keine weiteren Fehltritte erlauben konnte, obwohl das Leben im Gefängnis nicht nur von schlechten Seiten geprägt war. Kostenloses Wohnen und Essen waren beispielsweise Vorzüge, die er nicht unattraktiv fand... Allerdings war das nicht genug, um sich dafür endgültig das Leben zu ruinieren.
Nach circa eineinhalb Stunden, in denen Frank seinen Gedanken nachgehangen, und dabei seinen Kaffee ausgetrunken hatte, beschloss er, sich wieder auf sein Zimmer zu verziehen und an Rays Laptop zum zigsten Male diese Woche nach Stellenausschreibung in der Nähe zu stöbern. Er fand zwei Läden, die Aushilfen suchten, und schickte an beide Ansprechpartner eine E-Mail, um sich nach benötigten Bewerbungsunterlage zu erkundigen, und griff anschließend nach seinem neuen iPhone. Dieses zeigte ihm außer einem niedrigen Akkustand jedoch nichts nennenswertes an, und er fluchte innerlich darüber, dass er es gestern Abend nicht zum Laden angeschlossen hatte, was er nun nachholte. Vielleicht konnte es bis zu Berts Aufschlagen genug Saft tanken, um die Hin- und Rückfahrt zu überleben.
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rock bottom
RomanceFrank Iero läuft Gefahr, unter einem stetig wachsenden Berg aus Schulden begraben zu werden und in Folge dessen sowohl das Dach über seinem Kopf, als auch die Aussichten auf eine lebenswerte Zukunft zu verlieren. Angetrieben von seiner eigenen Exist...