Als ein Engel durch mein Fenster sah

Der 1. Schultag

"Alice! Jetzt beeil dich doch mal!", rief meine beste Freundin Lucy panisch, als ich immer noch im Bett lag. Erschrocken sprang ich auf und blickte auf meinen Wecker. 8:00 Uhr. Verdammt! Um 8:30 Uhr beginnt die Schule und ich hatte vergessen meinen Wecker zu stellen. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich aus dem Bett und flitzte ins Bad.

"Daniel fährt gerade weg. Er wäre die letzte Möglichkeit gewesen.", rief Lucy mir hinterher.

Daniel war ein Junge, welcher genau gegenüber wohnte. Durch mein Fenster konnte ich direkt in sein Zimmer sehen. Manchmal saß er in einem Sessel und lass ein Buch. Manchmal hatte er Freunde zu besuch. Aber meistens war er gar nicht da. Es interessierte mich auch kaum. Ich hatte nicht viel mit ihm am Hut und hatte auch nicht das dringende Bedürfnis es zu ändern.

Zum Glück hatte ich meine Klamotten für heute schon raus gelegt und war nach fünf Minuten fertig mit Anziehen und Zähne putzen. Make Up hatte ich noch nie genutzt. Es war mir einfach zu aufwendig.

"Deine Eltern sind auch nicht mehr da, oder?", fragte Lucy als ich meine Schuhe anzog.

"Ne, Mom hat Mike mit in die Schule genommen.", antwortete ich und pustete mir genervt die Haare aus dem Gesicht. Lucy seufzte genervt und trommelte mit ihren Fingern auf dem Türrahmen herum.

Als ich fertig war, schulterte ich noch meinen Rucksack und wir machten uns auf zur Schule. Leider mussten wir einen Bus später nehmen und kamen somit eine halbe Stunde zu spät. Am ersten Schultag. Prima.

Eilig rannten wir Treppen zu unserem Klassenzimmer für Biologie hinauf und schnellten um eine Ecke. Doch plötzlich stieß ich mit irgendwas zusammen und wäre fast nach hinten gefallen, hätte mich dieses etwas nicht festgehalten. Erschrocken blickte ich nach oben. Direkt in die klaren, blauen Augen von Daniel. Sie blickten tief in meine Seele und wollten sich gar nicht mehr lösen. Sein Griff um meine beiden Handgelenke lockerte sich erst nach einigen Sekunden. Sein Mund war leicht geöffnet und seine verstrubbelten, blonden Haare hingen über seiner Stirn.

"Alice, komm schon.", nervte Lucy und ich blickte zu ihr. Sie stand einige Meter hinter Daniel und wartete.

"Sorry", sagte Daniel und ließ meine Hände nun ganz los. Schüchtern trat er einen Schritt zurück.

"Nein, alles gut. Es war mein Fehler. Ich hätte besser aufpassen sollen.", antwortete ich.

Ich schenkte Daniel noch schnell ein Lächeln und eilte dann zu Lucy. Diese zog mich an der Hand zu unserem Klassenzimmer. Schnell drehte ich meinen Kopf noch einmal nach hinten. Doch Daniel war verschwunden.

Da heute der erste Schultag ist, bekamen wir nur eine Verwarnung von unserem Lehrer. Viel hatten wir immerhin noch nicht verpasst. Wir bekamen unsere Stundenpläne und das war es dann auch schon wieder. Im Bio-Kurs konnte ich keine neuen Schüler entdecken, doch ich schätzte, dass es nicht so bleiben würde.

Nach diesen zwei Stunden Bio hatten wir alle eine kurze Pause von 10 Minuten um zum nächsten Klassenzimmer zu kommen und die nötigen Materialien zu holen. Wie immer unterhielt ich mich in dieser Zeit mit Lucy, welche gleich zu einem anderen Kurs musste.

"Ich dachte Daniel interessiert dich nicht?", fragte sie mit einem Zwinkern. Erst musste ich überlegen, was sie denn meinte. Doch kam ich schnell darauf.

"Er interessiert mich auch nicht. Ich war nur überrascht von seinen klaren Augen. Ich hatte nicht diese Farbe erwartet.", versuchte ich mich rauszureden. Eigentlich interessierte er mich auch nicht. Aber als er mich berührte... Dieses Kribbeln, dass durch meinen ganzen Körper ging. Es war ein seltsames Gefühl. Unbekannt. Berauschend.

"Ja klar", lachte Lucy und wackelte mit den Augenbrauen. Ich schüttelte nur den Kopf und kramte gleich darauf in meinem Rucksack nach etwas zu trinken. Gerade als ich die Flasche fand, wurde ich nach vorne geschubst. Zum Glück fing Lucy mich auf. Genervt drehte ich mich um. Einmal am Tag reichte mir eigentlich.