Zeit

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Er tauchte nicht auf. Nicht in der Realität. Doch in meinen Träumen. In meinen Träumen, sah ich ihn immer mit weißen, leuchtenden, leicht durchsichtigen Flügeln. Sie fanden ihren Ursprung in seinem Rücken und waren insgesamt etwa zwei Meter breit, wenn er sie zu den Seiten ausstreckte. Er flog durch die Lüfte und hielt jedes Unheil von mir fern. Es prallte alles an ihm ab und schien ihm nichts zu tun. Doch in manchen Träumen war da ein zweiter Engel. Seine Flügel hatten die gleiche Form, doch leuchteten sie leicht rot. So konnte ich sie immer unterscheiden. Denn ich wusste nicht, welches Gesicht hinter den roten Flügeln auf mich wartete. Es schien, als ob die beiden kämpften. Doch um was, wusste ich nicht. In den hohen Lüften flogen sie umher und schienen sich zu jagen. Doch dann stürzten sie ab und tauchten nicht mehr auf. Stattdessen spürte ich eine dunkle Macht um mich herum. Eine unbändige Hitze und das pure Gefühl des Todes. Immer unwohler wurde mir dann und meine Kräfte schrien. Ich wollte sie gegen den Feind benutzen, doch hatte das alles keine Wirkung. Eine Hand schien mich zu greifen. Und sie würde mich nie wieder loslassen...

Panisch wachte ich auf und setzte mich sofort hin. Der Mond leuchtete hell ins Zimmer und strahlte auf Nick und mich. Die Rollos waren oben und ein kalter Wind zog durch das Zimmer. Schwer atmend stand ich auf und schloss das noch offene Fenster. Dabei blickte ich in den Himmel, um dort irgendeine Regung zu erkennen. Doch blieb alles still. Keine Engel. Kein Daniel. Wer wusste schon, wo er war und wie lange er dort bleiben würde.

Nick drehte sich im Bett herum und ich sah nach, ob seine Augen geschlossen waren. Denn er brauchte den Schlaf. Ich hatte ihm viel davon in letzter Zeit geraubt.

Vier Wochen waren seit Daniels Verschwinden vergangen. In diesen vier Wochen, hatte ich Lucy erklärt, warum es mir immer so schlecht ging und das ich sie in nichts hinein ziehen wollte. Deswegen machten wir erstmal eine Art Pause unserer Freundschaft. Sie sollte nicht in Gefahr geraten. In den ersten drei Wochen bin ich fast jede Nacht panisch schreiend aufgewacht. Immer wieder Träumte ich vom Untergang der Engel und Bändiger durch Luzifer. Das er den Himmel mit seinen Dämonen angreifen würde und alle ins Unglück stürzte. Ab der vierten Woche dann, schlug Nick vor, neben mir zu schlafen. Und seitdem wachte ich nicht mehr, von Albträumen geplagt auf. Außer heute. Ich wusste zwar nicht warum, doch hab ich zum Glück nicht geschrien.

Draußen lag bereits Schnee. Der Winterball sollte in zwei Wochen sein und ich hatte immer noch kein Kleid. Geschweige denn wurde ich immer unsicherer. Ich fragte mich jeden Tag, ob sich die Probleme danach klären würden. Aber ich hatte auch Angst davor. Angst, dass sich nicht alles klären würde. Angst, dass Daniel nicht mehr auftauchte. Denn mein gesamtes Leben hing an ihm. Nicht nur, weil er mein Schutzengel war. Sondern auch weil ich mich unsterblich in ihn verliebt hatte. Ich wollte mit ihm mein Leben verbringen und nichts konnte meine Meinung ändern. Auch kein Nick.

Als ich am nächsten Tag von der Schule kam, es war ein Donnerstag, wartete Nick schon bei sich zuhause auf mich. Er öffnete mir noch vor dem Klingeln die Tür und trug ein breites Grinsen im Gesicht. Verwirrt zog ich mir Schuhe und Winterjacke aus und legte meinen Rucksack beiseite. Ich benutzte immer Daniels, damit ich etwas von ihm in meiner Nähe hatte.

"Was ist los?", fragte ich Nick verwirrt, welcher mich nur in die Küche führte.

"Wirst du schon noch sehen.", sagte er geheimnisvoll und hob ein Tuch hoch. Damit verband er mir kurzerhand die Augen und somit musste ich mich ab nun von ihm leiten lassen. Doch ihm zu vertrauen, war eines meiner geringsten Probleme. Denn ich vertraute ihm ja fast mein ganzes Leben an, wenn Daniel nicht da war.

"Vorsicht, jetzt kommt die Treppe.", hauchte er leise in mein Ohr und verursachte mir so eine Gänsehaut. Langsam stiegen wir die Treppen nach oben und langsam fragte ich mich wirklich, was er vor hatte.

Als ein Engel durch mein Fenster sahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt