Kapitel 11

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-Jo-

Ich hatte mein Medizinbuch unter den Arm geklemmt und den Rucksack nur auf einer Seite geschultert, als ich die Flure der Universität durchquerte.
Da es in der Nacht noch gewittert hatte, lindert sich die Hitze draußen allmählich und die Studenten zirrten sich nicht mehr davor die Wiesen zu nutzen.

Ich bog in einen anderen Gang ab und konnte am Ende eine einzige schmale Gestalt wahrnehmen. Als ich mich näherte, erkannte ich auch das blonde schulterlange Haar, dass ihr ins Gesicht fiel.

Als Luana mich auf sich zukommen sah, drehte sie ihren Körper in meine Richtung. Sie lächelte und hob die Arme. Für eine Sekunde dachte ich, sie wollte mich umarmen und streckte die Arme schon von zehn Metern Entfernung nach mir aus, doch sie sammte ihre Haare lediglich zu einen kurzen Zopf am Hinterkopf, um sie dann auf eine Seite zu streichen. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie viel wärmer es noch war, wenn man lange Haare hatte. Ich flippte schon beinah aus, wenn sie mir nur ansatzweise über die Ohren wuchsen.

,,Hey."begrüßte sie mich und legte den Kopf schief, was bewirkte, dass ihr die Haare wieder in den Nacken fielen. Ihre grünen Augen leuchteten mir entgegen. Ich begrüßte sie ebenfalls und ließ meinen Blick über ihren Körper wandern.
Ich wusste, dass es nicht angenehmen für Frauen war, wenn ein Mann sie so musterte. Das hatten mir Fiona und Sky schon zu oft geschildert und ich hätte den Männern aus ihren Erzählungen dafür den Kopf umdrehen können. Aber ich konnte es nicht sein lassen.

Sie trug ein Oberteil, das ihre schmalen Schultern freilegte und eine kurze Hose, die ihre langen Beine zur Geltung brachte. Luana war keine Frau mit vielen und besonders ausgeprägten Kurven. Eigentlich wirkte sie eher nur dünn. Aber sie waren trotzdem da. Besonders die Rundung von ihrer Taille zu ihrer Hüfte hielt meinen Blick ein wenig zu lange gefangen.

Ich beeilte mich, ihr wieder in die Augen zu sehen. Sie wirkten so unschuldig und schüchtern, dass ich glaube, Luana wusste nicht einmal, welch eine Wirkung sie auf einen Mann haben könnte.

,,Bist du heute Abend auch da?"fragte ich sie dann. Luana zog fragend die Augenbrauen zusammen. ,,Wo soll ich denn sein?" antwortete sie mit einer Gegenfrage und zog unwissend die leicht geröteten Schultern hoch. ,,Bei euch in der WG. Damian hat mich auf ein Bier eingeladen, weil ich ihm beim Umzug geholfen habe." erklärte ich ihr.
,,Achso, nein wahrscheinlich nicht. Ich bin bei meiner Oma zum Mittagessen eingeladen." sagte sie, während ihre Wangen sich dem Ton ihrer Schultern anpassten.

Ich wusste nicht was es war und ich hatte es das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte, noch nicht bemerkt, aber sie hatte irgendetwas an sich, das mich tierisch anzog. Es grenzte beinah an eine sexuelle Spannung, aber da war noch irgendwas.

,,Oh, na dann bis... bald."antwortete ich und sprach das letzte Wort ein paar Nuancen tiefer. Sie nickte und wünschte mir für heute Abend viel Spaß, aber keiner von uns beiden bewegte sich vom Fleck. Wie in einer Seifenblase.

Irgendwann wurde es dann doch unangenehm. Deshalb wand ich verlegen den Blick ab und setzte einen Schritt vor den anderen. Als ich mich von ihr entfernte, Zwang ich mich inständig dazu, mich nicht noch mal umzudrehen, denn wenn sie immer noch dort stand, mit den Rücken zu mir, wusste ich ganz genau, wohin mein Blick fallen würde.

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,, Komm mal runter, Alter! So laut war das gar nicht." beschwerte sich Adrian bei Damian, der mir einen vielsagenden Blick zuwarf und an seiner Bierflasche nippte.

Wir saßen an dem kleinen Gartentisch auf dem Mini-Balkon, der zu der Wohnung gehörte. Damian und ich hatten uns dazu entschieden, das schöne Wetter auszukosten und Adrian hatte sich zu uns gesellt, als er von seiner Freundin nach Hause gekommen war. Es fing allmählich an zu dämmern, aber wir dachten nicht einmal daran ins Wohnzimmer zu gehen, weil die Luft seit langem nicht mehr so frisch war, wie heute.

,,Ich bin in die Küche gegangen, um mir etwas zu Essen zu holen und ich habe immer noch gehört, wie sie dir gesagt hat, dass du schneller machen sollst."erwiderte Damian anklagend und dennoch belustigt. ,,Hast du nichts besseres zu tun, als dich um mein Sexleben zu kümmern?" neckte Adrian ihn. ,,Habe ich schon, aber es ist eben unüberhörbar."konterte Damian gleichgültig, während ich mir das Lachen verkneifen musste.

Adrian gab sich gelassen und trank aus seiner Flasche. ,,Kümmer dich mal lieber um deinen eigenen Sex. Du und Talia..."setzte er an, doch dann fror mein Lachen ein. ,,Hey, Stopp! Das ist meine Cousine, ok? Ich will das nicht hören."unterbrach ich ihn mit ausgestreckter Hand und er hob grinsend, aber schuldbewusst seine Arme.

,,Buenos dias!"flötete aufeinmal eine Stimme hinter meinem Rücken. Ich konnte anhand der Auswahl ihrer Worte schon erkennen, wer es war. Sierra trat in mein Sichtfeld. Sie hatte ein Weinglas in der Hand, das sie mir in die Hand drückte, damit sie sich auf den klapptigen Tisch schieben konnte. Nachdem sie ihre Beine zu einem Schneidersitz gezogen hatte, nahm sie mir die rote Flüssigkeit, in der lauter verschiedene Früchte schwammen, wieder ab. Ich tippte auf Sangria.

Kurz danach trat Luana ebenfalls auf den Balkon. Sie hatte ebenfalls ein Weinglas in der Hand und lehnte sich an das Geländer, weil kein Stuhl, oder Tisch, mehr frei war. Anscheinend hatte sie es doch noch geschafft.
,,Warum siehst du aus, als wärst du bei einem Polizeiverhör?"fragte sie Adrian, der die Arme immer noch leicht gehoben hatte.
,,Jo hat jemanden umgebracht und ich bin der Zeuge."scherzte er und setzte für einen neuen Schluck an, während ich mich beinah verschluckte. Das Blut rauschte in meinen Ohren.

Wie aus den nicht tauchte das Bild von Ben vor meinen Augen auf, wie diese Scheibe in seinem Bauch steckte, wie verzweifelt Aiden seine Hand auf die Wunde presste, wie schwach ich mich gefühlt hatte. Mir wurde schlecht und ich stellte die Flasche auf dem Boden ab.
Gott, warum schob ich jetzt so ein Drama, wegen einem Scherz?

Mein Herz fing an zu rasen und meine Lunge schnürte sich zu. Ich kannte das Gefühl nur zu gut und ich wusste, worauf es hinauslaufen würde.

,,Kann ich eure Toilette benutzen?"fragte ich erstickt nach. Damian nickte und setzte an, um mir den Weg zu erklären, aber ich war nicht zum ersten Mal hier.
Also flüchtete ich so schnell ich konnte ins Bad, drehte den Wasserhahn auf und hielt meine Handgelenke unter das kalte Wasser.

Ich musste mich beruhigen. Ganz dringend beruhigen. Verdammt früher hatte ich nie so darauf reagiert.
Ich hatte die Erinnerungen vergraben. Alles war drauf und dran besser zu werden.

,,Jo? Alles in Ordnung?"rief Luana und klopfte an der Tür. Diese hatte ich in meiner Eile aber nicht abgeschlossen und nur angelehnt. Deshalb flog sie auch sofort auf, als sie mit den geballten Händen dagegen klopfte.
Sie blieb im Türrahmen stehen und sah mich aus forschenden Augen an.

Mein Herz klopfte mir immer noch bis zum Hals, aber ich wurde langsam ruhiger. ,,Geht es dir gut?"hackte sie noch mal nach und betrat das Badezimmer. Ich nickte, stoppte das Wasser und trocknete meine Hände.

,,Du siehst so blass aus."stellte sie fest und legte mir besorgt eine Hand auf den Oberarm. Die Berührung ihrer kalten Hand vertrieb den Nebel aus meinem Kopf und ließ mich wieder klar denken. Ich atmete tief durch und legte meine Hand über ihre.
,,Ist wahrscheinlich die Hitze. Kann ich ein Glas Wasser haben?"

Luana lenkte den Blick von unseren Händen wieder auf mich und nickte, ehe sie mich in die Küche zog.


Damn smileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt