Kapitel 1

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-Jo-

Der Koridor war dunkel und es herrschte eine muffige schwere Luft zwischen den Studenten. Fast alle hielten sich in den Räumen der Universität auf, um der drückenden Hitze draußen zu entfliehen. Egal, wo ich hinsah, überall sah ich halbnackte, und vor Schweiß glänzende Körper.

Bemüht niemanden anzufassen, drängelte ich mich durch die Schlange zum Wasserspender, der wohl der einzige im nahen Umkreis zu sein schien.
Es waren die ersten wirklich heißen Sommertage des Jahres und langsam bekam ich das Gefühl, sie würden bald alle durchdrehen.

,,Hey, Grafe!"rief jemand. Ich drehte mich um und sah Gregor an der Wand lehnen. Ich hatte mal ein Projekt mit ihm zusammen. Anscheinend war alles, was er sich gemerkt hatte mein Nachname. ,,Fang!"rief er und warf mir einen Ball zu. Doch er warf so schief, dass der Ball, ohne, dass ich etwas hätte tun können, direkt in ein blondes Mädchen fiel.

Um den Ball nicht ins Gesicht zu bekommen, riss sie die Arme hoch und verdeckte ihr Gesicht. Dafür fielen aber all die Zeitungen, die sie in der Hand hielt, zu Boden. Der Ball prallte an ihrem Unterarmen ab und kullerte mir direkt vor die Füße. ,,Du bist so ein Vollidiot, Gregor!"rief ich ihm zu und warf den Ball wieder zurück. Das war nämlich die Sache, die ich mir aus unserer Projektarbeit gemerkt hatte: Gregor Müller war der bescheuertste Medizinstudent der ganzen Universität.

Kopfschüttelnd ging ich auf das Mädchen zu, das sich nun auf den Boden gehockt hatte und enttäuscht die Zeitungen ansah. ,,Ist alles in Ordnung?"fragte ich und kniete mich vor ihr hin. Der Großteil der Zeitungen war in einer großen Fütze gelandet, die entstanden war, weil einige Studenten beschlossen hatten, sich mit einer Wasserschlacht abzukühlen. Manchmal glaube ich, sie waren keine Studenten, sondern zurückgebliebene Kleinkindern.

,,Nein, nein, nein."flüsterte sie und versuchte die Blätter noch zu retten. Aber die Schrift war schon längst nicht mehr lesbar. ,,Alles hin!"stöhnte sie dann. ,,Sorry."entschuldigte ich mich und stapelte die trockenen Zeitungen wieder auf. Zum ersten mal sah sie vom Boden auf, um sehen, wer da überhaupt vor ihr hockte.

,,Schon gut."stotterte sie. Ihre hellen Augen sahen schüchtern zu mir auf und der leichte Rotton auf ihren Wangen ließ sie beinah kindlich wirken, machten mich aber auch wieder auf die glühende Hitze aufmerksam.

Sie kam mir bekannt vor. Ich hatte sie irgendwo schon einmal gesehen. Ich wusste nur nicht, wo. ,,Kennen wir uns nicht irgendwoher?"fragte ich sie daher. Skeptisch sah sie mich an und zuckte stumm mit den Schultern. Wahrscheinlich dachte sie, es wäre irgendein billiger Anmachspruch.

So schnell wie möglich versuchte ich, ihr Gesicht einordnen zu können und überlegte, wo ich in den letzten Tagen gewesen war. Dann, irgendwann ging mir ein Licht auf. ,,Wohnst du nicht mit Damian zusammen in einer WG? Damian Sanchez." Letzte Woche hatte ich dem Freund meiner Cousine Talia geholfen, umzuziehen.

Endlich schien auch ihr auch bekannt vorzukommen, denn sie zog wissend die Augenbrauen hoch. Ich hob die Zeitungen vom Boden und richtete mich langsam wieder auf. ,,Louisa, oder?" überlegte ich laut. Leicht lächelnd schüttelte sie den Kopf. ,,Luana," korrigierte sie mich, ,,und ja, ich wohne in der WG."

Mein Mundwinkel zog sich unkontrolliert nach oben, als sie sich schüchtern eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht strich. ,,Ich muss dann jetzt...das da in Ordnung bringen." murmelte sie und deutete verlegen auf den Stapel in meinen Händen. ,,Oh, klar." sagte ich und ließ sie mir die Zeitungen abnehmen. Sie nickte mir noch einmal zu und schob sich vorsichtig an mir vorbei.

Ich biss mir auf die Lippe und zwang mich ebenfalls durch die Menschenmassen. Dachten die ernsthaft alle, im Gebäude wäre es so viel kühler, wenn sie sich alle zusammen in die Gänge quetschten? Ich verließ die Uni und war froh diesen Tag endlich geschafft zuhaben. Ich zog mein Handy aus meiner vorderen Hosentasche und schaltete es ein. Zwei Nachrichten von Aiden.

'Holzkopf?'

'Kommst du heute vorbei?'

Ich verdrehte die Augen. Typisch Aiden, von ihm brauchte ich kein normales 'Hallo' erwarten. Aber gut, er von mir auch nicht. Also bog ich an der nächsten Kreuzung nicht links, sondern rechts ab.

Eigentlich hatten Aiden und ich mal geplant, dass wir in diesem Alter zusammen in einer Wohnung leben würden. Wir dachten, wir würden beide Studieren und unsere Freizeit mit Nebenjobs und Zocken verbringen.

Doch unser Schicksal hatte etwas anderes geplant.

Stattdessen hatte ich die letzten zwei Jahre alleine verbracht, während er in Amerika war. Ich musste mich in der Uni alleine mit den ganzen Idioten herumschlagen und wir lebten beide noch bei unseren Eltern.

Und das alles nur, weil wir vor fast drei Jahren eine falsch Endscheidung getroffen hatten, die wir nun leider nicht mehr rückgängig machen konnten.

Ich klingelte und kurze darauf wurde mir die Tür von Aiden aufgemacht. ,,Was willst du denn hier?" fragte er und zog ein angewidertes Gesicht. ,,Halt deine Klappe!" lachte ich und schlug ihm mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf. Aiden lachte und wich aus, als ich mich einfach an ihm vorbei drängelte.

Nachdem ich meine Schuhe abgestreift hatte, ging ich zu Aiden ins Wohnzimmer. Er saß auf dem Sofa und hielt den Controller der Playstation in der Hand. ,,Wo sind die Mädels?" fragte ich und griff nach dem zweiten. ,,Ich glaube Shoppen. Ich bin alleine." erklärte er, während das Spiel auf den Bildschirm lud. ,,Aber sie sind schon lange weg. Eigentlich müssten sie jeden Moment kommen." fügte er hinzu.

Ich stand auf und ging in die Kühe, um mir ein Glas Wasser zu holen. Eine Stunde später, nachdem uns sogar schon im Sitzen viel zu heiß wurde und wir unsere Shirts ausgezogen hatten, hörten wir die Wohnungstür aufgehen und das endlose Geschnatter von Fiona. Das Mädchen konnte auch wirklich nie aufhören zu reden.

Sky betrat das Wohnzimmer als erste und begrüßte mich mit einem Lächeln. Dann ging sie um das Sofa herum und drückte Aiden einen Kuss auf die Lippen. ,,Es ist so verdammt heiß draußen." beschwerte sich Fiona. Sie war inzwischen in der Küche gewesen und hatte für sich und Sky zwei Flaschen mit genommen. ,,Du hättest und auch etwas mitnehmen können." meckerte ihr Bruder sie an. ,,Du wohnst auch hier. Also beweg deinen Arsch selber." kommentierte sie nur und ließ sich zwischen uns auf das Sofa fallen.

Ich musste Lächeln. Wir vier waren nach dem Unfall sehr lange nicht mehr so eng befreundet, wie wir es von Anfang an gewesen waren, aber, auch wenn es grade nicht wirklich so schien, in den letzten Monaten war es noch viel besser geworden, als es damals war.

Erster Eindruck? Ich brauche eure Meinung.

Damn smileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt