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Nach wie vor trocknete die Sonne, die hoch am Himmel stand, die Straßen von Vescia aus und reduzierte so die Aktivitäten auf ein Minimum.
Lediglich ein einzelner Reiter war es, der sich gerade der Seeseite der Stadt näherte. Der dunkelbraune Zilynder trohnte wie ein Heiligtum auf seinem weißen Haupthaar und sein ebenso weißer Bart war kunstvoll gezwirbelt.
Er war von hohem Stand- das war klar. Seine goldene Lesebrille war an einer glänzenden Kette befestigt, die im Licht aussah, als würde sie Funken sprühen.

Er ritt sein Pferd bis zu der kleinen Anlegestelle, die von den Handwerklich geschickten Bürgern provisorisch aufgebaut worden war, dann machte er Halt. Der Rückenwind, der er und sein braunes Reittier erfasste, ließ sein weißes Hemd, sowie Mähne und Schweif seines Pferdes flattern und verlieh den beiden einen majestätischen Anblick, wie sie direkt am Hang über dem Wasser standen, den Blick auf ein Schiff gerichtet, dass sich aus der Ferne langsam näherte.

Mit der Zeit wurde es größer, und an den Fenstern an der Seeseite sammelten sich schnell viele Gesichter, die neugierig den Zweimaster beobachteten, der gerade sein Wendemanöver einleitete.

Ein Mann in den späten vierzigern trat an die Seite des Reiters, in der Hand ein Klemmbrett, auf dem Kopf eine hellbraune Melone.
"Wir haben soeben Informationen über die Crew erhalten. Sie stellt sich uns mitsamt dem Captain als Helfer zur Verfügung, sie können frei angeworben werden."

Der Alte nickte nur und betrachtete weiterhin konzentriert das Schiff, von dem nun erste Kommandorufe zu hören waren. "Ich wähle die Ärzte und Helfer für die Quarantänestationen aus. Der Rest kann danach von den Bürgern angeheuert werden, oder sich selbstständig machen, sollte sie keiner nehmen.", brummte er und sah auf seine goldene Taschenuhr. "Überpünktlich. So sind sie, die Engländer."
Der Mann an seiner Seite nickte lächelnd und trat dann einen Schritt zurück. "Das ist wahr.", sagte er und zog den Hut. "Nun denn, Herr Bürgermeister, ich ziehe mich wieder ins Rathaus zurück. Beste Wünsche für Ihre Helferwahl!"

Nur wenige Meter entfernt, in einer engen Gasse zwischen dem Saloon und einem Wohnhaus, zündete sich Raven eine Zigarette an. Er hockte an die Wand gelehnt hinter zwei auf die Seite gestellten Holzpaletten, die ihn und seine zwei Begleiter für das Geschehen am Anleger unsichtbar machten. Luke hatte sich hingekniet und lugte durch einen Schlitz im Holz, während ein weiterer, Braunhaariger Mann Raven gegenüber saß und ihn verunsichert musterte.
"Also, was genau... -"
"Sei still, Peter.", brachte Raven ihn schlagartig zum Schweigen, "Wir wollen nicht auffallen, schon vergessen?"
"Ja, Boss..."
Peter senkte den Blick zu Boden.
Anders als seine Kollegen trug er keinerlei Arm- oder Beinschutz, das einzige, was ihn als Krieger identifizierbar machte, war eine Weste aus Hartleder, die lediglich seine Schultern ein wenig schützte.

"Sie haben angelegt." Luke verließ seinen Posten und drehte sich wieder zu seinen Kollegen. Erfreut klatschte Raven in die Hände und beugte sich vor. "Die Zielpersonen sind eingetroffen. Der Adler ist gelandet. Wie ihr wollt. Jedenfalls müssen wir jetzt weitermachen. Erste Frage-"
"Wer von denen ist Arzt?"
Verwirrt wandten sich Peter und Raven Luke zu, der wieder durch die Lücke zum Anleger spähte.
"Was meinst du?", fragte Raven und blinzelte irritiert.
Der junge Mann drehte sich erneut zu ihm, in seinem Gesicht ein genervter Ausdruck. "Ich meine: Wer von denen ist Arzt?"
"Lass mich mal sehen.", schloss der Anführer der kleinen Gruppe und drängte sich ebenfalls hinter die Spalte.

Am Anleger hatten sich inzwischen alle Helfer, die im Schiff in die Stadt gekommen waren, versammelt und warteten auf die Auswahl des Bürgermeisters.
Dieser hatte das Klemmbrett seines Sekretärs in der Hand und las laut ein paar Namen vor.
"Michael Smith, Arzt seit vierzehn Jahren und seit zehn davon selbstständig, treten sie vor, sie sind für die Quarantäne nahezu perfekt."
Ein etwas in die Jahre gekommener Mann kam aus den Reihen der Helfer, zog seinen Hut vor dem Reiter und gesellte sich dann zu den anderen, für die Quarantänestation eingeteilten Helfer.
"Nun, das sollten alle Nothelfer gewesen sein. Ich denke, ich gebe sie nun für mein Volk frei, viel Glück noch!", rief der Bürgermeister und kehrte grußlos um, in Richtung Rathaus...

Oil, please.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt