Kapitel 6

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Müde mache ich meine Augen auf und stelle den Wecker aus. Der Platz neben mir ist leer und es sieht auch nicht so aus, als hätte dort jemand geschlafen. Traurig setze ich mich auf. Dann war alles nur ein Traum? Sean ist tot und ich hatte wieder einen Alptraum? Es klopft an der Tür. ,,Herein'', rufe ich und versuche meine Enttäuschung zu verstecken. ,,Ich wollte nur gucken, ob du wach bist. Wir wären gleich soweit um zu frühstücken'', lächelt Sean. Also war es doch kein Traum? ,,Ist alles gut?'', möchte Sean wissen und setzt sich neben mich. ,,Als ich aufgewacht bin hatte ich die Hoffnung, dass du neben mir liegst, aber da es so aussah, als würde da niemand gelegen haben, dachte ich, dass du gar nicht hier bist und alles nur ein Traum war'', erkläre ich ihm. Sean fängt an zu schmunzeln und nimmt mich in den Arm. ,,Mich wirst du so schnell nicht mehr los'', lächelt er und küsst meine Stirn. ,,Komm wir gehen ich hab hunger und wir müssen gestärkt sein für die Fahrt'', sagt Sean. Verwirrt sehe ich ihn an. ,,Ich komme mit dir. Deine Mutter hat mich gefragt, ob ich nicht mit kommen möchte'', erwidert er. Nickend stehe ich auf und ziehe mir eine dunkelblaue Jeans und ein weißes Langarmshirt an. Meinen Zopf öffne ich und lasse meine braunen Locken offen an meinem Rücken runter. ,,Du siehst wunderschön aus'', lächelt Sean und hält mir die Tür auf. Dankend gehe ich an ihm vorbei und laufe in die Küche. ,,Guten Morgen Liebes'', lächelt Rebecca, die Oma von den Beiden. ,,Morgen'', lächle ich ebenfalls und setze mich an den Tisch. Alle führen eine Unterhaltung, doch ich halte mich aus allem raus, da ich viel zu müde bin. Geistes verloren gucke ich auf den Tisch. Eine große männliche Hand wedelt vor meinem Gesicht herum. Verwirrt blicke ich an dem gebräuntem Arm entlang, bis ich beim Gesicht bin. ,,Mama hat gefragt, wann wir los müssen'', erklärt Sean und ich gucke auf die Uhr. ,,In zwei Minuten'', erkläre ich und beiße von meinem Brötchen ab. ,,Was? Ich gehe mich anziehen'', ruft Sean und rennt nach oben. ,,Willst du dich nicht auch fertig machen?'', fragt Maria. ,,Bring meine Jacke und meinen Koffer mit!'', rufe ich hoch, ,,Schuhe habe ich schon an. Koffer ist gepackt und meine Handtasche steht aufm Sofa'', erkläre ich und esse mein Brötchen auf. ,,Mach dir kein Stress, die Tickets und die Reservierung buche ich aufm Handy, wenn ich weiß, wann wir genau fahren!'', rufe ich erneut und trinke meinen Kakao aus. ,,Wie lang fährt der Zug nach Basel?'', möchte Luca wissen. ,,Knapp eine Stunde. Es würde sich also nicht lohnen uns nach Basel zu fahren'', lächle ich und er nickt. Ich hole mein Handy aus meiner Tasche. ,,Hm... Was sagst du dazu, wenn wir erste Klasse fahren? Die zweite ist fast komplett voll und da sind so viele Kleinkinder'', erkläre ich. ,,Ist das nicht total teuer?'', fragt Sean, als er sich neben mich setzt. ,,Die Frage ist ob du möchtest. Egal wie viel es kostet'', antworte ich ihm. Sean nickt skeptisch. ,,Gut, wenn wir den Zug um zehn kriegen kostet es knapp zweihundert Euro. Mach dir keine Gedanken um das Geld. Mein Onkel und mein Vater haben als ich klein war monatlich Geld auf ein Konto gezahlt, was sie immer noch tun. Ich weiß nicht genau den Betrag, aber das ist er mir schuldig'', erkläre ich lächelnd. Denkt ich bin abgehoben oder sonst was, es ist mir egal, denn ich spare den größten Teil, damit ich mir später ein Haus kaufen kann, also kann ich auch mal mehr Geld ausgeben, um meine Mutter zu sehen. Und nur fürs Protokoll, die zweite Klasse kostet fast genauso viel.

,,Danke das ihr hier wart'', lächelt Luca und nimmt uns in den Arm. ,,Danke das du mir geholfen hast'', grinst Sean und drückt ihn nochmal. ,,Dafür ist die Familie doch da'', erwidert Luca und winkt uns. Sean nimmt mir meinen Koffer ab und zeigt auf eine Bank, damit ich mich setzen kann. Was sind wir? Freunde? Partner? Nachdenklich setze ich mich hin. ,,Welcher Zug ist denn unserer?'', möchte Sean wissen. ,,ICE 74 Richtung Kiel Hauptbahnhof'', antworte ich ihm, als ich die Tickets gebucht habe. ,,Gleis 15. Einfahrt ICE 74 Richtung Kiel Hauptbahnhof über Frankfurt am Main Hauptbahnhof. Abfahrt zehn Uhr. Vorsicht bei der Einfahrt'', ertönt fünf Minuten später die Durchsage. Ich stelle mich hin und möchte meinen Koffer nehmen, doch Sean schüttelt mit dem Kopf. Ich rolle mit den Augen und ziehe meine Jacke enger. ,,Ähm...Also wir werden denke ich erstmal jeder bei sich wohnen, wir müssen ja selbst erst mit der Situation wieder klar kommen.'' Definitiv nur Freunde. Seine Worte hallen durch meinen Kopf. ,,Komm'', ruft Sean und schiebt mich Richtung Zug. Ich atme tief durch und steige dann ein. ,,Wagen eins Sitz vier und fünf'', sage ich ihm. Er nickt und hebt dann die Koffer auf die Ablage. ,,Die Sitze sind nicht reserviert, wenn du also lieber rückwärts sitzt, kannst du dich auch dort hinsetzen'', erkläre ich ihm. Sean nickt erneut und setzt sich mir gegenüber. ,,Hey Mama, wir sitzen jetzt im Zug und sind gegen vier in Köln", lächle ich, als ich meine Mutter Anrufe. „Okay Liebes. Ich freue mich schon auf euch", antwortet sie. ,,Ja wir auch'', sage ich und lege auf. ,,Alles gut?'', möchte Sean wissen. Ich nicke. Nachdenklich blickt Sean mir in die Augen. ,,Ich merke doch, dass etwas nicht stimmt'', haucht er. Du bist los. Gestern kannst du deine Finger nicht von mir lassen und seitdem deine Familie da ist bin ich nur noch eine Freundin. Du machst mir Hoffnung und lässt mich dann wieder fallen. Ich habe lange getrauert, weil du nicht da warst. Die Anziehung die ich gegenüber die gefühlt habe war überwältigend. Ich habe deine Nähe mit jedem Atemzug genossen und war am Boden zerstört, als ich nach der Operation erfahren habe, dass du tot bist. Ich habe jeden Tag versucht damit klar zu kommen, doch nichts funktionierte. Deine pure Männlichkeit fehlte mir. Ich hätte so viele neue Freunde haben könne, doch ich lehnte sie alle ab, weil sie nicht du waren. Ich habe mit jedem Zentimeter meines Körpers unsere Leidenschaft vermisst. Dein Verlust war so schrecklich, dass es mich von innen gefühlt zerriss. Ich habe jede Nacht davon geträumt, wie es wäre, wenn du noch da wärst, wie wir gemeinsam in einem Haus leben und einen Hund haben. Wie du von der Arbeit kommst und mich liebst. Wie wir bis spät nachts wach sind, unsere Hände nicht von einander lassen können und du mich Stunden lang verwöhnst. Wie wir bis zum Morgen mit einander schlafen und dadurch den halben Tag im Bett verbringen. Doch leider sind Träume oft nur eine schöne Variante von der schrecklichen Wahrheit. ,,Nein es ist alles gut'', lächle ich und schaue dann aus dem Fenster.

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