Kapitel 5

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Es klingelte. Ich lief die Treppe herunter, im Gedanken, wer das wohl um diese Zeit sein könnte. Ich öffnete sorglos die Tür und mir fiel der Unterkiefer herunter. Vor der Tür stand in Begleitung zweier Polizisten, das Duo der beiden Menschen, die einige Stunden zuvor in der Schule gewesen waren. Als ich mich gefangen hatte, fragte ich: „Guten Tag, was kann ich für Sie tun?"

„Guten Tag", grüßte der eine Polizist, er kam mir seltsam bekannt vor, „Wir haben Informationen, dass sich ein gewisser Johannes Gienow hier befindet."
Das selbstgefällige Grinsen der beiden schätzungsweise in der Psychologie tätigen Menschen ging mir gehörig auf den Nerv.
Daher antworte ich gereizt: „Wer auch immer ihnen diesen Tipp gegeben hat, er hat offensichtlich gelogen. Johannes ist nicht hier."
„Dann haben Sie doch sicherlich nichts dagegen, wenn wir uns im Haus etwas umschauen."

Jetzt grinste auch noch der Polizist. Er hatte schon einen Fuß im Haus als ich sagte: „Selbstverständlich habe ich etwas dagegen. Ich werde nicht zulassen, dass sie einfach so in unser Haus gehen. Wir haben unser Recht auf Privatsphäre und da es keine Gefahr im Verzug gibt, rate ich ihnen, in einigen Stunden mit einem Durchsuchungsbefehl wiederzukommen. Bis dahin noch einen schönen Tag."

Mit diesen Worten knallte ich die Tür zu. Das hatte ich zumindest vor, jedoch verlor der Uniformträger noch rechtzeitig seinen Fuß in der Tür.

„Johannes Gienow hat diesen Mann", er wies auf den Psychopathen, „K.O. geschlagen. Laut der Einschätzung dieser Psychologen ist er ein hochaggresiver Junge und dementsprechend gibt es Gefahr im Verzug. Wir dürfen also rechtmäßig das Haus durchsuchen."

Ich konnte nichts dagegen tun. Er schob mich zur Seite und stand im Haus. Immer noch war ich entgeistert, dass diese beiden Psychologen einfach so behaupten können, dass Johannes Aggressionsprobleme hatte und das nicht einmal überprüft wurde. Ich hasste Deutschland immer mehr.


Als der Polizist fertig war, den Keller und das Erdgeschoss zu durchsuchen, ging er die Treppe nach oben. Ich konnte nichts tun, außer hoffen. Worauf auch immer, aber vielleicht hab es ja doch Wunder, Magie, Engel, einen Gott oder sonst etwas Liebenswürdiges.


Mir blieb fast das Herz stehen, als die Tür meines Zimmers geöffnet wurde, doch der Raum war leer. Der Polizist guckte in die Schränke, aber auch dort war niemand.

Nachdem er auch die anderen drei Zimmer durchsucht hatte, fragte er: „Wo versteckt er sich?"

Ich antwortete mit einem Lächeln im Gesicht: „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass er nicht hier ist!"

Die vier guckten immer seltsamer. Ich schätzte, sie waren es nicht gewohnt zu verlieren. Ich wusste nicht, wer ihnen gesagt hatte, dass Johannes hier sei, aber er schien sehr glaubwürdig gewesen zu sein. In jedem Fall schwor ich mir, den Verräter zu erschlagen.


„Wir durchsuchen das Haus noch einmal", legten die Polizisten grimmig fest.

„Machen Sie das ruhig. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, aber stiften Sie nicht allzu viel Chaos, Sie wollen ja schließlich durchsuchen, nicht verwüsten, und schon gar nicht angezeigt werden, oder?"

Ich setzte hinzu: „Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich mir einen Tee koche und ihnen bei der Arbeit zuschaue?" Nachdem ich mir eine Tasse Kamillentee gekocht hatte, setzte ich mich auf das Sofa und guckte der Psychologin amüsiert beim Suchen zu. Sie durchsuchte jede einzelne Schublade, wahrscheinlich nach magisch geschrumpften Menschen.
„Hachja, Arbeit ist etwas Schönes. Da könnte ich stundenlang zusehen", seufzte ich kichernd.

Ich selbst hatte Mühe zu verbergen, dass mich brennend interessierte, wo Johannes sich so schnell verstecken konnte.

Nach einer halben, erfolglosen Stunde trafen sich die vier wieder. Sie waren völlig verwirrt. Jetzt fiel mir auch ein woher ich den Polizisten kannte. „Sind sie nicht der Beamte, der mir letztens geholfen hat, Johannes das Leben zu retten? Und jetzt wollen sie es komplett zerstören, indem sie diesen beiden Vollzeitidioten dort helfen, Johannes in die Psychiatrie zu stecken? Polizei, dein Freund und Helfer am Arsch. Ich hoffe, dass es ihnen dabei wenigstens ein bisschen Scheiße geht. Nun gehen sie bitte weiter Häuser verwüsten, in denen Sie Johannes vermuten und hören auf, meine Zeit zu verschwenden. Schönen Tag noch."

Mit diesen Worten knallte ich die Tür zu. Dieses Mal wirklich.

Als ich dann in meinem Zimmer saß, und darüber nachdachte, wo Johannes sein könnte, rumpelte es im Bad. Einige Sekunden später, stand er vor mir. Leibhaftig und bildschön, wie immer.

„Wo zur Hölle..", setzte ich an, doch Johannes kam mir zuvor: „Ich hab euer Gespräch da unten gehört. Da hab ich schnell nach einem Versteck gesucht, aber ich habe keins gefunden. Dann ist mir eingefallen wie euer Haus von außen aussieht. Ich bin aus dem Badfenster geklettert und habe einfach oben auf dem Dachvorsprung gewartet. Hättet ihr euch nicht beeilt, wäre ich da oben fast eingeschlafen. War gemütlich dort", grinste er.

Ich war beeindruckt. So viel Kreativität hätte ich ihm gar nicht zugetraut.

"Ich glaube, wir haben denen ganz schön den Tag versaut", stellte ich kichernd fest.
Er schmunzelte.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und fragte: „Darf ich dich küssen?"
Überrascht blickte Johannes mich an. Er sagte eine Zeit lang nichts, und ich spürte förmlich wie er die Möglichkeiten abwog.

„Wenn du unbedingt willst", willigte er schließlich ein. Ich nahm all meinen Mut zusammen und küsste ihn auf den Mund.

Es fühlte sich großartig an, so schön weich und warm, aber bevor ich das Gefühl richtig auskosten konnte, schob er mich schnell von sich weg.

„Das war das erste und das letzte Mal", erklärte er. Es klang, als wollte er sich eher selbst damit überzeugen als mich.
Er wehrte sich verzweifelt gegen das Gefühl, mich zu lieben. Ich verstand nicht, warum, nickte aber betreten. Für ein dämliches Mädel..
Dann ging er.

Am Abend lag ich wach und weinend im Bett. Ich wusste nicht wirklich, warum mir das Wasser aus den Augen rann, aber irgendwie tat meine Brust weh. So, als wollte mein Herz einfach aus mir hüpfen und mit einem Rollenkoffer in den Urlaub fliegen. Es wollte mich zurücklassen.
Ich hatte immer mal von meiner ersten großen Liebe geträumt, mich gefragt, wie es sich wohl anfühlen würde. Und das sollte es jetzt sein? Wenn Liebe sich so anfühlte, dann wollte ich sie nicht. Eigentlich wollte ich in diesem Moment nicht viel anderes als Johannes. Und Schokoeis. Aber hauptsächlich Johannes. Bis vor ein paar Jahren hatte ich immer mit meiner Mutter gekuschelt, und irgendwie wollte ich das mit Johannes machen.

JohannesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt