Kapitel 7

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Hi
Dies ist das letzte Kapitel dieses Buches.
Ich hoffe es wird euch gefallen haben (Woohoo, ich hab Futur II genutzt xD), und schlage euch vor, nach dem Lesen doch einmal bei meinem anderen Buch „Ein kleines Geheimnis" vorbei zu sehen. Darüber würde ich mich wirklich freuen.
Vielen Dank für das Lesen dieser kleinen Geschichte.
SurfingTCAS

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Am Sonntag stand ich vor dem Gebäude der psychiatrischen Anstalt. Ich fragte mich, wer auf die Idee kommt, eine Psychiatrie in ein Hochhaus zu legen. Sinnlos.

Ich trat ein und ging in Richtung Rezeption. Im Raum war eine Mischung aus Krankenhaus und Kinderheim. Beides alleine schon nicht schön, aber in Kombination machte es mich traurig. Ich hielt es nicht für eine schöne Atmosphäre und konnte mir nicht vorstellen, dass es eine gute Umgebung für psychisch kranke ist.

„Hallo", sprach ich die junge Ärztin am Empfangstresen an.

„Ich suche Johannes Gienow", informierte ich sie.
Nach einiger Diskussion, ob ich denn überhaupt zu ihm dürfe und einigen künstlichen Tränen sagte sie: „Zimmer 1317", nachdem sie in ihrem Computer nachgesehen hatte. Dreizehnter Stock... Hoffentlich gibt's hier einen Fahrstuhl, dachte ich.
Ich bedankte mich bei der Ärztin und suchte einen Aufzug. Ich fand einen, der mich aber nur bis zur 12. Etage fuhr. Die letzte Etage legte ich zu Fuß zurück. Als ich vor Johannes Zimmertür stand, atmete ich durch und nahm mir vor, nicht noch einmal zu fragen. Ich klopfte.
„Komm rein, ich hab dich draußen schon gesehen", drang Johannes' Stimme aus dem Zimmer vor mir.

Ich trat ein.

Der Raum war kahl und alt. Es gab außer einer Zeitschrift tatsächlich keine Beschäftigungsmöglichkeiten. Ein unbequem anmutendes Bett stand in einer Ecke neben einem kleinen Schreibtisch. Auf diesem lag ein gefalteter und ein leerer Zettel, sowie ein Stift. Das winzige Fenster war vergittert. Es fühlte sich eher an wie im Gefängnis. Ich fühlte mich sofort unwohl an diesem Ort. „Das soll psychisch kranken bei der Heilung helfen?", fragte ich. Johannes schüttelte lachend den Kopf. „Das macht es eher schlimmer", sagte er. „Hast du den Schlüssel dabei?"
„Ja, aber wofür zum Teufel brauchst du den?"
Er nahm mir das Werkzeug aus der Hand.

„Das scheiß Gitter blockiert das ganze Licht. Es ist nur mit vier Schrauben lose befestigt."
Im Nu hatte er das Gitter entfernt und warf es aus dem Fenster. Seine Ankunft unten konnte man einfach an der Alarmanlage eines Autos erkennen die sofort ansprang.

Wir lachten. Dann unterhielten wir uns eine Weile über Freitag. „Das war das Lustigste was ich je gemacht habe. Hast du die Psychologin gesehen? Irgendwer hat die mit dem Farbtopf abgeknallt", sagte er lachend.

„Ja, das war ich", kicherte ich.

Johannes lachte noch lauter.
Ich verscheuchte gerade sämtliche Bedenken, als Johannes mich plötzlich umarmte und sagte: „Wenn du mich noch einmal küssen willst, wäre jetzt der Moment dafür."
Ich war verwundert, wie er plötzlich darauf kam, ignorierte aber mein Misstrauen. Ich küsste ihn und hatte das Gefühl, dass er es diesmal auch wollte und es nicht einfach nur geschehen ließ. Als wir fertig waren fragte ich: „Warum ist das meine letzte Chance?"

Er antwortete nicht. Stattdessen deutete er auf den gefalteten Zettel. Ich wollte ihn gerade öffnen und lesen als Johannes flüsterte: „War schön mit dir!"
Er küsste mich auf die Wange und rannte zum Fenster. Auf dem Fensterbrett sitzend winkte er noch einmal. Bevor ich die Situation realisiert hatte, war er gesprungen. Ich eilte zum Fenster und sah gerade noch, wie meine erste Liebe auf dem Pflaster aufschlug. Blut spritzte und die Leute schrien. Sein lebloser Körper lag völlig entstellt auf dem Boden. Ich konnte nur langsam begreifen was gerade passiert war.

Mein bester Freund hatte sich vor meinen Augen getötet. Und ich war indirekt verantwortlich dafür, weil ich ihm den Maulschlüssel mitgebracht hatte. Ich sah wieder aus dem Fenster. Unten kamen die ersten und guckten. Er war eindeutig tot. So schnell kann das Leben vorbei sein. Einmal weg, alle Menschen um sich herum für immer alleine gelassen.

Gerade eben hatten wir noch gelacht und uns unterhalten. Alles war plötzlich von einer Sekunde auf die andere ganz anders. Auf einmal fehlte jemand in meinem Leben. Ein großes Loch klaffte in mir und füllte sich langsam mit meinen Tränen wie der Stausee, der vor ein paar Monaten geflutet worden war. Ich wollte aber nicht, dass diese Erinnerung an Johannes verblassen und sich irgendwann verlieren, wie ein Dorf, aus dem alle Bewohner vertrieben wurden, das jetzt verlassen als Geisterdorf darauf wartet im Stausee zu verschwinden und für immer vergessen zu werden.

Ich hatte einmal ein Hörspiel gehört, bei dem von diesem Dorf nur noch der Wetterhahn der Kirche über dem Wasser schwebte. So durfte es nicht sein.

Ich wollte, dass die schönen Erinnerungen an Johannes, seine Lippen, sein warmer Körper, sein liebevoller Charakter ein Leben lang in meinem Herz sind wie jetzt. Wie ein Stausee, der erst ein paar Zentimeter geflutet war, dessen Dorf noch gerettet werden konnte. Irgendein Rechtsprozess. Von mir aus eine geschützte Eidechsenart. Ich zermarterte mir den Kopf, wie das gehen soll. Es gab nur eine Möglichkeit: die Flutung stoppen. Dann wurde ich von Schritten auf dem Gang aus meinen Gedanken gerissen, aber das war nicht schlimm. Ich hatte mich entschieden.

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Eine junge Frau eilte den Gang zum Zimmer von Johannes Gienow entlang. Sie klopfte an die Tür.
Dann hörte sie Schritte im Zimmer aber keiner öffnete. Die Schritte verstummten. Kurze Zeit später öffnete sie die Tür mit einem Generalschlüssel. Das Zimmer war leer. Auf dem Tisch lagen zwei gefaltete Zettel. Sie las den ersten:

Ich hatte dich wirklich lieb.
Johannes

Auf dem anderen stand:

Ich habe dich wirklich geliebt.
Leb wohl, Tim.

Die Frau sah das Fenster. Das Gitter fehlte. Sie ging dorthin und sah nach unten. Dreizehn Stockwerke tiefer lagen die toten Körper zweier verliebter Jungen. Nur eben nicht ineinander.

JohannesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt