Kapitel 24

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Shayennes Sicht

"Bist du noch bei Verstand? Hast du einmal an die Folgen gedacht? Ach nein, natürlich nicht. Wie kann ich von dir auch mal verlangen nachzudenken? Du wirst schon genauso, wie deine Mutter und Wincent." "Kannst du mal Luft holen? Ich habe überhaupt keinen Plan, wovon du redest", unterbrach ich ihn. "Willst du mich veräppeln? Du bist bei Wincent. Ihr meint auch alle, ihr könnt mich verarschen. Deine Mutter, die mir weismachen will, dass du wegen Schulaufgaben in Eutin geblieben bist. Zufällig habe ich gerade im Netz hunderte Fotos von dir mit Wincent in Freiburg entdeckt." "Das wäre alles nicht passiert, wenn du dich nicht zwischen uns und dem Eutinkonzert gestellt hättest. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie sehr du mich damit verletzt hast?" "Jetzt fang nicht an zu übertreiben. Wincent scheint dir schon wieder irgendeinen Schwachsinn eingeredet zu haben. Er trällert nur ein paar Lieder, damit wird er in seinem Leben nicht weit kommen. Das solltest du mal langsam merken." "Hör auf! Wincent redet mir gar nichts ein. Der einzige, der mir irgendetwas einredet, bist du." "Jetzt mal ganz langsam, ich verbiete dir, mit mir in so einem Ton zu reden. Ich bin dein Vater und nicht dein Angestellter. Aber ich bin es selber schuld, ich habe dich viel zu lange unter dem Einfluss von deiner Mutter und Wincent gelassen. Ich hätte dich viel früher mit nach Berlin nehmen sollen, aber besser jetzt als nie." "Wie bitte?", entfuhr es mir entsetzt. "Den Gedanke hatte ich schon länger. Du veränderst dich immer mehr ins Negative. Früher warst du ganz anders." Bei seinen Worten entfuhr mir ein hysterisches Lachen. "Ich habe mich ins Positive geändert, weil du zum Glück nur noch selten Zuhause warst und ich in der Zeit gelernt habe, was eine Familie wirklich ausmacht. Mein Zuhause ist in Eutin bei Mom und Wincent. Der Einzige, welcher sich immer mehr verändert hat, bist du selbst. Mom und Wincent sind diejenigen, die immer für mich da waren. Du hast doch alle Versprechen gebrochen und deine Karriere vor die Familie gestellt." "Das nennt man Geld verdienen. Ich kann nicht erwarten, dass du so etwas verstehst." "Andere Väter bekommen auch beides unter einen Hut und Wincent ist beruflich noch mehr eingespannt und schafft es öfter nach Hause. Nur du nicht, weil du es weder versuchst noch willst." "Es reicht, Shayenne. Es ist Schluss. Du kommst zu mir nach Berlin. Ich diskutiere nicht mit dir dadrüber. Vieelleicht kommst du, dann mal wieder zu Sinnen.Wenn du mich entschuldigst, ich muss noch ein paar wichtige Telefonate erledigen und mit deiner Mutter nochmal ein ernsthaftes Gespräch führen." "Lass bitte Mom in Ruhe." "Das hättest du dir vorher überlegen sollen", erwiderte er und legte auf. Panisch starrte ich auf mein Handy, während mich Angst und Sorge überrollten. Ich hatte das Gefühl kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen und hielt mich panisch an der nächsten Wand fest. Zum Glück war ich, während des Telefonats auf die Damentoiletten verschwunden. Ich spritzte mir aus dem Wasserhahn etwas Wasser ins Gesicht, da ich ziemlich blass wirkte und ich nicht aufhören konnte, zu zittern. Panisch versuchte ich meine Atmung zu beruhigen und mein Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Nach einigen missglückten Versuchen schaffte ich es wieder einigermaßen Luft zu bekommen. Die Vorhalle war natürlich schon komplett leergefegt, da das Konzert schon in vollem Gange war. Seufzend begab ich mich Richtung Backstage. Vor dem Backstagebereich stand Security, welche mich sofort abwies. "Ich bin die Schwester von Wincent Weiss", versuchte ich es direkt mit der Wahrheit. Der Securitymann lachte. "Da habe ich schon bessere Storys gehört." "Tut mir leid, dass es die Wahrheit ist", erwiderte ich trotzig. Jetzt hatte ich den Schlamassel, da Sascha mir nichts für den Backstagebereich mitgegeben hatte. In der Hoffnung etwas in meiner Tasche zu finden, kam mir der Tourpass aus München entgegen. Ich wollte Wincent darauf schon längst angesprochen haben, hatte es jedoch immer wieder vergessen. "Funktioniert dieser?", fragte ich und hielt dem Securitymann den Pass entgegen. "Ja, klar. Der ist offiziell registriert. Damit kommen Sie rein. Sind Sie jetzt wirklich die Schwester von ihm?" Ich nickte und hängte mir meine Tasche wieder um. "Sorry, ich dachte wirklich, dass wäre ein Scherz." Ich winkte ab und öffnete die Tür zum Backstage. Der Backstagebereich war komplett leer und ich ließ mich erschöpft auf die erstbeste Couch sinken. Ich fühlte mich seltsam erschöpft und mir war total übel. Ich befühlte vorsichtig meine Stirn und stellte fest, dass sich lauter Schweißperlen auf meiner Stirn gesammelt hatten, obwohl es total kalt war. Vielleicht war es besser, wenn ich für ein paar Minuten die Augen schloss, um mich auszuruhen. Doch genau in diesem Moment, riss Sascha die Tür von außen auf. "Da bist du ja. Ich habe dich schon überall gesucht. Warum bist du einfach verschwunden?" Erschöpft ließ ich meinen Kopf in meine Hände sinken. Ich konnte das ganze Gezanke nicht mehr ertragen und hoffte, dass Sascha wieder gehen würde, wenn ich nicht auf direkte Konfrontation ging. Doch leider hatte ich Pech. "Kannst du mal etwas dazu sagen oder ist es dir egal? Das Konzert ist am Laufen und ich habe wirklich wichtigere Sachen zutun, als mich um dich zu kümmern." Als er merkte, dass ich nichts erwiderte, wendete er sich ab und ich hoffte endlich auf Ruhe. "Aber letztendlich kann es mir egal sein, ich habe vor ein paar Minuten deinen Vater erreicht. Er holt dich nach dem Konzert in Eutin ab und nimmt dich mit nach Berlin. Es ist ja auch wirklich nicht zu fassen, dass eure Mutter sich aus dem Staub gemacht hat und Urlaub auf den Malediven macht." Verwirrt schaute ich Sascha an. Ich verstand überhaupt nichts von dem Schwachsinn, welchen er erzählte. Meine Mutter war doch bei meinem Vater in Berlin. Vor Schock war ich von der Couch aufgesprungen und merkte jetzt, dass dies eine schlechte Idee war. Denn alles fing sich an zu drehen und ich griff haltsuchend nach der Sofalehne. "Kannst du bitte aufhören, dich in mein Zeug einzumischen? Du hast von überhaupt nichts eine Ahnung", sagte ich und versuchte gegen die schwarzen Punkte vor meinen Augen anzukämpfen. "Was hast du denn gedacht, ich habe doch gesagt, dass ich deine Eltern anrufen werde? Jetzt schau doch nicht so erschrocken. Dein Vater hat gesagt, du wüsstest schon Bescheid und freust dich mit ihm auf Berlin", redete Sascha unbeirrt weiter. Erschöpft schaute ich Sascha an, ich merkte das ich gegen meine Panikattacke nicht mehr ankam und die schwarzen Punkte immer mehr wurden. Ich hatte das Gefühl, um mich herum verschwamm alles und Sascha verschwand immer mehr aus meinem Blickfeld, bis alles komplett schwarz war.

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