Kapitel 25

776 33 10
                                    

Saschas Sicht

Plötzlich klappte Shayenne einfach weg und ich hörte den dumpfen Aufprall, bis zum anderen Ende des Raums. So schnell, wie sie umgekippt war, konnte ich gar nicht reagieren. Ich rief panisch ihren Namen und rüttelte leicht an ihrer Schulter, doch sie regte sich nicht. In meinem Kopf wirbelten hunderte Gedanken durch die Gegend und ich machte mir riesen Vorwürfe. Ich beschloss sie auf die Couch zu legen und hob sie vorsichtig hoch. Zum Glück war sie ein Fliegengewicht. Als ich meine Hand unter ihren Kopf schob, spürte ich, wie etwas Nasses meine Haut streifte. Stirnrunzelnd zog ich meine Hand wieder vor, welche jetzt blutig war. Ein kleiner roter Rinnsal tropfte von meinen Fingern auf die Fliesen und mir wurde schmerzhaft klar, dass sie sich beim Sturz ernsthaft verletzt hatte. Ich fluchte innerlich und legte sie auf die Couch. Zum Glück schien sie ansonsten keine sichtbaren äußeren Verletzungen zu haben, jedoch machte ich mir um die Inneren viel mehr Sorgen. Ich zog mein Handy aus der Jackentasche und wählte Amelies Nummer. Jedoch klingelte und klingelte es, bis ihr Anrufbeantworter ansprang. Panisch legte ich auf, wahrscheinlich hörte sie aufgrund der Lautstärke ihr Handy nicht. Natürlich konnte ich selbst in die Vorhalle gehen und Erste Hilfe holen, aber ich wollte Shayenne auf gar keinen Fall alleine lassen, auch wenn es nur für ein paar Minuten war. Auf dem Boden lag von irgendjemandem der Pulli, welchen ich zusammenknüllte und vorsichtig auf die Kopfwunde drückte. In der Hoffnung, die Blutung so etwas zu stillen. "Es tut mir so leid", flüsterte ich und strich ihr eine Haarsträhne, welche mit Blut verklebt war, aus dem Gesicht. Ihr Gesicht war ganz blass und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Mein Handy fing in meiner Hand, zu klingeln an und ich ging direkt dran. "Du hast angerufen", ertönte Amelies Stimme. "Du musst sofort ins Backstage kommen. Shayenne ist umgekippt." "Bin auf dem Weg", erklang Amelies Stimme. Ein paar Sekunden später erschien sie schon mit dem Handy im Türrahmen. "Was ist passiert?" "Du musst sofort in die Vorhalle und Erste Hilfe holen. Sie blutet am Kopf." "Bin schon unterwegs", erwiderte Amelie besorgt und verschwand Richtung Vorhalle. Ich schob in der Zwischenzeit ein paar offene Koffer und Klamotten zur Seite, als Shayenne einen Schmerzenslaut von sich gab. Ihre Augenlider flackerten leicht und ich beugte mich über sie. "Hast du Schmerzen?", fragte ich sie. Ich sah, wie ihr Blick suchend durch den Raum irrte, bis sie mich wahrnahm. Sie wollte sich aufsetzen und griff nach der Sofalehne, um sich aufzusetzen. "Du hast eine Wunde am Kopf. Du musst liegen bleiben", redete ich auf sie ein und drückte sie behutsam wieder runter aufs Sofa. "Ich habe solche Kopfschmerzen", flüsterte sie. "Amelie ist schon Erste Hilfe holen. Sie müsste jeden Moment wieder da sein. Dann schaut jemand nach dir." Sie nickte. "Danke." Ich schüttelte den Kopf und wendete mich ab. "Ich bin wirklich der Allerletzte, bei dem du dich bedanken solltest. Das weißt du." In dem Moment öffnete sich die Tür und Amelie erschien mit zwei Sanitätern. Ich räumte sofort meinen Platz und erklärte den Sanitätern in Kurzfassung nochmal das Geschehen. Ich hörte, wie Shayenne ihre Schmerzen schilderte und stellte mich zu Amelie, welche genauso besorgt aussah. "Weiß Wincent schon Bescheid?", flüsterte sie. "Nein, ich hatte noch keine Zeit. Er müsste sowieso noch fünfzehn Minuten auf der Bühne stehen. Ihn jetzt dort runterzuholen, wäre ein Fehler." "Ich weiß. Ich mache mir nur unheimliche Sorgen. Was ist überhaupt passiert?" "Später, ich denke im Moment ist der falsche Zeitpunkt." Im Hintergrund räusperte sich ein Sanitäter und wir drehten uns beide um. "Wir haben die Platzwunde desinfiziert und mit einer Kompresse versehen. Sie ist nicht sehr tief, aber aufgrund der Übelkeit und der Kopfschmerzen würde ich Ihnen dringend raten einen Arzt aufzusuchen. Wer immer es war und mit dem Pullover die Blutung gestoppt hat, hat gute Arbeit geleistet." Ich merkte Amelies anerkennenden Blick, welchen ich ignorierte. Ich war wirklich nicht der Held in dieser Situation, sondern eher der Täter. "Der Blutdruck ist sehr niedrig. Ich vermute, durch den aktuellen Zusammenbruch und durch Stress. Eine Kurzschlussreaktion des Körpers. Die Rippen machen mir jedoch auch noch Sorgen, es könnte sich um eine Prellung oder einen Bruch handeln. Dies muss nochmal mit einem Röntgengerät abgeklärt werden. Was innere Verletzungen angeht, kann ich so nichts sagen. Von den Symptomen würde ich eher nein sagen. Aber dies sollte Sie alles nochmal im Krankenhaus abklären lassen. Vor allem, ob nicht doch eine Gehirnerschütterung vorliegt. Ich lasse Ihnen schon mal Schmerztabletten für die Kopfschmerzen da. Eine Tablette mit viel Wasser kann Sie dreimal täglich nehmen." "Okay, vielen Dank", hörte ich Amelie sagen. "Das werde ich sofort alles weitergeben." "Gut, dann sind wir hier fertig. Gute Besserung." "Dankeschön", flüsterte Shayenne und die beiden verschwanden wieder Richtung Vorhalle. Amelie schnappte sich eine Wasserflasche vom Tisch und setzte sich zu Shayenne auf die Sofakante. Während in meinem Kopf die Diagnosen der Sanitäter herumwirbelten. Wenn sie wirklich ernsthaft verletzt war, würde Wincent mich eigenhändig umbringen. "Ich bin kurz an der frischen Luft", brachte ich raus, um der ganzen Situation zu entfliehen. "Alles okay?", hörte ich Amelie nachfragen. "Ja, nur die Aufregung", antwortete ich ausweichend. Jedoch konnte ich Shayennes Blick ansehen, dass sie mir kein Wort glaubte. Was in mir drin, nur noch mehr Schuldgefühle hervorbrachte und ich förmlich aus dem Raum flüchtete.

TourüberraschungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt