Kapitel 19

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Wincents Sicht

In der Fußgängerzone wurde ich mehrmals für ein Foto oder ein Autogramm angequatscht, so dass wir für die paar Meter über zehn Minuten brauchten. "Geschafft", stieß ich aus, als wir endlich am Adidasgeschäft ankamen. "Gib mir die Taschen", hörte ich Shayenne sagen. "Dann kannst du schauen." Ich nickte und reichte ihr die H&M Taschen. "Ich schau auch mal", meinte sie und verschwand zwischen den ersten Regalen. Verwirrt schaute ich ihr hinterher, verstehen musste ich sie nicht immer. Jedoch konnte ich so in Ruhe schauen und wir waren hier bestimmt schneller raus, als vorhin im H&M Geschäft. Im ersten Gang fand ich sofort einen schwarzen Adidas Hoodie mit der passenden Jogginghose. Anprobieren musste ich sowieso nichts, da ich meine Größe bei Adidas kannte. Ein paar Minuten später hatte ich meine Sachen noch um zwei weiße T-shirts ergänzt, da ich vermutlich bei einem der letzten Gigs, welche im Backstagebereich liegen gelassen hatte. Ich ließ meinen Blick durch den Laden schweifen, da ich zur Kasse wollte und Shayenne nicht mehr aufgetaucht war. Daher beschloss ich alle Gänge abzugehen, jedoch vermutete ich sie sowieso auf irgendeiner Sitzmöglichkeit, wo sie wahrscheinlich wartete. Ich war mittlerweile am letzten Gang angekommen aber von Shayenne war nichts zu sehen. Langsam begann ich mir Sorgen zu machen. Die einzige Möglichkeit waren noch die Umkleiden. Jedoch konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, was sie dort machen sollte. Trotzdem beschloss ich mein Glück zu versuchen. Von fünf Umkleiden waren zwei besetzt und auf der Bank vor den Umkleiden saß ein junger Mann, der sich mit jemandem in der ersten Kabine unterhielt. Daher konnte meine Schwester nur noch in der vierten Kabine sein. "Shayenne, bist du zufällig hier?", rief ich. "Na, endlich", ertönte zu meiner Überraschung ihre Stimme und zog den Vorhang zur Seite. "Was machst du hier, ich wollte bezahlen?" "Ich habe etwas anprobiert. Was soll man sonst in einer Umkleide machen?", meinte sie und hielt einen blauen Adidas Hoodie und eine pinke Jogginghose hoch. "Seit wann ziehst du Adidas an?" "Seit ich weiß, dass es nicht nur schwarz und weiß bei Adidas gibt. Ich habe dir übrigens etwas mitgenommen", erwiderte sie und drückte mir zwei undefinierbare Sachen in die Hand. "Das müsste deine Größe sein und ist nicht schwarz oder weiß." "Das sehe ich", sagte ich eingeschnappt. "Auffälliger geht es nicht." "Dafür habe ich schwarze und weiße Klamotten bei H&M gekauft. Du kannst hier in die Kabine. Ich bin fertig." "Ich probiere es mal an", gab ich mich geschlagen. Das undefinierbare Teil stellte sich als oranger Adidas Hoodie raus. Mit der Farbe würde ich überall auffallen, wie ein Warnsignal. "Und passt es?", hörte ich Shayenne von draußen fragen. "Äh, warte. Ich bin noch nicht soweit." Vielleicht würde sie Ruhe geben, wenn sie sehen würde, wie grässlich ich in dem Hoodie aussehen würde. Schnell zog ich meinen Pullover aus und zog mir den Hoodie über. Ich warf gar nicht erst einen Blick in den Spiegel, sondern schob den Vorhang direkt zur Seite. "Und?", fragte ich Shayenne, welche ungeduldig auf der Sitzbank saß. "Orange steht dir richtig gut. Die Farbe passt zu deiner gebräunten Haut. Der ist gekauft." "Was? Der steht mir doch überhaupt nicht. Du leidest echt an einer Geschmacksverirrung. Ich sehe aus, als hätte ich eine Warnweste an." "Das stimmt gar nicht", meinte sie und verzog beleidigt ihr Gesicht. "Die Farbe wird nächstes Jahr bestimmt die Trendfarbe und dann bist du der erste, der den Trend trägt." "Ob das nächstes Jahr die Trendfarbe wird, weiß ich nicht", mischte sich der Typ daneben ein. "Aber die Farbe steht dir wirklich. Da muss ich deiner Freundin Recht geben." Meine Schwester war knallrot im Gesicht geworden und ich musste mir ein Lachen verkneifen. "Danke für den Hinweis. Dann werde ich wohl mal auf meine Freundin hören", sagte ich und betonte das Wort Freundin extra laut. "Wincent", hörte ich Shayenne zischen. "Hör auf damit." "Womit?", fragte ich unschuldig und schüttelte grinsend den Kopf. "Ich probiere noch kurz das andere Teil an", sagte ich und verschwand hinterm Vorhang. Das nächste Teil war ein dunkelrotes T-shirt. "Ich bin auch mit meiner Freundin hier", hörte ich den Mann Shayenne anquatschen. "Sei froh, dass Männer nicht solange brauchen, ihr Frauen braucht ewig." "Äh, ja", hörte ich Shayenne peinlich berührt sagen und ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht laut loszulachen. Schnell schnappte ich mir das rote T-shirt und zog es mir über. Die Adidas T-shirts standen mir. Ich trug sie ständig auf der Bühne, aber die Farbe musste wirklich nicht sein. Trotzdem beschloss ich es mitzunehmen, um Shayenne einen Gefallen zu tun. "Ich bin fertig." "Zum Glück", hörte ich Shayenne erleichtert sagen und stand auf. In dem Moment kam eine Frau aus der ersten Kabine. "Schatz, ich bin fertig." "Oh, super. Da sieht man mal, wie lange Frauen brauchen und, wie schnell Männer sind", meinte er grinsend zu uns. "Mit wem unterhälst du dich überhaupt die ganze Zeit?", fragte sie. "Mit diesem hübschen Pärchen hier." Die junge Frau drehte sich zu uns um und schaute uns mit großen Augen an. "Oh Gott", stieß sie aus. "Was ist los?", hörte ich ihren Freund besorgt fragen. Doch ich merkte schon, dass sie mich erkannt hatte und wusste, wer vor ihr steht. "Das ist der Sänger Wincent Weiss", sagte sie zu ihrem Freund. "Echt? Oh, sorry ich habe dich gar nicht erkannt." "Kein Problem", lachte ich. "Ich bin froh, wenn es noch Menschen gibt, die mich nicht sofort auf Anhieb erkennen." "Können wir drei ein Foto machen?" fragte sie und zeigte auf ihr Handy. "Und wer soll, dann das Foto machen?", fragte ihr Freund. "Das kann meine Schwester machen", sagte ich und zeigte auf Shayenne, welche nickte. "Was, das ist deine Schwester?", entfuhr es dem jungen Mann. "Ich dachte das ist..." "Leon, du bist so peinlich", erwiderte seine Freundin peinlich berührt. "Kein Problem", beruhigte ich sie. "Das passiert nicht zum ersten Mal, dass liegt wahrscheinlich daran, dass wir fast die gleiche Größe haben." "Es tut mir trotzdem extrem leid", entschuldigte er sich nochmal bei meiner Schwester. "Schon gut", antwortete sie. "Soll ich das Foto machen?" "Ja, gerne. Ich bin übrigens Paulina", sagte sie und drückte Shayenne ihr Handy in die Hand. "Okay, dann rückt man alle zusammen und lächelt", gab Shayenne das Kommando und drückte auf den Auflöser.

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