Der Morgen danach

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Hallo und herzlich willkommen zur Fortsetzung von "Der Customizer"!

Sollte dir beim Lesen ein Fehler begegnen, freue ich mich über einen kleinen Hinweis. - Aber jetzt lehne dich erst einmal zurück und mach es dir gemütlich ...

Deine Lysi

***


Staubpartikel tanzten auf der schmalen Bühne, die ihnen das Dachfenster zu Marinettes Terrasse gab. Tageslicht küsste sie ins Gesicht. Marinette legte die Unterarme über ihre Augen. Sie wollte noch einen winzigen Moment lang vor sich hindösen.
„Marinette? Marinette!", die Stimme ihrer Mutter drang zu ihr herauf.
Sie zog den Kopf unter die Decke. Die Bodenluke schwang mit einem Quietschen auf.
„Marinette, aufstehen! Es ist zehn Uhr. Du verpasst ... - Hast du dich gestern gar nicht mehr umgezogen?"
Sabine Cheng beäugte das Hosenbein, das unter der Decke hervorlugte. Ihre Schuhe lagen kreuz und quer vor dem Bett.
„Ich bin so müde ..."
„Komm trotzdem bitte runter zu uns. Papa hat sich extra frei genommen."
Damit verschwand der Kopf ihrer Mutter wieder unter der Luke. Marinette ächzte und wühlte sich aus dem Bett. Tikki flog ihr entgegen und begrüßte sie.
„Das riecht geradezu nach Verschwörung, findest du nicht?", Marinette zog sich die Zöpfe lang.
Tikki zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht wollen deine Eltern - nach all dem - einfach nur Zeit mit dir verbringen."
„Ich bin mir recht sicher, dass sie die Zeitung bereits gelesen haben."
Marinette schlurfte mit hängenden Schultern ins Bad und fuhr sich mit dem Kamm durchs Haar. Ein paar Zuckerperlen klickerten in den Abfluss. Beim Zähneputzen ging sie gründlicher vor als sonst.
„Mir gefällt es auch nicht, dass Cat Noir und du in der Presse auftauchen. Wir werden vorsichtig sein müssen. Außerdem, ...", Tikki kicherte, „... sieh es einfach als Übung. Wenn du heute Nachmittag Alya triffst, wird sie ganz andere Fragen haben."
Marinette gab einen gutturalen Laut von sich, den man als Zustimmung werten konnte.
Zehn Minuten später traf sie beim Frühstückstisch ein und blickte auf ihr Abbild, dass in den Armen Cat Noirs lag. Die Zeitungswand raschelte und wurde beiseite gelegt.
„Morgen."
Ihre Eltern saßen freundlich lächelnd zu ihrer rechten und linken. Sie fühlte sich wie vor einem Kreuzverhör.
„Wie war die Nacht? Hast du gut geschlafen?", eröffnete ihr Vater, Tom Dupain, das Gespräch.
„Gut. Gut", Marinette verhalf sich zu einem Croissant und biss beherzt hinein, um Zeit zu schinden.
„Schätze, ich war länger akumatisiert, als ich mir bewusst war", Tom zwinkerte und blickte vielsagend auf das Titelbild der Zeitung.
„Oh, es ist nicht so, wie es aussieht", beeilte sich Marinette zu sagen und spürte, wie sich die Hitze in ihren Wangen ausbreitete.
„Wonach sieht es denn aus?", die Mundwinkel von Sabine zuckten belustigt.
„Maman!", sie bemühte sich um einen ruhigen Tonfall, „Da ist nichts... Cat Noir war da und hat mich gerettet, mehr nicht."
„Dreimal, wenn man Alya Glauben schenken darf", ihre Mutter schenkte ihr einen langen, liebevollen Blick, bevor sie kurz ihre Hand drückte. „Schon okay, Marinette. Dein Vater war ähnlich. Es hat ewig gedauert, bis er mich angesprochen hat."
Sie blickte ihrem Mann amüsiert in die Augen.
„Also, so würde ich das jetzt nicht sagen ...", setzte Tom zu seiner Verteidigung an.
„Warte, Alya?", Marinette blickte von Sabine zu Tom und wieder zurück, „Ihr lest ihren Blog?"
„Blog?", Tom rieb sich die Koteletten, „Nein, sie hat vor etwa einer Stunde angerufen und nach dir gefragt."
Er schaute sie nachdenklich an. „Ich will ja nicht neugierig sein, aber ...", er zupfte sich den Schnurrbart, während er seine Tochter musterte. „Dreimal gerettet werden, das klingt wirklich nicht nach Zufall."
„Ich ... wir ...", sie sah, wie ihre Mutter ihr aufmunternd zunickte, „Wir sind Freunde. Cat Noir war schon öfters hier", Marinette kratzte sich im Nacken und kippelte auf ihrem Stuhl.
„Oh", die Stimme ihres Vaters klang, als ob er den Wahrheitsgehalt ihres Satzes erst prüfen musste. „Tja, dann richte ihm doch aus, dass wir ihn zum Essen einladen. Nach all den Strapazen ist es wohl das Mindeste, was ich für ihn tun kann. Gibt es etwas auf das wir achten müssen? - Keine Backwaren, versprochen. Wie ist es mit Fisch? - Wie wäre es mit kommenden Freitag, um 19 Uhr?"
Sie verlor das Gleichgewicht und fiel beinahe vom Stuhl.
„Was?! Cat Noir zum Essen? Hier?!"
„Hat er so schlechte Tischmanieren, oder warum schaust du so entsetzt?", neckte ihre Mutter sie. „Alya isst doch auch öfters bei uns mit. Sie könnte auch kommen, wenn du dich dann wohler fühlst", ihre Mutter lächelte sie gewinnend an, „Wir würden deine Freunde gerne näher kennenlernen."
„Oookay? Ich ... frage ihn. Also, wenn ich ihn das nächste Mal sehe."
„Ruf ihn doch an", ermunterte ihre Mutter sie.
„Anrufen. Ja, das könnte ich tun", antwortete Marinette gedehnt.
Das könnte ein Problem werden. Alya würde sie auf gar keinen Fall fragen. Da wäre es angenehmer, sich von der Stasi verhören zu lassen. Am besten, sie erfand irgendeine Ausrede, weshalb Cat Noir leider nicht kommen konnte.
Ihre Eltern tauschten vielsagende Blicke über den Tisch hinweg. Dem Funkeln darin nach zu schließen, amüsierten sie sich prächtig.
Die kleine Furche zwischen den Augenbrauen ihres Vaters hatte sich gelöst. Er wirkte entspannter.
Sie streckte die Hände nach der Zeitung aus. Ein Blick konnte nicht schaden. - Dann konnte sie sich zumindest etwas gegen Alya wappnen.

Countess of BoredomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt