Gedanken lesen.
Für die siebzehnjährige Hannah mehr Fluch als Segen.
Sie kann die Gedanken ihres Mitschülers Henry lesen, der sie wegen ihres Körpergewichts mobbt, und sich mit seinen Freunden zusammen über sie lustig macht.
Das war schon immer s...
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Grandma wartete schon vor der Tür des kleinen, mit Holz verkleideten Hauses auf mich, die Augenbrauen bemüht streng zusammengezogen.
»Du solltest schon vor einer Stunde hier sein, mein lieber Enkelsohn! Deine Eltern und ich haben uns Sorgen gemacht!«, rügte sie mich, sobald mein Fahrrad in ihre Einfahrt rollte. Die kleinen Kringel um ihre Augen verrieten mir jedoch, dass sie nicht wirklich sauer auf mich war. Wie immer trug sie eine ihrer selbstgenähten Schürzen mit Blümchenmuster, heute eine mit furchtbar gelben Sonnenblumen. In diesem Punkt erfüllte sie vollkommen das Klischee einer Großmutter. Darunter trug sie eine Latzhose und ein ebenfalls gelbes T-Shirt mit Las-Vegas-Schriftzug, das Amy ihr von unserem letzten Urlaub mitgebracht hatte.
»Hallo, Grandma«, begrüßte ich sie, während ich von meinem Fahrrad abstieg, und es gegen die Garagenwand lehnte. Ich schulterte meine Tasche und stieg die paar Verandastufen zu Grandma nach oben um sie versöhnlich auf die rechte Wange zu küssen.
Meine kleine Großmutter schlang kurz ihre Arme um mich, mehr um meinen Rücken zu tätscheln, als mich richtig zu umarmen, dann hielt sie mich von sich und sah mir direkt ins Gesicht.
»Du hast dich aber nicht wieder mit irgendwem geprügelt, Henry?« Fast spürte ich, wie ihr Blick über jeden einzelnen Teil meines Gesichtes glitt.
Mit einem Lachen schüttelte ich den Kopf. Das war Jahre her, und trotzdem hatte Grandma jedes Mal, wenn ich auch nur zehn Minuten zu spät dran war, die Vermutung, dass ich mich mit irgendwem angelegt hatte.
»Das letzte Mal ist das vor zwei Jahren passiert, Grandma, keine Sorge«, versicherte ich ihr und sah dann ins Innere des kleinen, schnuckeligen Heim meiner Großeltern. »Ich nehme mal an, die anderen sind hinten im Garten? Was gibt es denn heute?«
Ohne auf ihre Antwort abzuwarten machte ich mich auf den Weg durch das Haus hinaus in den Garten. Grandma folgte mir, während sie ausführte, welches Rezept sie dieses Mal von Pinterest ausprobiert hatte, und dass es bis jetzt allen vorzüglich geschmeckt hatte – wie alles, was sie in ihrer Küche zauberte. Das war – abgesehen von ihrer Liebe zu Latzhosen unter den Blümchenschürzen – ein Aspekt meiner Großmutter, der sie von anderen Großmüttern unterschied. Sie sah gar nicht ein, nicht auf dem neusten Stand der Technik zu sein, und besaß so nicht nur ein Smartphone, dass sie vollkommen ohne meine Hilfe bedienen konnte, sondern auch Profile auf Plattformen wie Pinterest, Twitter und Facebook. Neulich hatte sie mich sogar gebeten, ihr auf Instagram zu folgen, wo sie immer wieder Bilder ihrer Backkreationen postete.
Im Garten saßen schon alle versammelt am Tisch, und sahen Grandma und mir entgegen.
»Ich sterbe, Henry, endlich bist du da! Mom hat mir verboten noch ein Stück zu essen, bis du kommst.« Amy sah mich vorwurfsvoll an, und zeigte mit ihrer Gabel auf die Hälfte einer Himbeer-Sahne-Crêpe-Torte, die auf der anderen Seite des Tisches auf Höhe von Dad stand.