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„Mom!“, stöhnte ich genervt auf. „Mom , wo bleibt die Taschenlampe? Ich möchte noch einmal Scarlett besuchen!“

Allmählich verlor ich die Geduld. „Möglichst bevor die Sonne untergeht!“, murrte ich ungeduldig.

Ich hörte ein leises Poltern und kurz darauf tauchte meiner Mutter mit der, über Leben und Tod entscheidenden, Taschenlampe auf.

„Danke“, lächelte ich und nahm sie entgegen.„Serena“ Ich wandte mich um „Was ist denn?“ „Sei bitte vorsichtig und vor allem pünktlich daheim!“

Ich nickte eifrig ,umarmte sie und warf mir meine Tasche über. "Ich werde vor Sonnenuntergang Zuhause sein ", schwor ich und zuckte kurz zusammen , als die jahrhundertalte Tür ins Schloss krachte.

Dann machte ich mich auf den Weg. Vor mir tauchte nach und nach der Wald mit seinen teilweise schon recht kahlen Bäumen auf und ich zitterte leicht ,als ein eiskalter Windhauch vorbeifegte.

Eigentlich sahen die Bäume zu dieser Jahreszeit mit ihren bunten Blättern wunderschön aus, doch das ,was sich im Wald verbarg und nur darauf wartete ,dass es dunkel wurde, rief in mir Angst hervor und jedes Mal, wenn ich den Weg durch den Wald nahm, bildete ich mir ein in jedem Schatten eines der grausamen Monster zu sehen.

Technologie hatte ihren Preis. Die Regierung kam mir unendlich dumm vor. Letztendlich war es ihre Schuld.

Es schien , als wollte die Regierung mit aller Macht die Kontrolle über die wenigen , noch „sicheren“ Dinge behalten. Einmal im Jahr, im Juli, war eine große Volkversammlung, die in der Hauptstadt stattfand, bei der die Anfangsbuchstaben für die nächste Generation ausgelost wurden.

So war ich 2047 geboren, dem S-Jahr, was zur Folge hatte ,dass ich Serena heiße. Mein bester Freund Keith war 2045 im K-Jahr geboren und meine kleine Schwester Amber zwei Jahre später als ich , 2049.

Seit dem Jahr 2050 hatte sich vieles geändert. Bauern mussten mehr als die Hälfte ihrer Erträge zum „Wohle der Allgemeinheit“ abgeben, und Familien mit mehr als einem Kind extra Geld zahlen, damit die Regierung deren „Sicherheit“ gewährleisten konnte.

Natürlich hatten wir bisher davon nichts gespürt. Unser Dorf war klein und unbedeutend. Dörfer, die ein wenig reicher waren , hatten das nötige Geld einen Schutz zu errichten, der wirksam war, doch unser Dorf hatte lediglich einen Graben ,der nachts mit Baumstämmen angezündet wurde.

Wir wussten nicht , ob es tatsächlich die Monster fernhielt, doch da noch nie eines dem Dorf zu nahe gekommen war , vermuteten wir es.

Große Städte waren bombensicher, doch hier in der Einöde ? Da war es nur eine Frage der Zeit ,wann man draufging. Das heißt ,wenn man keine UV-Strahlen  produzierende, Taschenlampe besaß. Doch oft garantierten nicht einmal diese das Überleben bei Angriffen.

Ich starrte nachdenklich auf den Waldboden und seufzte. Unser Vater hatte nicht so viel Glück gehabt. Diese Monster waren unbarmherzig, schnell, stark und absolut tödlich. Wie sie aussahen ,war kaum bekannt, da nur sehr selten jemand Angriffe überlebte.

In diesem Monat war glücklicherweise noch niemand verschwunden, was einerseits daran lag, dass die Tage noch länger waren und so man genug Zeit hatte alles zu erledigen ,was man denn zu erledigen hatte, aber andererseits an der Sonne, die sie zwang in ihren Verstecken auszuharren.

Natürlich gab es auch Positives, wie neue Technologien, mit denen Krebs und Pest vollkommen ausgerottet wurden, aber eben auch die Wissenschaft schafft Monster und zwar keine von der harmlosen Sorte.

Nein, die ,die sie geschaffen hat, sind erbarmungslose Killer, die das Leben aus dir herausquetschen und du selbst es gar nicht spürst.

Ich hatte den Wald fast durchquert, als  ich ein Knacken hörte und der Wind auf einmal wütete. In diesem Moment vergas ich alles um mich herum. Ich rannte los. Zehntausend Gedanken rauschten durch meinen Kopf, aber nur einer überwiegte: Angst.

Mittlerweile flogen die Bäume nur so an mir vorbei, doch ich wagte es nicht anzuhalten ,geschweige denn mich umzudrehen. Zu groß war die Angst.

Ja ich hatte Angst. Aber nicht vor diesen Dingern- vielleicht ein kleines Bisschen- mehr aber davor, was wäre, wenn ich weg wäre. Meine Familie würde hungern müssen.

Ich wurde erst wieder aus meinen Gedanken geholt, als ich Bekanntschaft mit dem kalten Waldboden machte. Dann spürte ich ein kleines Stechen in meinem Fuß, doch ich stand gleich wieder auf.

Ich wollte hier raus aus diesem Wald. Trotz des leichten Schmerzes in meinem Fuß beschleunigte ich so schnell, dass ich erst wieder langsamer wurde, als ich den Waldrand erreichte und dort meine Beine versagten.

Kraftlos fiel ich auf das nasse Gras und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Ich presste die Lippen zusammen und zwang mich ruhiger zu atmen, um das Seitenstechen loszuwerden.

Vielleicht, ja sogar war es wahrscheinlicher, dass das Geräusch von vorhin von einem Tier verursacht worden war, als von einem Woodler, jedoch kann man sich in unserer Zeit keine Zweifel leisten ,wenn es ums nackte Überleben geht.

„Was sitzt du hier auf dem Boden herum?“, schimpfte Scarlett, als sie mich mit schlammbespritzten Stiefeln und meiner mit Gras befleckten Hose auf der Wiese um Atem ringen sah. Doch dann begann sie zu grinsen.

“Hattest du mal wieder einen Paranoia-Anfall, liebe Serena?“, fragte sie und strich sich eine Haarsträhne ihrer wundervoll glatten, mandelblonden Haarpracht hinters Ohr und ihre grünen Augen blitzten besorgt auf.

Ich nickte kraftlos und ließ mir von ihr aufhelfen. „ Weißt du ,wenn du geritten wärst, sähest du jetzt nicht so aus, als wärst du von einer Horde Woodler Verfolgt worden“, lachte meine beste Freundin schelmisch. Sie meinte es natürlich nicht ernst.

Aber sie zog mich gerne wegen solcher Dinge auf. „Du weißt doch,dass Jenks seine Pferde für einen Strahler verkauft hat.In solchen Zeiten denkt man eben eher an sich“, seufzte ich und folgte ihren schnellen Schritten.

Woodler [On Hold]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt