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Mein Körper fühlte sich regelrecht zertrümmert an, innerlich sowie äußerlich. Ich wurde von einem Bauern am Waldrand mit gebrochenem Bein, einem tiefen Schnitt im Arm sowie Blut- beziehungsweise matschverschmiert. Alle sagten, ich hätte großes Glück gehabt. Ich hatte ihnen nicht widersprochen. Ich erzählte ihnen nur das, was meiner Meinung wichtig war.

Dass Keith tot war, ich die Lampe im Wald verloren hatte und schließlich aus dem Wald entkommen konnte. Über den Jungen mit den bunten Augen schwieg ich.

Die Mutter meines besten Freundes war am Boden zerstört. Gleich am nächsten Tag waren ein paar Mutige in den Wald aufgebrochen, um Keiths Leiche zu suchen- jedoch ohne Erfolg.

Es war ja schon so schlimm genug, dass er tot war, aber jetzt konnte er nicht mal mehr richtig beerdigt werden. Ich wusste es war meine Schuld. Hätte ich doch nur nicht diese verdammte Paranoia!

„Dein Herz gehört mir!“ , rauschte die Stimme zischend durch meinen Kopf. Zum tausendsten Mal überlegte ich, wie das gemeint war. War es eine Drohung? War das nur der Anfang?

Würde er mich töten und mein Herz essen, oder wie? Ich gab auf. Dieser Junge verwirrte mich. Sein Verhalten, seine Stimme, seine Augen. Warum hatte er mich gerettet ? Warum nicht getötet? Warum hat er nicht Keith gerettet? Warum wollte er nicht, dass ich um Keith weine?

Fragen über Fragen stürmten in meinen Kopf. Ich wollte nachdenken, doch jetzt war ich nur noch verwirrt. Erschöpft schloss ich die Augen und fragte mich, wieso ich gerettet wurde und Keith sterben musste. Das war doch nicht fair! Ich hätte dort am Boden liegen sollen, dem Tode geweiht!

Es hätte mein Herz sein sollen, das neben mir im Blätterwald lag. Niemand beschuldigte mich, an seinem Tod Schuld zu sein und doch war es so.

In den Wochen nach dieser tragischen Nacht, kümmerte sich meine kleine Schwester Amber rührend um mich und im Gegenzug erzählte ich ihr ein paar Schauergeschichten, die ich hier und da aufgeschnappt hatte. Von Woodlern gab es keine Märchen .

Im nächsten Moment liefen mir auch schon wieder Tränen in Sturzbächen über Gesicht. So war das momentan ständig.  

„Nicht weinen!“, flüsterte Amber bestürzt und umarmte mich. Sie war wirklich eine gute Schwester. „Ich bin schuld, verstehst du nicht?“ , stieß ich mit tränenerstickter Stimme hervor. Sie schüttelte den Kopf. „Vielleicht war es so vorherbestimmt“

Damit sprach sie etwas aus, das ich mich auch schon gefragt hatte. Aber warum sollte ein solcher Tod vorherbestimmt ein? Was für einen Sinn sollte das haben ? Was für einen Sinn hat ein Tod? Meistens ist doch etwas vorherbestimmt, damit danach etwas Gutes passieren kann, aber was sollte Gutes Keiths schrecklicher Tod haben?

Unbeholfen und von Schluchzern geschüttelt stand ich auf, griff die Krücken, humpelte zu meinem Kleiderschrank und warf mir einen warmen Poncho über.

„Was hast du vor, Serena?“ , fragte mich Amber mit großen Augen. „Ich will einfach frische Luft. Drei Wochen Bettruhe sind zu viel für mich“, murrte ich und drückte mich an ihrer zierlichen Gestalt vorbei. Leise stakste ich die Treppe hinunter und öffnete die Tür.

Schon jetzt stach mir die Waldsilhouette ins Auge. Ich atmete tief ein und griff das Messer, da auf dem Fensterbrett neben der Tür lag. Sie würden bezahlen. Sie würden leiden, so wie ich jeden Tag litt. Die kalte Wut, die mich durchströmte gab mir Kraft. Da ich eine leichte Schiene aus Kunststoff trug, brauchte ich die Krücken kaum. Ich konnte fast normal laufen. Ja, der Fortschritt hatte auch gute Seiten.

Am Waldrand angekommen, blickte ich noch einmal zurück. Der Himmel hatte sich dunkelrot verfärbt und die Sonnenstrahlen gaben dem Dorf etwas malerisches. -Pah! Malerisch! Ich lachte bitter auf.

Keith war gestorben, das Dorf war kaum geschützt und hatte gerade genug Geld für das nötigste. Es grenzte an ein Wunder, dass wir alle nicht längst verhungert waren! Ja, so sehr kümmerte die Regierung sich um die Bevölkerung.

Noch einmal holte ich tief Luft und meine Finger schlossen sich fester um den Griff des Messers, während ich weiter in den Wald humpelte. Die Krücken hatte ich fallen gelassen. Schmerzen waren durch die Schiene und spezielle „Wundertabletten“ unterdrückt, wenn nicht sogar abgestellt.

Als ich mich umsah, setzten die Erinnerungen wieder ein und ich sackte auf den Boden. Das Feuer in meinem Körper wurde aufs neue entfacht und kündigte sich durch ein heftiges Brennen an. Die Schuld stach wie ein Pfeil.

„Wieso?“ ,fragte ich leise. „Warum musstest du sterben? Warum muss ich leben, wo ich doch an allem Schuld bin ?“ , schluchzte ich, während meine Sicht immer mehr verschwamm.

„Keith ,es tut mir so leid. Ich bin schuld. Wenn ich nicht die Lampe verloren hätte, wäre alles gut. Aber du bist tot und ich immer noch hier. Ich fühle mich so alleine. Wer muntert mich jetzt auf, wenn ich traurig oder schlechtgelaunt bin ?“

Ich wusste es war albern, so zu tun, als wäre er hier und ich könnte ihm das alles erzählen, aber es half ein wenig. Meine Wut war Verzweiflung gewichen. Ich war Schuld, nicht die Woodler, die auf ihre Instinkte vertrauten. Wäre ich nicht, wäre Keith am Leben. Glücklich.

Ich starrte das Messer in meiner Hand an. Bewundernd betrachtete ich den kunstvoll gearbeiteten Griff , der mit keltischen Ornamenten verziert war. Diese Zeichen bedeuteten Schutz, sowie Mut und Kampfgeist.

Ich hatte Keith deswegen immer aufgezogen, als er es für mich geschnitzt hatte und gemeint hatte, es würde mich beschützen. Jetzt ist es das einzige, was mir von ihm blieb.

Langsam hob ich meine Hand, den Griff so fest umklammert, dass meine Knöcheln weiß leuchteten und fuhr mit einer leichten Bewegung über meinen Unterarm. Die Klinge des Messers war erstaunlich scharf. Zuerst spürte ich nichts, doch dann setzte ein Brennen ein, das dem Feuer glich, das in mir wütete.

Es tat weh, aber gleichzeitig war der Schmerz auch befreiend. Für kurze Zeit vergaß ich meine Probleme und die erdrückende Schuld verschwand von meinen Schultern.

„Was tust du da?“ , hörte ich eine Stimme erschrocken fragen und wirbelte herum, ehe ich die Augen aufriss und zu einer Salzsäule erstarrte.

Hey:)

Hoffe ihr mögt es!!!

:)

LG Vanessa :)

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 30, 2014 ⏰

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