Tatsächlich wachte ich heute mal rechtzeitig zum Frühstück auf, hatte jedoch keine Lust darauf, schon wieder von allen Seiten angestarrt zu werden. Allerdings wurde mir bewusst, dass ich ab Mittwoch Unterricht hatte und es mir dann sowieso egal sein konnte, da ich dann wohl oder übel zu den regulären Zeiten zu essen hatte - es sei denn ich würde tägliches Müsli oder verhungern in Betracht ziehen?
Es war außerdem seltsam, mit den Lehrern an einem Esstisch zu sitzen, aber ich kannte nun mal niemanden außer den paar Jungs aus meiner "Klasse", die mir diese wunderschöne Aufnahmeprüfung gegeben hatten, bei der ich wohl alle meine bisher gesammelten Karmapunkte endgültig verloren hatte. In Gedanken entschuldigte ich mich bei meinem Onkel für das Selfie, welches ihn nicht so respekteinflößend wie sonst, sondern eher wie einen Teddybären aussehen ließ. Natürlich hatte ich danach sofort alle Beweise von meinem Handy vernichtet. Thomas wollte ich nähmlich nicht gegen mich haben.
Seufzend rollte ich mich aus dem Bett und kramte in meinem Kleiderschrank nach etwas, das wenigstens ein bisschen ansehnlich aussah und entschied mich letztendlich darür:
Zwar regnete es heute nicht mehr, jedoch war es draußen und im gesamten Gebäude generell nicht so warm. Da es Hochsommer war, fragte ich mich, wie die Temperaturen dann wohl im Winter sein werden. Brrrr.
Der einzige Gedanke, der mich auf dem Weg zum Speisesaal voran trieb waren die von meinem Onkel versprochenen Corassants - die zugegebener Maßen weitaus besser klingen, als jeden Tag Müsli. Leider lagen die Lehrertische ganz hinten, sodass ich erstmal durch die Tischreihen der Jungs gehen musste, um überhaupt zu dem Platz neben Thomas zu gelangen. Fast angekommen hörte ich die Stimme von dem Augenbrauen-Typ: "Hey! Du kannst dich ruhig zu mir setzen!" Ich ignorierte ihn einfach und bahnte mir meinen Weg vorwärts.
"Schön, dass du uns auch mal die Ehre erweist beim Frühstück anwesend zu sein Madame", begrüßte mich mein Onkel, aber es klang eher belustigt als tadelnd. "Ich wusste garnicht, dass ich hier so vermisst wurde", entgegnete ich. "Anscheinend wurdest du von sehr vielen vermisst." Er schaute unauffällig zu den Jungstischen, deren Aufmerksamkein an mir klebte wie Insekten an diesen klebrigen Fliegenfallen. "Das einzige, dass mich so früh morgens hierher gelockt hat, waren die Croassants, von denen du mir erzählt hast!", lachte ich. Thomas hielt mir einen Korb voller (noch warmer!) Croassant hin und ich griff beherzt zu. "Na dann lass es dir schmecken!" Ich murmelte ein "damke pfön", woraufhin er mich tadelnd ansah und ich mir vornahm, bessere Manieren an den Tag zu legen.
Als ich nach zwei himmlischen Croassants aufstand, bemerkte mein Onkel: "Wird dir in dieser - hm, kann man das dünne Ding überhaupt noch Hose nennen? - nicht kalt Ava?" Ich seufzte und erwiederte: "Danke Herr Modeexperte, aber sollte mir zu kalt werden, ziehe ich sofort eine Schneehose an!" Er lachte nur und bedeutete mir mit seiner Hand, dass ich entlassen bin. Der Weg raus aus dem Speisesaal war zwar wieder der Horror, aber ich glaube nicht, dass es nötig ist, nochmal zu verdeutlichen, wie genervt ich von den Blicken bin - ich meine, haben die Jungs entwa noch nie zuvor ein Mädchen gesehen, oder wieso glotzen mich alle so an, als wäre ich das krasseste, was sie in ihrem Leben gesehen haben? Wie auch immer - irgendwann werden die schon etwas neues und tolles finden, mit dem sie sich beschäftigen können. Innerlich verfluche ich das Internat dafür, das Verbot für elektronische Gegenstände eingeführt zu haben. Die können ihre Zeit ja nicht einmal mit Fortnite verschwenden!
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Das Jungeninternat ~
Roman d'amourWas passiert einem Mädchen auf einem Jungeninternat? Die 16-jährige Ava Beaufort hat so ziemlich alles verloren, doch wird ihr der Neuanfang auf einen Internat für junge Männer gelingen? Und wird sie es schaffen, sich den Respekt von diesen Jungen a...