3 - All die young

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Ich bestellte mir einen Cocktail an der Bar. Mit Alkohol. Logischerweise nicht an der, an der meine Schwester arbeitete. Der Barkeeper fragte nicht einmal nach meinem Altersnachweis, sondern fing gleich an das Getränk zu mischen.

Ich konnte es immer noch kaum fassen. Meine Gedanken waren ein einziges Chaos. Wie konnte ich nur so blind sein? Ich hätte im ersten Moment sofort merken sollen, dass ich dabei war, blind in eine Falle zu tappen. Nicht nur hat meine Schwester mit dieser Aktion mein Selbstbewusstsein noch tiefer unter Wasser gedrückt, sondern sie fühlte sich jetzt auch noch in ihrer Annahme bestätigt, dass ich wohl entweder schwul oder asexuell sein musste. Mit beidem konnte ich nicht gerade leben, denn sowohl die erste als auch die zweite Möglichkeit brachten mich in eine gehörige Bredouille. Die Wahrheit allerdings vermutlich stärker als zweiteres...

Ich kippte den Cocktail sofort mit einem Zug herunter. Sofort machte sich ein Brennen in meiner Kehle bemerkbar und mein ganzer Körper wurde von Wärme erfüllt. Und ich bestellte gleich noch einen. Der Barkeeper runzelte zwar die Stirn, sagte aber nichts.

Etwas ungewollt ließ ich für einen Moment den Blick über das Geschehen kreisen. Alle außer mir schienen Spaß zu haben, wie immer. Für einen Moment erkannte ich Aiden in der Masse – kein Wunder, wie könnte man ihn denn auch nicht erkennen? Im Gegensatz zu seinen Freunden schien er noch ziemlich nüchtern, was komisch war, denn normalerweise war er immer der erste, der sich zulaufen ließ. Er schien wohl die bohrenden Blicke von mir in seinem Rücken gespürt zu haben, denn er drehte sich um und schaute zu mir. Fragend nickte er mir zu, als wollte er sagen: „Alles okay? Du kannst ruhig zu uns kommen." Doch ich schüttelte nur frustriert den Kopf. Da wollte Aiden sich von der Menge lösen und auf mich zukommen, doch einer seiner Freunde hielt ihn am Arm fest. Ich konnte nicht genau verstehen, was sie sagten, nur einige Bruchteile kamen bei mir an. Aiden sah etwas verunsichert aus und versuchte sich von dem Griff zu lösen, aber anstatt ihn loszulassen, wurde er von noch mehr Händen gepackt. Was war da los? Mein Herz fing an vor Aufregung schneller zu schlagen. Sie würden ihm doch nichts antun wollen? Angestrengt kniff ich die Augen zusammen und spitzte die Ohren, in der Hoffnung das Geschehen besser mitzubekommen, doch tanzende Partygäste und die laute Musik verhinderten dies.
Mit wachsender Sorge beobachtete ich, wie Aiden immer lauter wurde und immer mehr versuchte, sich gegen die Masse zu wehren, doch gegen so viele Leute hatte er keine Chance. Ich wurde starr vor Schreck, mein Körper war wie eingefroren. Die Leute hatten ihn jetzt vollkommen im Griff und marschierten mit ihm in Richtung des Pooles. Immer hektischer atmend sprang ich endlich auf und rannte zu der Menge hin. Mittlerweile übertönten Aidens verzweifelte Schreie sogar die Partymusik. Aber niemand außer mir schien sich daran zu stören. In heller Aufregung drängelte ich mich durch die tanzenden Paare, ich musste ihm helfen!

Im nächsten Moment hörte ich, wie ein Körper ins Wasser fiel. Für einen Moment verlangsamten sich meine Schritte. Sollte das alles sein? Ein alberner Scherz? Aber warum machte Aiden dann so ein Theater?

In dieser Sekunde erreichten Aidens Hilfeschreie den Höhepunkt. Sogar die anderen Gäste unterbrachen nun ihr Tanzen und ihre Köpfe wanderten verwundert in Richtung Pool. Ich drängte mich weiter durch die Menschen und kam endlich am Pool an, um einen panisch im Wasser zappelnden Aiden vorzufinden. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine solche Angst in seinen Augen gesehen. Seine Schreie machten deutlich was für eine Todesangst er hatte. Mir war klar, ich musste ihn da raus holen. Niemand anderes war in seiner Nähe und die Freunde, die ihn ins Wasser geworfen haben, standen nur daneben und lachten blöde. Sie hatten eindeutig zu tief ins Glas geschaut.
Aiden war nicht weit neben der Kante entfernt, also hockte ich mich auf die Knie und streckte meinen Arm so weit es ging aus: „Hier, nimm meine Hand!" Mit gurgelnden Geräuschen, die sich so langsam in seine Hilfeschreie mischten, versuchte er mit aller Kraft meine Finger zu erreichen. Doch gerade als seine Fingerspitzen meine berührten, spürte ich einen Kick in meinem Rücken und ein „Arrivederci!" gepaart mit einem Gruppenlachen waren das letzte, was ich hörte, bevor alles um mich herum von Dunkelheit verschluckt wurde.

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