5 - Das Bett stand an der linken Wand

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Alles war schwarz.
Es schien, als würde die Schwerkraft nicht mehr existieren. Mein Körper schwebte in einem großen Nichts, in dem es nur Dunkelheit gab. Kein einziger Lichtstrahl weit und breit.
Etwas an diesem Zustand kam mir bekannt vor, doch ich wusste nicht was.
Immerhin konnte ich meine Arme und Beine frei bewegen und das Beste – ich hatte keine Schmerzen. Ich hatte keine Emotionen. Es war, als würde mich die Dunkelheit nicht nur von außen umgeben, sondern auch in mir drin sein und meine Leere ausstopfen. War das hier der Himmel?
Doch als ich einatmen wollte, wurde mir das Negative bewusst. Es ging nicht. Ich bekam keine Luft. Stattdessen füllte bei jedem Versuch zu atmen mich die Dunkelheit noch mehr aus. Es ging nicht, es ging nicht, es ging nicht, ich konnte nicht atmen. Ich würde ersticken. Konnte man im Himmel sterben?
Mit einem Mal traten Lichtstrahlen in die Dunkelheit. Ich konnte davon schwirrende Blasen um und über mir sehen. Eine wellige Wasseroberfläche. Wie bin ich hier gelandet? Logischerweise wurde mir nun klar, warum ich nicht atmen konnte. Menschen können nicht unter Wasser atmen, denn da gibt es keine Luft.
Ich ruderte mit den Armen und zappelte mit den Beinen, um irgendwie die Oberfläche zu erreichen. Ich konnte nicht schwimmen. Ich konnte nicht schwimmen?
Etwas unter mir umklammerte meinen Knöchel. Verhinderte, dass ich die rettende Oberfläche erreichen könnte. Ich strampelte und strampelte, alles um mich klang dumpf, ich konnte Blasen hören – ich würde sterben – war das eine Hand da oben – ich würde sterben – ich sah nichts mehr, ich konnte mich nicht mehr bewegen – ich bekam keine Luft, ich würde sterben – die Hand war zu weit weg, komm doch näher, Hand – ich sterbe, ich sterbe, ich sterbe.
Vielleicht war es besser so. Ich wollte nicht mehr aufwachen. Lieber würde ich vom Wasser verschlungen werden.
Ich wachte auf. Meine Haare waren klatschnass und der Hoodie, den ich trug, ebenso. Hoodie? Seit wann besaß ich Hoodies? Ich befühlte den Stoff, er fühlte sich real an. War das ein Traum? Lebte ich? Warum? Ich wollte doch sterben. Warum verstand mein Gehirn das nicht?
Bebend vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen. Warum, warum, warum? Ich verstand das Leben nicht. Warum war es so unfair zu mir?
Für eine Weile saß ich nur so dar, die Arme um meine Knie verschlungen und wimmerte tonlos vor mich hin. Mein Zeit- und Raumgefühl war komplett verschwunden. Ich wusste nicht wo ich war, wann ich war.
Als jegliches Wasser aus mir herausgeweint schien, nahm ich die Hände von meinem Gesicht weg und versuchte trotz der Dunkelheit zu erkennen, wo ich war. Mein Zimmer war es nicht. Mein Bett stand in der Mitte des Raumes, mit dem Kopf zur Wand, aber mit Abstand zu den Wänden links und rechts. Das Bett, in dem ich jetzt lag, stand aber an zwei Wänden. Am Kopf, und links von mir. Ich fuhr über die raue Tapete. Dann schaute ich nach rechts, und meine sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnenden Augen erblickten eine Person. Sie saß auf einem Stuhl, am Schreibtisch direkt neben dem Bett. Ich blinzelte. Es war Aiden. Natürlich. Natürlich?
Sein Kopf lag auf verschränkten Armen, unter ihm ein Buch. Seine Augen waren geschlossen, sein Mund halb geöffnet. Wie zur Hölle bin ich zu Aiden gekommen? Mein Kopf war ein schwarzes Loch. Ich konnte mich an kaum etwas mehr erinnern. Plötzlich, als hätte er es gespürt, zuckten Aidens Augenlieder. Ich zuckte zurück. Er brummte etwas unverständliches, bevor er seine Augen richtig öffnete und sein Blick auf meinen stieß. Ich fühlte mich ertappt und zog mich beschämt zurück, an die Wand hinter mir. Aber Aiden schaute nur.
Er gab ein lautes Gähnen von sich, streckte sich und setzte sich dann aufrecht hin. Ich versuchte meinen Blick von seinen losen Haarsträhnen zu nehmen, die seine Schultern und sein Gesicht umschmeichelten.
„Du... wirst jetzt nicht wieder so tun, als wäre nichts, wie du es sonst immer machst, ja?" Aidens tiefe Stimme, die die Dunkelheit zerriss, wirkte auf mich so plötzlich, dass ich kurz zusammen zuckte. Erst nach ein paar Sekunden realisierte ich, was er gesagt hatte.
„Ich bin zwar nicht der hellste, aber blöd bin ich auch nicht." Die Art, wie er den Kopf schief legte, passte gar nicht zu seinem ernsten Tonfall. Ich wusste nicht, ob ich es schaffen würde, ihm zu antworten. Meine Kehle fühlte sich an wie durchgeschnitten. Seine grauen Augen schienen mich regelrecht zu durchbohren; so sehr, dass es fast schon wehtat.
Ich versuchte zu sprechen, ja, ich versuchte es wirklich, aber kaum öffnete ich meinen Mund, spürte ich schon, dass mehr als ein Krächzen dabei nicht zustande kommen würde. Meine Augen wurden feucht. Was war ich nur für eine Heulsuse. Mein Gesicht war sowieso schon ganz geschwollen von der ewigen Heulerei. Mein Vater hatte Recht.
Aidens ließ seinen Blick kurz auf meiner jämmerlichen Fresse verweilen. Dann legte er seine Hand auf meine. Senkte den Blick nach unten, auf seine schwarz-lackierten Fingernägel, die auf meinen Fingern ruhten. Und ich dachte mir nur, scheiße, warum muss es gerade er sein. Warum es denn überhaupt ein Junge sein musste. Warum ich nicht einfach auf Emo-Mädchen stehen konnte. Und Aiden machte alles noch schlimmer. Wusste er, was er mir antat? Arschloch.
„Also? Möchtest du mir erklären, warum ich dich um neun Uhr nachts, komplett weg, aus unserem Garten aufsammeln muss?" Ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Wieder zu ertrinken, wie in meinem Traum. Alles kam zurück, die Bilder, die Gefühle, alles prallte wie ein riesiger Tsunami auf mich ein. Und wie ein riesiger Tsunami fing ich auch wieder an loszuheulen. Und Aiden? Er nahm mich einfach nur in den Arm und strich mir über den Rücken, so lange, bis ich mich endlich beruhigen konnte. Was Jahre dauerte.
Und dann, als ich endlich aufgehört hatte zu zittern, fragte er mich:
„Darf ich dir einen besonderen Ort zeigen, Stanley?"
Es war mittlerweile zwei Uhr nachts.

(Es tut mir unglaublich Leid, dass ich über einen Monat lang vergessen habe, die restlichen Kapitel hochzuladen. Als Ausrede kann ich euch leider nur sagen, dass ich, nachdem ich das letzte Kapitel hochgeladen hatte, eine Woche in Köln und davon drei Tage auf der gamescom war und danach einfach komplett vergessen hatte, dass ich ja noch etwas zu tun hatte, aber nun gut, das macht das ganze auch nicht besser. Ich hoffe einfach nur, dass noch ein paar von euch hier sind, und die restlichen Kapitel genießen.)

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