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4:10 Uhr

Eine Stunde und zwei Chococcinos weiter liefen wir ein letztes Mal durch die Shoppingmeile, auf dem Weg zu unserem Gate. Man könnte meinen, wir würden uns mittlerweile gegenseitig nerven, aber es war eher das Gegenteil der Fall. Ich mochte seine Gesellschaft und unsere Gespräche waren so ungezwungen.

Wir kamen am Gate an und sahen uns nach freien Plätzen um. Gegenüber von uns waren doch tatsächlich noch 3 Plätze nebeneinander frei, weswegen wir regelrecht hinsprinteten und uns auf sie fallen ließen.

Mein Körper war überfordert mit dem ganzen Koffein und der physischen Erschöpfung. Ich wusste nicht, ob ich wieder müde wurde oder ob meine Beine einfach nur anfingen zu streiken.

Gerade kam eine Durchsage und ich hörte gar nicht mehr richtig zu. Ich beobachtete zuerst all die Menschen um uns und dann Brad. Er schien genau zuzuhören und das machte mich stutzig, also versuchte ich, auch noch etwas von der Durchsage mitzubekommen.

„... 4:55 Uhr!" war alles, was ich noch aufschnappte und ich sah Brad fragend an, der mich wiederum glücklich anlächelte.

„Um 4:55 Uhr geht das Boarding los," sagte er und irgendwie klang er nicht mehr so glücklich, wie noch vor ein paar Minuten. „Mensch, nur zwei Stunden zu spät, geht ja total," sagte ich und meine Stimme triefte vor Sarkasmus.

Brad lächelte mich verständnisvoll an und ich schenkte ihm ein müdes Lächeln. Wir saßen hier einfach schon zu lange in diesem Flughafen rum und es zehrte merklich an meinen Kräften. Wäre Brad nicht hier gewesen, hätte ich den Aufenthalt wohl nicht so gut überstanden.

„Brad," sagte ich aus dem Gedanken heraus und er sah mich gespannt an. „Danke."

„Wofür bedankst du dich denn?" fragte Brad verwirrt. Ich lächelte ihn nur an und er verstand absolut nicht, was ich von ihm wollte. Er sah zu süß aus, wenn er so ratlos war.

„Für alles. Deine Gesellschaft hat alles hier wohl so ungefähr um 100 Prozent besser gemacht!" grinste ich und sein Lächeln wurde immer breiter. „Ging mir ähnlich," antwortete er mir und meine Augenlider wurden wieder schwerer. Er bemerkte es natürlich, er schien immer kleine Details zu bemerken.

„Willst du vielleicht nochmal kurz die Augen zu machen? Ich wecke dich, wenn es losgeht. Ich sehe doch, dass du mit der Müdigkeit kämpfst..." sagte er sanft und ich nickte nur, weil mein Körper sich wirklich nach Schlaf sehnte. „Danke, Brad! Schon wieder," kicherte ich schlaftrunken und er schüttelte grinsend den Kopf. „Was machst du nur mit mir," hörte ich ihn noch murmeln, doch da war ich bereits in den Schlaf abgedriftet.

4:45 Uhr

Ich merkte, wie es langsam heller wurde und, dass ich an etwas lehnte. Ein Geruch, den ich sonst eher entfernt wahrgenommen hatte, war auf einmal intensiver und es roch sehr angenehm. Ich öffnete ganz langsam die Augen und realisierte langsam wieder wo ich war.

Scheinbar hatte ich mich an Brads Schulter angelehnt, weshalb mein Kopf nun immer noch dort ruhte und was auch den Duft erklären würde.

Wieder ganz langsam hob ich meinen Kopf an und hatte die Augen noch halb zusammen gekniffen. „Naaa, gut geschlafen?" grinste Brad und es sah für mich so aus, als hätte auch er vielleicht kurz geschlafen.

„Bestens," lachte ich und er nickte in Richtung Schalter, an dem sich langsam schon die ersten Menschen anstellten. „Sollen wir gleich auch? Dann kommen wir früh ins Flugzeug und können früh schlafen," schlug er vor und ich nickte.

Wir standen langsam auf und schnell standen wir relativ weit vorne in der Schlange.

Es war komisch zu wissen, dass unsere Wege sich gleich zum ersten Mal seit dieser gefühlten Ewigkeit trennen würden. Wir saßen jetzt so lange zusammen und haben uns so gut verstanden, dass ich mir irgendwie noch nicht vorstellen wollte, ihn gleich so lange nicht zu sehen. Ja, es könnte auch komisch klingen, aber ich hatte mich in dieser Zeit irgendwie an ihn und seine Gesellschaft gewöhnt.

Natürlich war das vermutlich kein Abschied für immer — ganz sicher war es das nicht, ich würde es nicht so weit kommen lassen — aber trotzdem hatte ich keine Lust neben irgendeinem Fremden im Flugzeug zu sitzen.

Ich schmunzelte kurz, weil so ein Fremder war Brad bis vor ein paar Stunden ja auch noch. Irgendwie interessant, wie schnell sich sowas ändern kann. Ich konnte mit ihm über alles reden und irgendwie haben wir uns viel ehrlicher kennengelernt, als ich jemals jemanden anderen zuvor.

„Woran denkst du?" riss Brad mich lächelnd aus den Gedanken und ich sah ihn ebenso grinsend an. „Du tanzt durch meine Gedanken," lachte ich und er sah mich gespannt an. „Sehe ich gut aus?" fragte er und wackelte mit den Augenbrauen, sodass ich lauthals lachen musste. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Ein paar andere Passagiere in der Reihe drehten sich um, aber weder Brad noch mich störte das wirklich. „Ja, aber bilde dir mal nichts darauf ein," grinste ich frech und er sah mich überrascht an, lachte dann aber.

Ich konnte nicht sagen, was es war, aber Brad hatte etwas an sich, was mich in seiner Nähe unglaublich entspannen ließ.

Das Boarding ging los und niemand von uns sprach unsere Gedanken aus. Innerlich hoffte ich, dass auch er ein bisschen nachdenklich war, wie das mit uns so weiter gehen würde.

Langsam schritten wir nach vorne und Brad seufzte kaum hörbar, doch ich nahm es wahr. Ich stand vor ihm in der Schlange und kurz bevor wir durchgecheckt wurden, drehte ich mich nochmal zu ihm um. Er sah müde und erschöpft aus, aber auch irgendwie niedergeschlagen.

Ich ging wie gewohnt durch die Kontrolle und wartete kurz hinter der Abgrenzung auf ihn. „Es tut mir Leid, Sir, aber wir haben Probleme mit ihrem Boardingpass. Bitte haben sie einen Moment Geduld," sagte die Lady und Brad nickte nur und sah mich leicht genervt an.

„Geh einfach schon mal rein, dann ist der Abschied nicht so schwer und wir sehen uns einfach nach dem Flug wieder," versuchte er sich in einem Grinsen und ich fand die Idee eigentlich gut. Dann würde der Abschied weder komisch noch schwer werden, auch wenn wir uns ja vermutlich nur für die Flugzeit trennten.

Wie könnte man innerhalb so einer kurzen Zeit so anhänglich werden?

„Ja, ist gut. Bis nachher, Braddie," grinste ich traurig und er pustete mir einen Handkuss zu. „Bis in London, Cherié!" grinste er und ich drehte mich winkend ein letztes Mal um und ließ ihn hinter mir am Schalter zurück.

Dem tiefen Seufzer konnte ich einfach nicht unterdrücken und meine Gedanken schwenkten unweigerlich wieder zu ihm zurück.

Schnell saß ich auf meinem Platz am Fenster und die zwei Plätze neben mir waren noch frei. Ich beobachtete die Menschen, die eintraten, in der Hoffnung, Brad zu sehen und in diesem Moment trat der Lockenkopf mit Mütze und Brille in die Maschine ein.

Mein Herz machte einen merkbaren Satz und ich grinste ihn so lange an, bis auch er mich endlich sah. Er kam zu meinem Platz und lachte, als er auf die Platznummern sah. Ich verstand ihn sofort.

„Du schon wieder!" strahlte er und es kam wirklich von ganzem Herzen. Ich freute mich mindestens genauso, aber grinste ihn nur frech an. Ich wusste außerdem ganz genau, was er gerade dachte. „Bitte nicht, nicht du! Das kann doch nicht wahr sein... Und sag es nicht...—"

Das nenne ich Schicksal!" strahlte er und ließ sich auf den Platz neben mir fallen.

T h e     E n d
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Das war's mit dieser Kurzgeschichte!
Sagt mir gerne, was ihr davon haltet und ob ihr sowas öfter lesen würdet ;)

Hättet ihr in ferner Zukunft Lust auf eine Fortsetzung? Ich weiß noch nicht so wirklich...

Ich bin auf jeden Fall sehr zufrieden und freue mich jetzt wieder ordentlich hier weiter zu schreiben... Viel mehr gibt's auch eigentlich gar nicht mehr  zu sagen, checkt gerne auch meine anderen Geschichten aus, hihi

Wie immer, Anni x

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