• 4. Kapitel •

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Tagelang hatte ich Rubys Anrufe und Nachrichten ignoriert, war ihr in der Schule aus dem Weg gegangen und hatte sogar Kyle gemieden, damit er mich nicht darüber ausfragen konnte, was los war. Jeden Tag hatte mir Ruby mehrmals während des Unterrichts kleine Zettel zugeworfen, doch ich hatte sie alle ignoriert. Alle, bis auf einen. In dem stand, dass sie sich am Nachmittag gerne mit mir treffen würde und ich nach Schulschluss zu ihr kommen sollte. Und eigentlich hatte ich mich dagegen entschieden, doch auf dem Weg nach Hause hatten mich meine Füße fast wie von selbst zu dem großen Haus am Stadtrand geführt, in dem sie mit ihren Eltern wohnte. Es lag gleich neben dem Wald und war schon etwas heruntergekommen. Die Hausmauern waren voller Graffiti, was ihre Eltern Ruby zu verdanken hatten, was dem alten Gebäude aber auch eine persönlichere Note verlieh.

Mein Blick fiel auf die beiden kleinen Herzen, die Ruby und ich gemeinsam dorthin gesprüht hatten und mit einem kleinen Lächeln trat ich auf die Haustür zu. Noch bevor ich anklopfen konnte, riss Ruby die Tür auf und zog mich in das gemütliche Innere des Hauses. Ich wollte sie gerade begrüßen, da lagen schon ihre weichen Lippen auf meinen und sie drängte mich in ihr Zimmer, das gleich neben der Eingangstür war. "Ich hab dich so vermisst.", murmelte sie und küsste mich wieder. Sanft, aber dennoch bestimmt, drückte ich sie von mir weg und wischte mir mit meinem Ärmel die Reste ihres dunkelroten Lippenstiftes von den Lippen. "Tu nicht so, als wäre nichts passiert.", entgegnete ich, schärfer als beabsichtigt. "Serena, es tut mir so leid, aber ich kann mich nicht outen, meine Eltern würden mich umbringen." "Ich kenne deine Eltern, Ruby, und auf mich wirken sie bis jetzt so, als würden sie dich immer supporten. Sie unterstützen jede deiner bescheuerten Ideen, egal ob es um ein neues Tattoo oder Piercing geht, oder ob du spontan mehrere Tage wegfliegen willst. Wieso sollten sie etwas dagegen haben, dass wir zusammen sind, wenn sie sehen, dass du glücklich bist?" "Du verstehst das nicht..." "Ich verstehe das nicht?! Ich glaube du verstehst es nicht! Ich kann so nicht weitermachen. Sag es ihnen einfach, sie lieben dich und werden es akzeptieren. Und deine Freunde sowieso." "Und die anderen aus der Schule?" "Seit wann interessierst du dich für deren Meinung?" Ruby seufzte und drehte sich von mir weg. "Geh bitte Serena." "Was?" "Ich sagte du sollst gehen!", rief sie aufgebracht und mir stiegen die Tränen in die Augen. "Hör doch einfach auf, mir die ganze Zeit Vorwürfe zu machen! Du hast keine Ahnung davon, wie meine Eltern ticken und was ich alles durchmachen musste, bevor ich hierher gezogen bin! Komm zurück, wenn du zumindest ein wenig Verständnis für mich aufbringen kannst." Entgeistert starrte ich sie an und zischte dann: "Zwischen uns ist es aus! Ich werde mir ganz bestimmt nicht die Mühe machen, zu versuchen zu verstehen, warum du nicht einfach zu mir stehen kannst!" Und mit diesen Worten stürmte ich nach draußen.

Als ich wieder zu Hause war, rief ich sofort Kyle an und erzählte ihm alles. Anfangs schmollte er ein wenig, weil ich ihm nicht gleich von Ruby und mir erzählt hatte, aber im Endeffekt war er dann eher wütend auf Ruby. "Du musst sie eifersüchtig machen. Dann versteht sie vielleicht endlich wie sehr sie dich liebt und dass du ihr wichtig bist und outet sich dann.", schlug er vor. "Kyle, du weißt, dass ich sowas nicht mache. Das bin einfach nicht ich." "Aber wenn du Ruby dann zurückbekommst?" Ich rang mit mir selbst, aber der Gedanke daran, dass endlich alle wussten, dass Ruby und ich zusammengehörten und wir alles machen konnten, was andere Pärchen machten, überzeugte mich. "Na schön. Und wie stellst du dir das vor?"

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