Teil 2

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Sie lagen friedlich im weichen Gras, die Kühe fraßen gemütlich und hin und wieder hörte man die Kuhglocken schellen.
Die Sonne bestrahlte das gesamte Feld und machte dies hier zu einem wunderschönen Moment.
"Wegen Momenten wie diesen könnte ich nie in einer Großstadt leben.", seufzte Paul und riss sich einen Grashalm ab, um daran herumzukauen.
"Auf welche Schule gehst du? Wie alt bist du eigentlich?", fragte Paul interessiert und schaute weiterhin in den Himmel. Vereinzelte Wolken waren zu sehen.

"Ich würde die Großstadt mit der Zeit vermissen, doch das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich es kaum anders kenne.", meinte Richard und starrte in den Himmel. Auf die Frage, auf welche Schule er ginge antwortete er mit "Kreuzgymnasium, Klasse 8. Ich werde diesen Sommer übrigens 14. Und du?" Er bezog sich damit auf alles, was Paul schon über ihn in Erfahrung gebracht hatte und Richard selbst nun wissen wollte.

Paul nickte während er lauschte. Ein Gymnasium also... mehr Zukunftsaussichten in beruflicher Hinsicht, als Paul sie hatte.
"Bin 16, eigentlich fertig mit der Schule. Meine Eltern wollen jetzt, dass ich Ihnen in ihrem Laden in der Innenstadt aushelfe und selber was verdienen kann, aber ich würde viel lieber hier bleiben.", sagte Paul, bedauerte, dass seine Eltern so das Sagen hatten.
"Aber naja, solange Ferien sind, hab ich ja noch frei.", meinte er heilfroh und schaute weiter auf die Wolken. "Die da oben sehen aus wie deine Schuhe, meinst du nicht?", sagte Paul lächelnd und zeigte auf ein paar Wolken über ihren Köpfen.

Richard lachte über Pauls kindliche Art, obwohl er doch zwei Jahre älter war als er selbst.
"Ich weiß noch nicht so ganz, was ich werden will, beziehungsweise werden soll, aber ich glaube, meine Mutter könnte sich vorstellen, dass ich später in der Bank arbeite. Mein Vater würde mich wahrscheinlich zur Armee schicken." Ein wenig traurig wurde Richard,  bei dem Gedanken an den Wunsch seines Vaters, doch er ließ es sich nicht anmerken. "Ich find die Ferien auch toll, vor allem, weil ich mich jetzt nicht langweilen muss, ich kann ja Dinge mit dir unternehmen. Vielleicht kannst du auch mal bei uns vorbeikommen, zum Essen." Dann viel ihm noch etwas ein. "Meine Großeltern haben einen Kirschbaum im Garten, komm doch dann einfach mal mit und ich zeig ihn dir!"

Paul zog scharf die Luft durch die Zähne ein und verengte die Augen zu Schlitzen, als er vom Vorschlag seines neuen Freundes hörte.
Wie sollte er ihm nur beibringen, dass seine Familie und das Ehepaar Kruspe nicht gut aufeinander zu sprechen waren? Paul kannte den genauen Grund nicht, seine Eltern sagten, er sei zu jung, um diesen zu verstehen. Das einzige, was Paul wusste, war, dass Kruspes wirklich nicht nett zu seiner Familie waren. Aber Richard war eine absolute Ausnahme. "Meine Eltern haben es nicht gern, wenn ich unsere Acker verlasse, ich werde passen müssen. Aber danke für dein Angebot.", sagte er und versuchte, zu lächeln. Natürlich hätte er ihn gerne besucht, das Haus vom Ehepaar hatte er nie von innen gesehen aber in seiner Vorstellung sah es immer sehr edel aus.
Vielleicht würde er es ja mal schaffen, nachts rauszuschleichen...

Ein wenig enttäuscht war Richard schon, als Paul das Angebot dankend ablehnte. Anscheinend waren seine Eltern ähnlich streng wie seine eigenen. Dennoch, es gab genug andere Dinge, die er mit Paul gemeinsam machen konnte, genug Dinge, von denen er keine Ahnung hatte.
Noch eine Weile lagen sie so im Gras, sprachen über verschiedenste Sachen und starrten in den Himmel.

*Zeitsprung*

Wieder war ein schöner Tag vergangen. Es war das Ende der ersten Ferienwoche. Samstag Nacht. Paul war noch voller Energie, die er nun einfach nicht mehr länger aufstauen konnte. Irgendwie zog es ihn in dieser Nacht gedanklich zum Anwesen von Richards Großeltern. Sollte er es denn wagen?
Was hatte er schon zu verlieren?
Schnell zog er sich über sein weites Hemd noch seine Hosenträger und schlich aus seinem Zimmer an der Fensterwand hinunter, es war ja nicht das erste Mal und er war noch nie zuvor entdeckt worden. Öfters hatte er sich bei Nacht aus dem Haus gestohlen, um auf seinem Pferd auszureiten und die Wälder zu entdecken. Als er sich nun zum Stall begab, fiel ihm ein Ort ein. Einer, den er seit Ewigkeiten nicht mehr besucht hatte. Dass Samstag der heilige Ruhetag war, ließ Paul heute mal außer Acht.
Auch Baron war noch wach und so stieg er auf den Rücken des kleinen Rosses und ritt mit ihm durch das hohe Gras, welches die Geräusche des Galopps dämpfte, sodass er leise vom eigenen Acker verschwand.
Nach einem drei minütigen Ritt, sah er es auch schon; Ein verhältnismäßig großes Haus. Und den Kirschbaum!

1933Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt