Teil 3

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"Stimmt!", rief Paul ihm nach und stand ebenfalls auf. Da war er wieder; Richard wie er leibt und lebte. Da Pauls Klamotten nicht nass waren, war er schneller ausgezogen als sein Freund; Hose, Hemd und Unterkleider wurden gemeinsam unachtsam auf einen Haufen geworfen. Die Sommernachtluft umhüllte seinen gesamten Körper. Er rannte den kurzen Weg hoch auf den Vorsprung und warf sich mit einem lauten "Heureka! Hahaa!" Arsch voran in die Tiefe.

Fast erwischte es Richard, als Paul ins Wasser sprang, doch er konnte noch ausweichen. Richard war fasziniert von Pauls Körper, als er diesen im Mondlicht betrachten konnte. Die harte Arbeit auf dem Land hatte seine Muskeln definiert und ihn zu einem gutaussehenden Jungen gemacht. Er würde einen guten Soldaten hergeben, dachte Richard, doch verlor sich schnell wieder in kindlichem Toben im Wasser, bevor er diesen Gedanken beenden konnte.

Paul gewöhnte sich schnell an das angenehme Wasser und tauchte auf, schüttelte heftig wie ein nasser Hund den Kopf und sichtete Richard, der neben ihm schwamm. Paul strahlte ihn an und tauchte unter, schwamm unter seinen Beinen hindurch und tauchte hinter seinem Rücken wieder auf, um ihn volle Kanne mit Wasser zuzuschütten.

*Zeitsprung*

Nach diesem abenteuerlichen Schwimmausflug, saßen die beiden Jungen nun bei Paul im Zimmer, auf seinem Bett und unterhielten sich flüsternd. Richard hatte frische Kleidung von Paul bekommen, die ihm sogar passte und der seinen sehr ähnlich sah, weshalb er sich keine Sorgen mehr machte, dass seine Großeltern etwas merken könnten.

Baron hatte Paul halbherzig an der Regenrinne festgebunden, damit er nicht weglief, bis Paul Richard wieder nach Hause ritt.
Das Haar der beiden war noch sehr nass, Paul hatte hier und da ein paar Kerzen angemacht, damit sie einander überhaupt noch sehen konnten.
"Tut mir leid, wenn ich das sage, aber deine Großeltern scheinen echt streng zu sein, dass deine Klamotten keinen Kratzer abkriegen dürfen. Ich mein- du bist hier sechs Wochen umgeben von der Natur.", er kicherte ungläubig. Während ihres Gespräch machten sie sich wieder auf den Weg zum anderen Grundstück.

Richard sah ein wenig betrübt zu Boden. "Sowohl meine Großeltern als auch meine Eltern sind extrem streng zu mir. Ich bin ja in der Stadt aufgewachsen, daran wird es sicher liegen." Jetzt lächelte er wieder und sah zu Paul. "Danke, dass du mich noch nach Hause gebracht hast und danke für die Sachen." Er verabschiedete sich mit einer Umarmung und ging dann zurück ins Haus.

"Kein Problem.", er winkte ihm auf Wiedersehen.
"Hey, warte!", zischte er schnell und griff nach Richards Unterarm bevor dieser noch in das Haus zurückkehren konnte.
"Du sagtest, du hast bald Geburtstag? Wann denn?", fragte er wissbegierig.
Er hatte sich vorgenommen, seinem neugewonnenen Freund ein Geschenk zu machen. Er wusste noch nicht, welche Art, aber er hatte es sich fest vorgenommen.

Richard wandte sich um und sah seinem Freund erneut ins Gesicht. "Ähh, in genau zwei Wochen, wieso?", meinte er und war leicht verwirrt. Warum wollte Paul das denn unbedingt wissen? War es denn so wichtig, ob er nun ein Jahr älter wurde, oder nicht?

"Ach nichts.", schüttelte Paul schnell genug ab und positionierte sich nun mit geradem Rücken sitzend auf Baron, als wäre er Richards Ritter in schillernder Rüstung.
"So sei es denn, M'Lady, auf ein baldiges Wiedersehen.", sprach er mit erhobener Brust.
Paul war kurz davor, loszureiten, bis ihm etwas einfiel. "Morgen Vormittag bin ich nicht zu Hause. Übermorgen weiß ich nicht, ob ich überhaupt zu Hause sein werde, Nachts ganz bestimmt.", versicherte er Richard noch schnell.
Morgen früh würde es für Paul und seine Familie erstmal in die Synagoge gehen. Ärgerlich nur, dass er seine feine Kleidung nun an Richard gegeben hatte, er würde etwas anderes Aufkratzen müssen.
Und am Montag würde er seinen Eltern helfen, das Geschäft zum Wochenanfang wieder zu eröffnen. Er nahm sich ebenfalls vor, Richard vom Markt etwas mitzubringen.

*Zeitsprung, zwei Tage*

Es war mitten in der Nacht und Richard stahl sich aus dem Haus. Mit einer einzelnen Laterne in der Hand lief er zu Pauls Haus, kletterte über den Gartenzaun und ging zu Pauls Zimmerfenster. Er nahm ein paar kleine Steine vom Boden auf und begann, diese nun dagegen zu werfen.

Das kleine Hämmern der Steine gegen das Glas hörte Paul sofort und es konnte nur einer sein; Richard. Schnell öffnete Paul die Riegel am Fenster und da stand er, mit einer Hand voll Steinen. "Bin gleich da!", flüsterte er laut.
Er zog sich schnell seinen Schlafanzug aus und seine Alltagskleidung an. Er war kurz davor, auf dem Fenster zu steigen, als ihm einfiel, dass er Richard auf dem Markt ja etwas gekauft hatte!
Er grub kurz in seiner Schublade und steckte das Objekt in seine Hosentasche, begab sich nun endlich aus dem Fenster. Elegant und geübt schlängelte er sich die Hauswand entlang und gelangte am Boden an.
"Für dich.", sagte er leicht außer Atem doch ließ es sich kaum anmerken.
Er streckte ihm eine Tafel Schokolade entgegen; Trotz der Klettereinheiten sah diese noch ganz heile aus.

Mit großen Augen betrachtete Richard das kleine Mitbringsel und sah dann zu Paul. "D-danke schön.", stammelte er völlig überrascht und fühlte sich ein wenig schlecht, da er selbst nichts für Paul hatte. "Wäre ich ein Mädchen, dann würde ich dir einen Kuss als Gegenleistung geben, aber so. Tut mir wirklich leid, dass ich nichts für dich habe."

"Gar keine Ursache.", sagte Paul nett.
"Ja, kann ich verstehen.", fügte er gespielt selbstgefällig hinzu, bezogen auf die 'Gegenleistung' und er räusperte sich kurz verlegen.
"Ich hatte auch mit nichts gerechnet, ist doch in Ordnung.", lockerte Paul die Situation und die beiden fingen an loszulaufen, noch relativ ziellos. "Freut mich, dass es dir gefällt.", meinte der Blonde ehrlich. Ein Teil seines Ersparten war tatsächlich für die Tafel draufgegangen, auch hoffte er, dass sie Richard schmecken würde.

"Ich wollte mich nur noch ein wenig mit dir unterhalten, einfach weil ich nicht schlafen konnte.", meinte Richard und sah sich dann um. "Wie wärs wenn wir uns in eure Scheune setzten, zwischen die Strohballen und dann gemütlich miteinander reden?" Kurz dachte er nach, was er noch etwas sagen wollte, dann fiel es ihm ein. "Ach übrigens, tut mir auch leid, dass ich dich jetzt, mitten in der Nacht störe, aber du warst ja sonst nicht da."

"Ja, ich weiß, was du meinst. Kann schon öde sein. Ist übrigens kein Problem, kannst immer vorbeikommen.", lächelte Paul nett und verständnisvoll als sie zur Scheune liefen. Dort angekommen machte Paul das Licht an; drei kleine alte Glühbirnen erleuchteten nichts als den Eingang, die Kühe und das Pferd am anderen Ende, er deutete auf einen Heuhaufen ziemlich in der Mitte des Ganges: "Fühlen sie sich wie zu Hause, Prinzessin. So nenn' ich dich jetzt.", erklärte er verspielt. Dieser Spitzname passte in Pauls Ansicht für Richard wie die Faust aufs Auge; er musste sich immer benehmen, als würde er ein mit Rubinen besticktes Kleidchen tragen, das nicht dreckig werden durfte und seine Familie war wohlhabend genug, in Berlin zu wohnen.

Richard ließ sich seufzend auf den Heuballen fallen und wartete, bis Paul es ihm gleich tat. "Ich möchte, dass du mir noch mehr über dich erzählst, alles was wir noch nicht übereinander wissen, würde ich gerne in Erfahrung bringen.", lachte er und sah zu seinem Freund rüber, hielt ihm dann die Hand hin und meinte: "Ich sags auch keinem, versprochen, aber nur wenn du auch dicht hälst."

"Gut.", stimmte Paul ein und schüttelte Richards Hand aufs Ehrenwort.
Er begann nun darüber nachzudenken, was man denn so erzählen könnte... über sich selbst. Gab es irgendetwas Geheimnisvolles über Paul?
"Naja, also....", er lehnte sich im Heu zurück und sah aus der offenen Tür hinaus. "Mir ist.. Ähm- mal eine Kuh über den Fuß gelaufen?", lachte er.
"Es gibt wirklich nichts Wissenswertes über mich. Ich habe eine Schwester, Sabine aber ich nenne sie eigentlich nur Sabse. Die ist auf einer Kunsthochschule angenommen worden für nach den Ferien.", sagte er, da ihm nichts mehr zur eigenen Person einzufallen schien.

"Interessant.", meinte Richard und lachte. Da fiel ihm ein, dass es auch nicht wirklich etwas Interessantes über ihn zu erzählen gab, doch er versuchte es wenigstens. "Nun, meine Eltern sind sehr stolz darauf, Deutsch zu sein und ich bin es auch, mehr fällt mir nicht ein." Dann schoss ihm etwas in den Kopf, etwas, worüber sie noch nicht gesprochen hatten, Politik. "Was denkst du eigentlich über Hitler?"

1933Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt