1933

Teil 5

Richards Augen wurden größer und er sah Paul ungläubig an. Hatte er ihn gerade wirklich um einen Kuss gebeten? Es sprach gegen alles, was seine Eltern ihm je beigebracht hatten, doch sie würden es ja nicht erfahren müssen, ebenso wie seine Großeltern. Doch bevor er eine Antwort gab, überlegte er, wie er sich selbst dabei fühlen würde. Er hatte noch nie auch nur irgendjemanden geküsst, hatte aber auch nicht vor, sich seinen ersten Kuss aufzuheben, für wen denn? So antwortete er mit "Ja, warum nicht?"

Paul lächelte schüchtern überrascht. Und er fragte sich selber, warum; schließlich lag nahe, dass beide es gerne wollten und somit war es beschlossen. Paul rückte schnell ein Stückchen näher und schaute seinen Freund mit großen Augen an, bevor er kurz schluckte. Er war aufgeregt, wie würde sich so ein Kuss nur anfühlen?
Von Paul kam ein letztes versicherndes Nicken und er lehnte sich langsam mit dem Gesicht nach vorne, wobei er seine Augenlider ebenso langsam schloss, je näher er Richards Lippen kam. Er selbst feuchtete seine Lippen im Instinkt an und legte den Kopf schief, genau wie in den Büchern.
Und kaum hatte er es realisiert, hatten sich seine mit den Lippen Richards vereint.

Pauls Lippen waren warm, weich und fühlten sich wunderbar an. Nie hätte Richard gedacht, dass er jemals einen Jungen küssen würde, da es etwas so Verbotenes und in den Augen fast aller auch etwas Abstoßendes war, doch Richard gefiel es. Warum, wusste er nicht, doch ihm gefiel diese Nähe, das Gefühl und vorallem der Gedanke daran, dass er einen Jungen küsste.

Paul spürte die Lippen des anderen auf seinen, es war ein sanfter Kuss, gar nichts Großes, aber es fühlte sich genau so an, wie er es sich vorgestellt hatte.
So langsam, wie er den Moment ziehen konnte verließ er den Kuss und setzte sich wieder ordentlich hin. Es schien, als wäre all sein Blut aus seinem Gehirn geflossen und er fühlte sich so leicht.
"Das war wirklich schön.", gab Paul offen zu. "Ich hätte mir es nicht so... nah vorgestellt.", sagte er nun und lachte kurz darauf, als er feststellte, wie dumm diese Aussage doch war.

Es freute Richard, zu hören, dass es Paul gefallen hatte, da er sich selbst nichts schöneres hätte vorstellen können. Nie hätte er gedacht, dass sich etwas verbotenes so gut anfühlen könnte. "Ich fand es auch sehr schön.", meinte Richard und nahm dann all seinen Mut zusammen. "Ich hätte auch nichts dagegen, das nochmal zu machen."

Der Junge drehte den Blondschopf schnell zu Richard, als er dessen Worte vernahm.
Nochmal? Paul wurde unmerklich rot, er wusste selbst nicht wirklich warum. Vielleicht war er einfach sehr geschmeichelt und glücklich darüber, dass es Richard so sehr gefallen hatte, ihn zu küssen, dass er es nochmal tun wollte?
Diese Gedanken in seinem Kopf auszusprechen; es war ihm sehr fremd, aber er fühlte sich genauso.
"Ich auch nicht.", sagte er, doch seine Stimme klang so kraftlos, dabei war das so untypisch, wo er doch normalerweise nie sprachlos gar zurückhaltend und scheu war. Langsam rückte Paul wieder näher. In der Hoffnung, Richard würde nun den ersten Schritt machen.

Mit Vorsicht legte Richard seine Hand auf Pauls Wange, näherte sich ihm und legte seine Lippen auf die seines Freundes. Der Kuss war etwas gefühlvoller als der erste und Richard genoss es deshalb umso mehr.

Die Berührung von Richards Hand auf der Wange des Kleineren ließ sein Herz einen Schlag aussetzen und der Kuss war nicht mehr so vorsichtig wie der vorherige, oder zurückhaltend. Es fühlte sich ganz anders an; in Pauls Kopf, in seinem Bauchgefühl. Erstmalig erwiderte er den Kuss sanft, tat dies quasi aus dem Instinkt heraus. Er hatte so etwas noch nie gemacht, nicht im geringsten und es fühle sich auch nun wieder an, wie sein erster Kuss, trotzdem wirkte er nicht unerfahren oder flüchtig. Er genoss es. Seine Hand liftete sich wie von selbst vom Boden, als hätte sie aus freien Zügen etwas vor und würde für sich selbst handeln. Als Paul es bemerkte ergriff er wieder Besitz über sie und platzierte sie leicht an Richards Hals. Seine Haut war so angenehm warm...