Paul wachte instinktiv früh am Morgen auf. Wie die letzten Tage und Wochen immer, als Richard ihn früh besuchen kam.
Der Morgen verlief so langsam, so schrecklich schwermütig. Langsam trottete er in die Küche wo seine Familie zum Frühstück vereint war.
"Paul, lächle doch, Sonnenschein. Hm?", seine Mutter streichelte seine Wangen und gab ihm ein Lächeln, doch Paul achtete nicht darauf und schmierte sich ein Marmeladenbrot.
"Hast du ihm alles Gute von mir ausgerichtet?", fragte Sabine unter vollem Mund. Paul seufzte leise und beschloss, sein Brot in seinem Zimmer zu essen. Alleine.Richard war gezwungen, mit seinen Großeltern zusammen zu frühstücken. Die ganze Zeit starrte er auf seinen Teller, würgte das Essen herunter und versuchte keine einzige Träne zu vergießen.
"Ich geh ein wenig raus.", meinte er schwach und lief dann nach draußen. Die ihm nun schon bekannten Felder zogen an ihm vorbei, als er über den steinigen Weg, hin zu Pauls Haus lief. Er wusste nicht, was sein Freund nun über ihn dachte, doch er wollte ihn wieder sehen.
Bei Paul angekommen, klopfte er an die Tür und hoffte insgeheim, Paul selbst würde öffnen.Paul saß deprimiert auf seinem Bett und aß das Brot in winzigen Bissen auf. Er hatte nicht gut geschlafen, seine zerzausten Haare zeugten von einer unruhigen Nacht, in der er sich Vorwürfe gemacht hatte.
Er wusste nicht, wie er das alles deuten sollte. Richard sagte ganz klar, er fand es verwerflich überhaupt über echte Gefühle in dem Sinne nachzudenken. Aber Paul wusste irgendwie, dass dieser zweite Kuss einfach etwas verändert hatte... es lag trotzdem nahe, dass sich der Kleine nur täuschte.
Und wie sollte er nun deuten, dass Richard nicht in der Frühe bei ihm war? Entweder wurde er von der Familie gezwungen, bei Ihnen zu sein oder, vielleicht mochte er Paul nicht mehr.
Familie Landers am Frühstückstisch, unvollzählig wegen Paul, hörte ein Klopfen an der Tür. "Ich geh.", sagte Sabine unüberzeugt und ließ auf Worte Taten folgen.
"Richard, guten Morgen und alles Gute!", sie gratulierte ihm und sagte, er könne ruhig zu Paul. "Weißt ja, wo sein Zimmer ist.", sie schloss die Tür und ging wieder an den Tisch.Richard bedankte sich, begrüßte die Familie Landers höflich und ging dann hoch zu Pauls Zimmer.
Eine Weile stand er vor der Tür, überlegte ob er etwas sagen sollte, ob er wieder gehen sollte, doch entschied sich dafür, an der Tür zu klopfen, leise und vorsichtig, ohne etwas zu sagen. Er war froh, dass Paul überhaupt zu Hause war, dass Sabine ihm aufgemacht hatte und dass er von der Familie Landers willkommen geheißen wurde.Paul sah kurz zur Tür als er das Klopfen gehört hatte. Dann seufzte er.
"Sabine, ich geh nicht wieder runter. Und das Mittagessen kannst du für mich auch absagen.", er murmelte gegen Ende hin und sah auf seine Hände.
Er hatte seine Schwester noch nie ernst bei ihrem richtigen Namen genannt. Und dabei hatte sie doch so rücksichtsvoll geklopft... Sie musste wohl gesehen haben, dass es ihm nicht gut ging. Jetzt fühlte er sich wieder schlecht, sie so angefahren zu haben.
'Kann ich nicht aufhören zu- zu... zu fühlen?', dachte er zu sich selbst und spielte mit der Haut seines Unterarmes. Er war an dem Punkt angelangt, die gestrige Nacht vergessen zu wollen, um Richard als besten Freund wieder zu haben, nicht weniger und auch nicht mehr als das.Paul schien Richard für seine Schwester zu halten, weshalb er erneut vorsichtig klopfte und leise fragte "Paul, ich bin's Richard, kann ich reinkommen?" Er musste Paul wieder sehen, mit ihm reden, diesen unausgesprochenen und doch so offensichtlichen Streit beenden. Er hatte sich vorgenommen, ihm die Wahrheit zu sagen, sich selbst seine Gefühle einzugestehen und endlich über seinen Schatten zu springen.
Pauls Blick schoss zur Tür. War es wirklich Richard, welcher so schüchtern angeklopft hatte?
Der Kleine konnte es kaum fassen, das war noch nie passiert.
Er hustete kurz in seine Faust hinein und räumte seine Kehle.
"Ja.", sprach er klar und als er sah, wie die Türklinke sich hinunterdrückte, sah er schnell wieder runter auf seine Hände. Er rückte ans andere Ende seines Bettes, um Richard ohne Worte zu verstehen zu geben, er könne sich hinsetzen.
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1933
FanfictionDie Sommerferien ziehen ins Land und wie der Zufall so will lernen sich Paul und Richard kennen. 1933, das Schicksal der beiden Freunde ist ihnen nicht wohl gesonnen, was sich auch schnell herausstellt. Aller Art Hürden stellen sich ihnen in den Weg...