Chapter 1

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Die Mittagspause war für mich die Zeit zum Lesen, zu lernen oder mit meiner besten Freundin Cathy abzuhängen. Ausser am Dienstag. Jede Woche betrat ich dienstags um diese Zeit die Bücherhandlung eine Strasse weiter. Selbst für eine Grossstadt war es ein grosser Buchladen. Zwei Stockwerke voll mit Büchern. Mein Herz schlug schneller als ich durch die Tür trat und mich eine sanfte Briese streifte. Ihr fragt euch bestimmt, wieso ich jeden Dienstag in die Buchhandlung hineinspaziere, um den Geruch von frischgedruckten Büchern zu riechen und neue Geschichten zu finden. Die Favoriten der Woche wurden Montagabend mit allen Mitarbeitern besprochen. Zum Schluss wurden die beliebtesten Bücher ausgesucht, um dann ausgestellt zu werden. Darum ging ich jeden Dienstag ein neues Buch kaufen, um es danach sofort zu verschlingen. Nicht weil ich nicht selbst Bücher finde, doch da gab es eine Person unter den Mitarbeitern, welche meinen Geschmack immer traf. Ilias. Seinen Nachnamen kannte ich ebenso wenig sein Gesicht.

Dutzende Male habe ich mir sein Gesicht ausgemalt, wie er ein Buch liest, oder sich für seinen Favorit entscheidet und welche Bücher ihm nicht gefielen. Ich lief den langen, hölzernen Eingangsbereich ab und steuerte auf die Belletristik Abteilung zu. Der Bereich war beinahe leer, da es nun mal Dienstag war und sich wenige die Zeit nahmen, an einem normalen Mittag ein Buch für den Abend oder das Wochenende auszusuchen. Mein Blick streifte über die Buchrücken der Bücher, welche in den Regalen standen. Wenn man Leute fragt, wieso sie sich ein Buch greifen, antworten sie meist, «Der Titel hat mich angesprochen», oder «Das Cover sah schön aus». Doch es gibt so viele gute Bücher, die deswegen unentdeckt bleiben, weshalb ich nach dem Zufallsprinzip greife. Ich wähle mir ein Buch aus, zähle bis fünf und dieses wähle ich aus. Und so geht's weiter, bis ich das gefunden habe, was ich will.

Ich gleite mit meinem Blick über die ausgestellten Bücher. Die Favoriten der Woche sind beschriftet mit den Namen der Angestellten und einem Zitat. Becky, Judith, Nick. Kein Ilias. Die Wendeltreppe aus dunklem Mahagoni Holz führt in den zweiten Stock. Dort befinden sich Mangas, Romane, Fantasy und Science-Fiction. Ich steuere auf die Fantasy-Abteilung zu und begann zu suchen. Und da war es. Ein dicker Wälzer, mit dunkelblauem Cover und einem Sensenmann auf der Frontseite. Zwischen den Seiten ein Zettel mit dem Namen Ilias und dem Zitat. «Aufregend, bringt mein Herz zum rasen und kann man kaum aus den Händen nehmen».

Ich packte mir das dritte Buch von oben und machte mich auf den Weg zur Kasse. An der Theke stand eine ältere Frau, die ihre vierziger bestimmt schon hinter sich hatte. Ihre Dunkeln Haare hatte sie zu einem Knoten gebunden und die Lippen ungenau mit rotem Lippenstift bemalt.

Mit dem Buch in der Hand gehe ich auf die Theke zu, um es zu kaufen. Wenn ich Ilias Favoriten kaufe, lese ich beinahe nie die Kurzbeschreibe. Irgendwie seltsam, ich vertraue einem Menschen so sehr, obwohl ich ihn gar nicht kenne. Die Kassiererin war geschätzt Mitte vierzig, hatte eine schmale Brille, mit einem feinen Gestell und hatte ihre dunkelbraunen Haare nach oben gebunden und zu einem Dutt gebunden. Sie sah aus wie eine klassische Buchhändlerin. Ich legte das Buch auf den Tisch und sie scannte den ISBN-Code. «Zwanzig Pfund», bittet sie mich. Ich reichte ihr ein Fünfzigerschein.

Meine Mutter meinte immer, ich spinne doch, weil ich mein verdientes Geld für Bücher ausgebe, anstatt sie einfach aus der Bücherei auszuleihen. Es ist nicht so, dass ich nie in die Bibliothek gehe, doch ein neues Buch zu besitzen, lässt mein Herz schneller schlagen. Mit vierzehn hatte ich mir ein kleines Regal zugetan. Doch nur ein Jahr später benötigte ich das zweite und jetzt bin ich achtzehn und mein Zimmer ist mehr eine Bibliothek, als ein Schlafplatz.

Die Verkäuferin wollte mein neu gewonnener Schatz in eine Plastiktüte packen, doch ich hielt sie gerade noch auf. «Ich brauche keine Tasche, danke», sagte ich, packte das Buch und stöpselte die Kopfhörer wieder in meine Ohren.

Dear IliasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt