Der Bus hielt und Cathy machte uns darauf aufmerksam, auszusteigen. Es war neun Uhr abends und der Himmel dämmerte schon. Es würde nicht mehr lange dauern, bis es komplett dunkel war. Cathy wusste wo sich Finns Hütte befand, da sie früher, als sie Kinder waren, miteinander spielten. Ich sah mich um und wir verliessen mit der Zeit die Zivilisation und stiegen einen Hügel hinauf. Nach zehn Minuten standen wir vor einer Hütte, die an einem kleinen See lag.
Es war wunderschön und am liebsten wäre ich auf die Bank, die nicht weit gelegen war, gesessen und hätte gelesen. Doch ich war nicht hier, um ein neues Buch zu verschlingen, ich war hier, um mein soziales Leben aufrecht zu erhalten. Die «Hütte», war eher ein kleines Haus, mit einer Veranda. Eine grosse Buche stand daneben, an der eine Schaukel befestigt war und ich konnte mir gut vorstellen, wie schön es hier als Kind hätte sein müssen.
Die Musik war schon im freien zu hören, ich nahm an, dass hinter dem Haus ein Garten sein musste, wo sich die meisten aufhielten. Zu dritt stiegen wir die kurze Treppe zum Eingang hinauf. Einige Raucher hatten sich auf der Veranda versammelt und unterhielten sich lautstark. Darunter erkannte ich Louisa und Derek, beide waren mit mir im Englischkurs. Ich wollte schon klopfen, doch Cathy, die leiste murmelte «das ist schon eine Weile her», riss die Tür auf und trat ein. Einige Blicke fielen auf die elegante, schöne Cathy, als sie sich auf den Weg, ich nehme an die Küche, machte.
Es waren bestimmt schon mehr als dreissig College-Studenten an der Party. Ich folgte Cathy in die Küche, um mir ein Getränk zu holen. Ausserdem wollte ich nicht allein sein und mit irgendwelchen Mitschülern Small-Talk führen. Beim Betreten der Küche fiel mir als erstes die volle Küchenablage auf. Es gab einiges zur Auswahl, als ich die Küchenablage betrachtete. Reichlich Bier, aber auch Vodka, Martini oder Gin. «Willst du etwas zu trinken?», hörte ich eine tiefe hinter mir. Schlagartig drehte ich mich um und Finn stand vor mir. Seine blonden Locken fielen ihm ins Gesicht und er trug ein Navy-blaues Hemd mit schwarzen Jeans. Ich mochte kein Navy-blau, jedenfalls an mir. «Äh danke, ich nehme mir nur ein Bier», ich schnappte eine Flasche und öffnete sie mit meinen Zähnen. Und ja, um diese Frage im Voraus zu beantworten; es tat nicht weh und ich machte es, um Finn zu beeindrucken. Und ich hatte Erfolg, denn Finn nickte anerkennend und lehnte sich dann locker, wie immer, an die Ablage.
«Schönes Haus, also naja, vor allem die Umgebung», ich lächelte schüchtern. Wieso wurde ich so nervös? In den Vorlesungen hatte ich keine Probleme damit, mich mit ihm zu unterhalten. Jedenfalls schlug mein Herz dann nicht so schnell wie in diesem Zeitpunkt und ich befürchtete, er bemerkte es. Er grinste. «Ja, ich liebe diesen Ort», er nahm einen Schluck aus seinem Becher, «Normalerweise ist es so ruhig hier. Du alles hörst». Ich sah zu ihm auf und spürte seine Augen auf mir. Hastig sah ich nach unten. Oh Gott, wieso hatte mich Cathy dazu überreden können, dieses Kleid anzuziehen? Ich fühlte mich freizügiger, als Zoé und Gina zusammen.«Du siehst gut aus, Warden», brachte Finn heraus und für einen Moment hatte ich das Gefühl, er war genau so nervös wie ich. Ich murmelte ein Dankeschön und strafte meine Schultern. Es fiel mir schwer, etwas zu sagen. Das richtige.
«Wie läufts bei dir im Studium? Hast du dein Gedicht für kreatives Schreiben schon fertig?», erkundigte ich mich schlussendlich bei Finn. Über die Ausbildung zu sprechen war das erste und das einzige Thema, bei dem ich mich wirklich sicher fühlte.
«Nun, die ersten Verse habe ich schon. Komme aber nur sporadisch weiter, irgendwie fehlt mir die Inspiration. Eine Muse», brachte er mich auf den neusten Stand und sah mir dabei so tief in die Augen, dass ich leicht schwankte.
«Dann wird es Zeit eine zu finden» und gleich darauf wollte ich meine Antwort zurückziehen und ich wünschte ich könnte sie so leicht durchstreichen wie in meinen Notizbüchern. Bestimmt hatte er das Gefühl, ich wollte flirten. Doch es war keine Absicht und ohne weiter darüber nachzudenken, griff ich nach meinem Bier, welches auf der glänzenden Marmorfläche stand und verschwand. Ich trat nach draussen und spürte gleich, wie die frische Luft eine beruhigende Wirkung auf mich hatte. Der Garten war gross und weiter hinten lagen einige Bete, mit Gemüse und Blumen. Auf der anderen Seite stand ein kleiner Schuppen mit einem Vogelhäuschen auf dem Dach. Auf der rechten Seite, wenn man den Garten verlässt, führte ein schmaler Weg an den See und ich widerstand der Versuchung, ihm zu folgen. Es war anfangs Juni und es war der wärmste Sommer seit langem, doch der See wäre bestimmt noch zu kalt, um sich einen kurzen Sprung ins Wasser zu erlauben. Stattdessen entdeckte ich Simon, der sich mit Sarah unterhielt und ich beschloss, mich ihnen anzuschliessen.
«Oh, hi Freya», begrüsste mich Sarah und betrachtete mich von meinem Make-up und dem geflochtenen Zopf bis zu meinen schwarzen Sandalen. «Wie geht's dir?», fragte sie und ich antwortete eine simple Antwort, wie jeder es tun würde. «Gut und dir?» «Auch gut», in meinem Kopf führte ich das Gespräch weiter «Was machst du so?», «Ach, ich bin hauptsächlich am Lernen und du?», «Ich auch», und dann wäre die Unterhaltung beendet Ich könnte mich nach einem neuen Mitmenschen umschauen, um das gleiche zu wiederholen. Als ich mich wieder auf das Gespräch der beiden konzentrierte, verabschiedete sich Sarah schon und schlenderte zu ihren Freundinnen, die sich kichernd um die Schaukel versammelt hatten.
«Wie läufts?», wollte ich von Simon wissen und hakte mich bei ihm runter und sah zu ihm auf. Seit der High-School gab es Gerüchte, dass Simon und ich zusammen waren oder eine heimliche Affäre hatten, obwohl wir beide keine Beziehung führten. Manchmal fragte ich mich auch, ob Simon je in Cathy oder in mich verliebt gewesen war, aber diese Gedanken schob ich schnell beiseite. Abgesehen davon, hat Simon auch definitiv einen anderen Geschmack. Seine bisherigen Freundinnen, waren wild, chaotisch und hatten einen Hang zum dramatischen. Vom Aussehen war es etwa gleich.
«Die Party ist echt cool. Finn hat sich echt ins Zeug gelegt und es hat mehr Leute hier die ich kenne, als ich gedacht habe», er zog mich an einen der langen Holztische und wir nahmen Platz. «Ja, es sind echt viele aus dem Kurs, den Finn und ich gemeinsam belegen»
Ich schlug die Beine übereinander und lehnte meinen Kopf an Simons Schulter, die auf der perfekten höhe lag. «Hast du dich mit Finn unterhalten?»
«Du willst nicht wissen, was passiert ist»
«Oh doch, meine Liebe»
«Na gut»Und dann begann ich von der kurzen Begegnung zu erzählen. Vor allem Finns Aussage, er hätte keine Muse, brachte Simon zum Lachen. Denn es war eindeutig ein Annäherungsversuch gewesen und ich hatte mich darauf eingelassen, wenn auch nur kurz. «Weisst du Freya», bedeutsam holte er tief Luft, «Ich wusste zu Beginn auch nicht, dass O'Brien so auf dich steht»
Langsam löste ich den Haargummi von meinen Haaren und schüttelte sie, bis der Zopf sich löste. Das tat ich immer, wenn ich aufgewühlt war. Aber wieso war ich das? Auch in der High-School gab es Jungs, die auf mich standen und es war mir auch vollkommen bewusst. Aber Finn war beliebt, hatte schöne, witzige Freunde, die immer Spass hatten. So kam es mir immerhin vor. «Ich glaube, er will mich einfach flachlegen. Er bekommt von mir einfach nicht so viel Aufmerksamkeit, wie er es sich gewöhnt ist» Und das war die Wahrheit. Auch wenn ich Finn schön und lustig fand, verschwendete ich meine Zeit nicht mit unnötigen Schwärmereien.
«Ja, ich mag ihn. Er hat Charakter. Aber ich verschwende meine Zeit nicht mit unnötigen Schwärmereien», wiederholte ich meine Gedanken und schaute in Simons Gesicht. Er sah gut aus und ich fühlte mich schlecht, dass nicht schon vorher gesagt zu haben. Sein markantes Gesicht und der kleine haken auf seiner Nase. Dann noch der Schönheitsfleck über seinem Mund. In seiner Theaterklasse war er bestimmt begehrt.
«Was ist mit diesem Buchtypen? Für den schwärmst du», er hatte recht. Und es war lächerlich. Es setzte sich eine Gruppe, die mir fremd war, an den Tisch.
«Das,», stockte ich, «das ist etwas anderes. Ich kenne Ilias nicht. Er könnte fünfzig Jahre alt sein» Es versetzte mir einen Stich, wenn ich daran dachte, er könnte wirklich so alt sein. Wenn ich ehrlich mit mir war, stellte ich ihn mir auch anders vor. Vielleicht 21 Jahre alt, Student, vielleicht studierte er Philosophie oder so.
«Manchmal mache ich mir Sorgen um dich Freya,», überrascht blickte ich auf und wollte grinsen, doch Simon sah mich so ernst an, dass es mir im Hals stecken blieb. «Ich liebe es, wie du über Bücher sprichst. Voller Euphorie. Du sprichst sonst nur selten so. Man spürt, wie die das Schreiben am Herzen liegt. Doch dieser Ilias», er sprach den Namen mit einem merkwürdigen Unterton aus, «ist nicht echt. Nicht wirklich. Und deine Bücher und Geschichten genau so wenig»
Mir wurde heiss und röte stieg in meinen Kopf. Nie im leben hätte ich erwartet, dass Simon so harsche Worte verwenden würde. Ein Kloss blieb in meinem Hals stecken, denn ich wusste nicht was ich antworten sollte. Er sprach die Wahrheit aus, doch es tat weh. Es schmerzte, weil ich es wusste, mir es aber nicht eingestehen konnte. «Du hast recht», heiser kamen diese Worte aus meinem Mund und ich stand auf. Als ich wegmarschierte, hörte ich noch wie Simon sagte, «Freya, ich meinte das nicht so» Und wie er es so meinte.
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Danke fürs lesen!!!
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Dear Ilias
Romance"Lieber Ilias, ich weiss nicht wer du bist. Doch deine Favoriten der Woche sind ein Ritual für mich geworden. Doch dieses Buch war nicht, was ich erwartet habe. Wie kannst du mir das antun? Das Ende ist erst der Anfang der Geschichte und ich kann mi...