Das Blut auf dem Schnee verriet mir, dass meine Wunde wieder offen war, aber zum Glück waren es höchstens drei Meter gewesen. Ich rannte los. Um mich herum waren überall Fabriken und nur vereinzelte, kleine Häuser. Ich musste mich erst einmal verstecken. Als ich um ein Haus herum rannte, zog ich mir das Tuch aus dem Mund und hielt es mir auf die Wunde an meiner Stirn, damit das Blut auf dem Schnee mich nicht verriet. Meine Verfolger waren nirgendwo zu sehen. Ich rannte zu einem Haus und stieg durch ein offenes Fenster. Schnell lief ich die Treppe runter und versteckte mich hinter Kartoffelsäcken im Keller. Durch das Kellerfenster konnte ich nach draußen schauen. Es blieben drei Schuhpaare vor dem Fenster stehen. "Er ist weg und das ist deine Schuld!" Niall fiel in den Schnee. Als er lag konnte ich sein Gesicht sehen. Seine Wangen waren rot, wie wenn jemand ihn geohrfeigt hätte. Wahrscheinlich sein Vater. "Ich brauche das Geld und dank dir ist es weg! Mr. Schala wird heute Nacht abreisen und wenn Zayn bis dahin nicht wieder aufgetaucht ist, wirst du ihn begleiten." Er drehte Niall auf den Rücken und band seine Hände mit einem Strick zusammen. "Na los, jetzt komm."
Es wurde Nacht und ich schlich aus dem Keller nach oben und in die Kälte hinaus. Meine Jacke hatten sie mir am Anfang schon weggenommen, weshalb ich nur meinen Pulli trug. Ich schlich zu dem Haus zurück, in dem ich die ganzen letzten Tage eingesperrt war. Ich musste Niall helfen. Ich kam gerade noch rechtzeitig. Ein Auto mit Anhänger stand da, in den Niall gerade geschubst wurde. Während dessen Vater und der Sklavenhändler sich die Hände schüttelten rannte ich dorthin und schaffte es, unbemerkt in den Anhänger zu krabbeln. Es war stockdunkel hier und ich verhielt mich still, bis das Auto losfuhr. "Niall?" Ich tastete nach der Wand, um mich festzuhalten, da das Auto ziemlich ruckelte. "Zayn!" ich hörte eine müde Stimme direkt neben mir. Dann legte sich eine Hand auf meinen Oberarm. "Bist du das?" Ich spürte die Metallketten, die vom Wind gegen mich geweht wurden. Ich folgte ihnen mit der Hand. Niall war an den Handgelenken an die Wand gebunden, mehr konnte ich nicht herausfinden. Das Auto hielt und mir stockte der Atem. Wir mussten hier raus. Der Typ durfte mich nicht bemerken. Aber es war zu spät. Das Licht einer Taschenlampe schien mir direkt in die Augen. Geblendet hielt ich mir den Arm vor die Augen und blinzelte. "Wen haben wir denn da?!" Es war nicht Mr. Schala, sondern ein anderer Typ, der allerdings auch südländisch aussah. Er sprach nur gebrochen Englisch und lispelte. "Mr. Schala!! Kommen sie!" Jetzt trat auch dieser in mein Blickfeld. Er überschaute die Situation schnell und ehe ich mich wehren konnte lag ich schon auf dem Bauch und meine Hände wurden mir auf dem Rücken fest verbunden. Dann bekam ich einen Schlag auf den Kopf und alles um mich herum wurde schwarz.
Ich wachte auf, als ich unsanft auf dem Boden aufschlug. Ich brauchte einige Zeit um mich orientieren zu können. Um mich herum waren Menschen. Lauter Jugendliche in meinem Alter. Direkt neben mir schlug in diesem Moment Niall auf dem Boden auf. Meine Hände waren immer noch gefesselt und den Anderen schien es genauso zu gehen. Ein paar hatten sich mittlerweile aufgesetzt, doch gerade als ich mich aufrichten wollte landete ein Körper auf mir. Mein Kopf tat höllisch weh und meine Hände waren taub. Niall und ich wurden wieder gepackt und auf einen Platz geschleift. Hier waren noch mehr Menschen und es schien ein Markt zu sein...ein Markt auf dem man Menschen kaufte. Vielen der Jugendlichen ging es weitaus schlechter als Niall und mir. An einem Marktstand angekommen wurden wir entfesselt und in eine Reihe mit anderen Jungs geschubst. Den Rest des Tages verbrachten wir damit zu warten. Worauf wusste ich nicht genau. Ich wollte nicht gekauft werden, aber ganz sicher auch nicht hier bleiben. Erst beobachtete ich die ganzen Menschen, wie sie ihre Sklaven kauften und zufrieden weggingen, wie die Reihe kleiner wurde und die Angst immer größer, wie einige zusammenbrachen und weggetragen wurden...für immer wahrscheinlich. Irgendwann ertrug ich es nicht mehr. Ich blendete alles um mich herum aus und konzentrierte mich auf einen Punkt vor mir. "Hey! Du bist gemeint!" Eine Stimme riss mich hoch. Der Verkäufer zerrte mich nach vorne. Ich schwitzte, denn es war unerträglich heiß im Gegensatz zu England, wo noch dazu Winter war. Mir war schwindlig und ich schwankte leicht und musste mich an dem Verkäufer festhalten. Vor mir stand ein sehr streng aussehender Mann, daneben ein junges, wunderhübsches Mädchen. Sie erinnerte mich an Elena...Elena, an sie hatte ich seit der Entführung nicht mehr gedacht. Sie schaute mich mitleidig an. Sie wusste was mit mir passierte, wenn sie mich nicht kaufen würden. "Nehmen wir ihn, Vater." Sie sprach auf pakistanisch. Ich verstand es, da mein Vater Pakistaner war. Es schmerzte, an ihn zu denken. Der Mann musterte mich und schien nicht gerade begeistert zu sein. Der Verkäufer merkte wohl, dass er unschlüssig war. "Wenn sie ihn nehmen, bekommen sie den Blonden dazu geschenkt." Er zog Niall nach vorne, dem es nicht besser zu gehen schien, als mir. Der Mann nickte und reichte Geld rüber. Dann wurden unsere Hände wieder auf dem Rücken gefesselt und wir wurden zu einem Transporter geschleift. Drei Stunden später waren wir am Ziel und wir stiegen aus dem Transporter. "Naima, zeigst du ihnen, wie hier alles abläuft?!" Das Mädchen nickte. "Versteht ihr mich?" Ich nickte schwach. Mein Mund war zu ausgetrocknet, um ihr richtig zu antworten. Sie schien sehr schüchtern zu sein. "Bei uns Frauen ist das egal, aber wenn ihr mit meinem Vater oder meinen Brüdern redet, sprecht sie mit 'Sir'an, ansonsten werdet ihr bestraft. Da vorne sind eure Schlafplätze." Sie zeigte auf eine kleine Hütte, an deren Dach Ziegel fehlten und deren Fenster keine Scheiben hatten. Ich nickte wieder und erklärte es Niall. Er schien kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen und ich merkte, dass ich auch kurz davor war. "Ihr werdet auf dem Feld arbeiten ab morgen und das wird sehr anstrengend. Bei jedem kleinsten Fehler werdet ihr bestraft und wie stark, das entscheidet der Feldherr, dem ihr zugeteilt seid. Heute dürft ihr euch noch ausruhen, aber ab morgen gibt es keine Sonderbehandlung mehr." Sie stockte. Das alles schien ihr mehr als unangenehm zu sein. "Wenn irgendetwas ist, dann wendet euch an mich, mir könnt ihr vertrauen, ich will euch helfen. Und jetzt legt euch hin und schlaft. Ein Glas Wasser steht neben eurem Bett. Teilt es euch gut ein." Sie öffnete den Mund, als wolle sie noch etwas hinzufügen, aber dann drehte sie sich um und ging. Ich schaute ihr hinterher, dann nahm ich Niall beim Arm und führte ihn zu der Hütte. Dort standen sechs Betten und zwei schienen leer zu sein. Auf ihnen lagen jeweils eine Hose und ein Oberteil. Alles schlicht gehalten. Nachdem wir uns umgezogen und einen Schluck getrunken hatten, ließen wir uns auf die Betten fallen. Sie waren hart und unbequem und es war heiß hier drin. Trotzdem war ich schnell eingeschlafen.
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Entführt-allein in der Hölle
Mystery / Thriller"Ich blickte zu dem kleinen Fenster hinauf. Selbst wenn es nicht so hoch wäre, würde ich es nicht schaffen. Ich zerrte an meinen Fesseln und fragte mich, wie so oft schon, wieso ich das alles hier verdient hatte."