Der Ball

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Nervös zupfte ich an meinem Kleid herum. Es kam mir so vor, als seien alle Augen auf mich gerichtet. Vermutlich war es auch so. Wie ich das alles hasste.

"Wunderschönes Kleid.", lobte mich irgendein unbedeutendes Nichts aus der Menge.

Sein Name stand bestimmt auf der Liste, die ich hätte lernen sollen.

Wunderschönes Kleid. Pffff. Als hätte ich mir das Kleid aussuchen können.

Mein Kleid schillerte in verschiedenen Orange- und Rottönen. Zwischendrin waren auch ein paar Gelb und Blautöne. Es repräsentierte das Feuer. Mein Feuer. Wenigstens bei der Länge und dem Schnitt des Kleides durfte ich mitentscheiden. Es ging mir bis zur Hälfte der Oberschenkel und war sehr eng geschnitten. Das hatte ich aus Protest so entschieden. All diese Menschen in ihren Ballkleidern taten so als würden wir uns super verstehen und seien beste Freunde aber insgeheim wusste ich, dass sie innerlich über die Kürze meines Kleides die Nase rümpften. Es ärgerte mich, dass sie sich nicht trauten es mir gegenüber zu erwähnen.

Der Saum meines Kleides fing Feuer. Verdammt! Ich musste mich besser beherrschen. Ich streckte meine Hand aus, um die Flammen zu löschen. Sie liebkosten meine Hand und mir fiel es schwer, ihrem Drängen zu widerstehen und sie zu ersticken. Vorsichtig sah ich mich um, ob jemand meinen Ausbruch entdeckt hatte und fing den Blick meiner Mutter ein, die mich tadelnd musterte. Ich ballte meine Fäuste, achtete jedoch sehr darauf, dass mein Gesicht nichts von meiner Stimmung ausdrückte.

Ich brauchte etwas Beruhigung. Auf meinen feuerroten, 12 cm hohen Highheels - auch eine Entscheidung von mir - lief ich auf die Toilette zu. Um mich herum liefen lauter wichtige Leute in schicken Ballroben, die zur Orchestermusik tanzten. Das Orchester selbst spielte live auf einer eigens hergerichteten Empore. Wie ich dieses ganze Getue hier doch verabscheute!

Drinnen angekommen legte ich meine Hand an die Türklinke und ließ sie heiß werden, damit niemand hereinkommen konnte. Ich war ein Kind des Feuers. Deshalb der ganze Aufstand um mich. Deshalb durfte ich mir nicht aussuchen, was ich trug. Meine Mutter hatte entschieden, dass mein Kleid mich repräsentieren sollte.

Als seien meine Haare nicht ausdrucksstark genug. Ich musterte mich im Spiegel.

Meine feuerroten Haare hingen platt herunter. Meine Mutter hatte entschieden, dass es für den Anlass zu ordinär war, wenn sie sich so wie in ihrer normalen Form kringelten.

Ich fühlte mich ganz fremd, wie ein Anziehpuppe, die zuerst gegen ihren Willen angezogen, dann zurechtgemacht und schließlich an einen Ort gebracht wurde, an dem sie nicht sein wollte.

Meine Atmung beschleunigte sich gegen meinen Willen. Ich war am Durchdrehen.

Beruhigung. Ich brauchte Beruhigung. Zitternd legte ich meine Hände in das Waschbecken. Ich ließ etwas Energie in das Becken fließen und ein kleines Feuer flammte auf. Genüsslich schloss ich die Augen, als das Feuer mich willkommen hieß und mich tröstete.

Kurze Zeit später klopfte es harsch an die Tür. Widerstrebend löschte ich die Flammen und machte die Tür auf. Ich blickte meiner Mutter ins Gesicht.

"Adora, was treibst du hier?! Hast du meine Anweisungen etwa missverstanden? Du sollst dich unters Volk mischen! Den Anschein geben, dass du dich amüsierst!"

Ich knirschte mit den Zähnen. "Mutter - "

"Schweig! Worauf wartest du denn noch?! Los!"

Ich schluckte und trat dann an meiner Mutter vorbei. Sie würde mich nie verstehen. Sie versuchte es noch nicht einmal. Das Einzige, das sie machte war, aus meiner Gabe Profit zu schlagen. Zutiefst missverstanden ging ich zur Tanzfläche. Ich setzte mein unechtes Lächeln, das mich Tag für Tag begleitete auf, aber ich versuchte gleichzeitig die Tränen, die in meinen Augen glänzten zu verbergen. Ich tanzte für mein Leben gern, aber es würde niemand wagen, mich aufzufordern und mit diesen Leuten würde ich niemals in meinem Leben freiwillig tanzen wollen.

AdoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt