Ich spürte, wie sich die Metallfesseln enger um meine Arme schlossen. Der kalte Stahl scheuerte an meinen knochigen Gelenken. Ich versuchte mich mit aller Kraft loszureißen, doch das führte nur dazu, dass sich die Fesseln noch fester zusammenzogen. Nicht einmal mein kybernetischer Arm vermochte es, irgendetwas gegen die Technik von Hydra auszurichten. Panik ergriff mich. Ich wusste sehr genau, welche unerträglichen Schmerzen auf mich zukamen. Doch diese waren nicht das Schlimmste an der Sache. Ein Soldat war hart im Nehmen. Was ich noch viel mehr fürchtete, war die Tatsache, dass ich mich nach dieser schmerzlich bekannten Prozedur wieder einmal an nichts mehr erinnern würde können. Gerade erst hatte mein Gegner seltsam vertraute Erinnerungen in mir wachgerufen.
Ich kannte ihn. Ich wusste nicht, woher, aber ich wusste, dass ich ihn kannte.
Ich war nicht bereit, diese Anhaltspunkte, und waren sie noch so gering, schon wieder aufzugeben.
Doch Hydra würde mir wieder und wieder mein Leben nehmen, meine Identität, alles, was mich ausmachte, solange ich der Winter Soldier, ihre Geheimwaffe war. Das erschreckte mich mehr als alles andere. Und ich war wieder einmal machtlos. Schon erschien einer der schwarz uniformierten Männer vor mir. Grob schob er mir einen harten Gegenstand in den Mund, der an meinen Mundwinkeln unangenehm scheuerte. Ich sollte darauf beißen, damit meine Schmerzensschreie nicht so laut wären. Was hatte ich nur getan, um diese Hölle zu verdienen? Ich wurde noch fester in den Stuhl gedrückt. Kalte Angst packte mich. Die surrenden Geräte senkten sich langsam auf meinen Kopf hinab. Meine Pupillen weiteten sich in Panik. Immer näher kamen die Folterinstrumente. Ich atmete flach. Nur noch wenige Zentimeter und die Elektrizität würde in meinen Kopf eindringen und mich unter Qualen rekalibrieren.
Ich schloss die Augen. Mein Atem ging stoßweise. Mein Herz raste. Jeder Muskel in meinem Körper spannte sich an. Ich verkrampfte mich, biss die Zähne zusammen. Und dann begann mein Kopf zu explodieren...Schweißgebadet fuhr ich auf meiner Pritsche hoch. Mein Puls war auf 180. Ich schnappte panisch nach Luft.
Es war nur ein Traum. Es ist vorbei, Bucky. Sie können dir nichts mehr anhaben.
Langsam setzte ich mich auf, fuhr mir durch die langen, verschwitzten Haare und barg meinen Kopf in meinen Händen. Nur langsam beruhigte sich mein Puls, während das Adrenalin schwand. Ich versuchte, alle Erinnerungen aus meinem Kopf zu verbannen und mich ganz auf meine Atmung zu konzentrieren, doch es gelang mir nicht so recht. Das Trauma saß zu tief.
Entnervt stand ich auf und wankte auf das kleine, metallene Waschbecken zu.
Das Kabäuschen, in dem ich vorübergehend lebte, war nicht besonders luxuriös, doch als Mann, der einen Weltkrieg miterlebt hatte, war das mein geringstes Problem und zudem war mein Aufenthaltsort gut versteckt. Hydra konnte mir hier nichts anhaben. Zumindest hoffte ich das.
Ich wusch mir sorgfältig den Schweiß von Gesicht und Oberkörper ab. Das Gefühl von kaltem Wasser auf meiner nackten Haut erfrischte mich und ließ mich wieder etwas klarer denken. Schließlich stützte ich mich erschöpft auf dem matten Metall ab und betrachtete die vornübergebeugte Gestalt im Spiegel.
Mein Name ist Bucky Barnes. Ich wurde am 10. März 1917 in Brooklyn geboren. Ich habe im zweiten Weltkrieg unter Captain America in den Howling Commandos gedient. Ich war ein Sergeant. Captain America ist eigentlich Steve Rogers, mein bester Freund. Ich wollte ihn töten. Er war meine Mission. Ich habe beinahe meinen besten Freund ermordet...
Ich atmete schwer. Die müden Augen, die mich im Spiegel anblickten, erschienen mir fremd. Ich war nicht mehr der Sergeant James Buchanan Barnes von früher. Hydra hatte mich zu einem Monster gemacht. Angewidert strich ich über meinen Metallarm, auf dem der aufdringliche, rote Sowjetstern zu sehen war. Ich wollte nicht mehr der Winter Soldier sein. Aber von der Person, die ich davor gewesen war, war nicht mehr viel übrig. Das einzige, was ich über mich wusste, hatte ich mir bei einem Besuch im Smithsonian Museum in der patriotischen Captain-America-Ausstellung aneignen müssen. Und da ich nun einmal nicht im Fokus dieses Museums stand, war das nicht besonders viel.
Doch das wenige, was ich herausgefunden hatte, sagte ich mir immer wieder auf, wie ein Mantra, um nicht ein Detail davon zu vergessen.Mein Name ist James Buchanan Barnes. Ich wurde am 10. März 1917 in Brooklyn geboren. Ich diente während des zweiten Weltkriegs als Sergeant im 107. Infanterie-Regiment und war Teil der Howling Commandos zusammen mit Steven Grant Rogers, Timothy "Dum Dum" Dugan, Jim Morita, Gabriel "Gabe" Jones, James Montgomery Falsworth, Jacques Dernier und Margaret "Peggy" Carter. Wir kämpften ursprünglich gegen die Nazis unter ihrem Führer Adolf Hitler, doch als sich Johann Schmidt von diesem lossagte, um mit Hydra alleine die Weltherrschaft anzustreben, wurde er als "Red Skull" eine weitaus größere Bedrohung. Red Skull konnte letztendlich von Captain America besiegt werden, doch Dr. Zola -
Zitternd hielt ich inne. Ich atmete tief durch. Der irre Doktor war Vergangenheit. Niemand konnte mir mehr etwas antun. Und wenn doch... Sollten sie es versuchen! Vielleicht war es ein guter Ansatz, meine Ängste in Wut umzuwandeln und so zu meinen Stärken zu machen. Grimmig fuhr ich in Gedanken fort.
... doch Dr. Zola entkam. Bei der Mission der Howling Commandos, auf einem Alpenpass den Zug zu infiltrieren, in dem der Mann fliehen wollte, wurde ich von einem Hydra-Agenten hinuntergestoßen und starb...
Oder irgendwie auch nicht...Es war zum Haareraufen. Es gab so viele Lücken in meiner Geschichte. Das, was ich in Erfahrung bringen konnte war auch nicht viel mehr als eine Art sachliche Biographie, die genauso gut einem Geschichtsbuch entnommen sein konnte. Ich hatte zwar einige lückenhafte Fakten über Barnes herausbekommen, doch diese Fakten sagten mir nicht, was für ein Mensch er - besser gesagt ich - gewesen war.
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was Bucky Barnes' Herz einst bewegt hatte. Ich wusste nicht, ob es ein Mädchen in seinem Leben gegeben hatte. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was Bucky in seiner Freizeit getrieben haben mochte. Gott, ich konnte mich ja nicht einmal an meine Lieblingsfarbe erinnern.
Ich stieß ein genervtes Schnauben aus. Ich hatte so viele Fragen, doch alle, die mir Antworten hätten geben können, waren längst tot. Man hatte mir nicht nur meine Identität genommen, sondern auch meine Zeit, jeglichen Anhaltspunkt. Alle, die Bucky Barnes vielleicht in irgendeiner Weise nahegestanden waren, weilten mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr unter den Lebenden. Alle, außer...Sei nicht albern, Buck. Du wolltest ihn umbringen. Warum sollte er dir helfen?!
Er hat sich geweigert, gegen dich zu kämpfen. Er hat seinen Schild weggeworfen. Es muss ihm noch immer etwas an dir liegen...
Ich seufzte. Die Unwissenheit quälte mich so sehr. Ich würde nie Ruhe finden, wenn ich auch nur irgendetwas unversucht lassen würde, um mehr zu erfahren.
Steve Rogers war mein einziger Anker in die Vergangenheit. Vielleicht war er meine einzige Chance.Frustriert schlug ich mit meinem Cyborg-Arm gegen den Spiegel. Es half alles nichts. So konnte es nicht weitergehen. Ich brauchte Antworten und ich wusste, was ich zu tun hatte, um sie zu bekommen.
Ich musste Steve Rogers finden.
Vielleicht konnte er mir sagen, wer zur Hölle Bucky Barnes war.
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𝐌𝐀𝐑𝐕𝐄𝐋𝐎𝐔𝐒 𝐌𝐈𝐍𝐃𝐒
Fanfiction❖ Eine bunte Sammlung verschiedenster MCU-One-Shots ❖ Die Avengers. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein, eines haben sie allerdings alle gemeinsam: Irgendwo in unseren Herzen haben wir einen Platz nur für sie reserviert. Doch was spielt sich wi...