"Epilog" - Teil 45

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George stand an der Küchenzeile und pfiff fröhlich vor sich hin. Ich rollte mich zur Seite und zog das Kopfkissen über den Kopf. Es half nichts, seine widerliche Fröhlichkeit drang selbst durch das muffige Daunenkissen. Ich stöhnte, als mein Körper nach und nach feststellte, dass ich wach war. Die alte grüne Schlafcouch, auf der ich die letzten drei Nächte geschlafen hatte, wollte mich umbringen. Langsam drückte ich mich hoch und ignorierte den pochenden Schmerz, den die lose Sprungfeder der Couch in meinem Rücken hinterlassen hatte. Es war höchste Zeit, dieses Drecksloch zu verlassen. Als meine nackten Füße den Boden berührten, verzog ich das Gesicht. Der Boden war eiskalt. Hastig wickelte ich mich in meine Bettdecke ein und versuchte den ekeligen braunen Fleck unbekannten Ursprungs, der auf der Innenseite zum Vorschein kam, zu ignorieren. Wer wusste schon, was für Leute vor mir in diesem Bett gelegen hatten?

Es machte nicht den Eindruck, als würde Mrs. O'Reillie, die Besitzerin des Ferienhauses, jedes Mal putzen, wenn jemand neues einzog. George schien das alles nicht zu interessieren. Er stand noch immer an der Küchenzeile, flötete ein Liedchen und versuchte sich an einer neuen Version seines Tofu Rühreis, für das er sich rühmte.

Auf Zehenspitzen schlich ich durch den Wohnraum, der auch als Küche und Schlafzimmer diente. Mit einem Scheppern stieß ich mit dem rechten Fuß gegen den Ascheeimer am Kamin. Ich unterdrückte ein Stöhnen und zuckte zusammen.

»Guten Morgen«, sagte George und drehte sich zu mir um, »ich habe mich schon gefragt, ob du gar nicht mehr aufstehen möchtest.«

»Muss mal«, erwiderte ich und deutete aus dem Fenster zu der kleinen Holzhütte. Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg ich mit meinen nackten Füßen in die Gummistiefel, die mir drei Nummern zu groß waren und stieß die Tür auf. Die Scharniere knarrten und mich umfing die irische Morgenluft. Wäre mein Aufenthalt hier ein Urlaub gewesen und keine Geiselnahme, dann hätte ich die grünen Weiten der irischen Landschaft genossen. Der Nebel und der Tau auf den Grashalmen, verwandelten mein Exil in ein Märchenland.

Mit dumpfen Schritten und schlackernden Gummistiefeln eilte ich zum Toilettenhäuschen. Ein Stillesörtchen außerhalb der Unterkunft und ohne fließendes Wasser, war eine besonders kreative Art der Folter. Ich stieß die Tür des Häuschens auf und fluchte.

Über das verwitterte Holz der Latrine kroch eine fette, braune Nacktschnecke. Ihre Schleimspur glitzerte im Licht der vergilbten Glühlampe. Man musste es George lassen, er hatte es wirklich geschafft, einen Ort am hintersten Ende der Welt zu finden. Der Strom kam von einem kleinen Generator im Schuppen nebenan, den George nur im Notfall anstellte. Eine Festnetzleitung gab es nicht, ganz zu schweigen von einer Internetverbindung. Es war zum Verrücktwerden. Doch ich hatte noch nicht aufgegeben. Ich zog meine Rettung in Form eines kleinen grauen Telefons aus der Tamponbox heraus. Ein besseres und sicheres Versteck hatte ich für das Handy nicht finden können. Ich bezweifelte, dass George je auf die Idee kam dort nach Schmuggelware zu suchen. Seit wir aus Simons Bay geflohen waren, hatte er mir jeglichen Kontakt zur Außenwelt verboten. Das würde sich jetzt ändern. Das Gerät war ein Urgestein und passte zu der Omi, der ich es an einer Raststätte aus der Tasche geklaut hatte. Mein schlechtes Gewissen zwickte mich boshaft, doch verzweifelte Umstände erforderten verzweifelte Taten. Ich drückte auf die grüne Taste und der Bildschirm begann zu leuchten. Das Telefon war nicht passwortgeschützt, doch die Batterie hatte nur noch einen Balken und der Empfang gar keinen. Ich fluchte.

Ich hielt das Handy in die Höhe und suchte die Ecken des Klohauses nach Empfang ab. Kurz blitzte ein Balken auf und mein Atem stockte. Ich kletterte auf die Klobrille und stütze mich mit einer Hand an der Wand ab, um die hinterste Ecke des Häuschens zu erreichen. Da war er wieder, der Balken.

Für ein Telefonat, vor allem ein Ferngespräch, würde es nicht reichen, aber eine SMS hatte gute Chancen durchzukommen. Das hoffte ich jedenfalls. Dieses antiquierte Stück Technologie war meine letzte Rettung.

Die einzige Nummer, die ich auswendig kannte, war Izzies und so tippte ich eine kurze Nachricht. Mir ausgestreckter Hand balancierte ich auf der Klobrille und drückte auf senden. Wenn alles lief, wie ich es geplant hatte, würde schon in wenigen Tagen ein Rettungskommando vor der Tür des Cottages stehen. In meinem Verstand entstand die Szene, wie ich weg von George und in die Arme meines Retters lief. Mein Befreier hatte breite Schultern, strubbeliges schwarzes Haar und silberne Augen. Ty! - seufzte ich und sandte einen Gedanken in das Nichts, in der Hoffnung, dass er mich hörte.

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Hallo liebe Leserinnen und Leser,

ich kann euch gar nicht sagen, wie glücklich es mich macht, dass ihr meine Geschichte bis zum Ende gelesen habt. Ich bin so dankbar für eure netten Kommentare und eure Votes. Ich weiß, das offene Ende ist gemein, aber Tys und Mias Geschichte ist natürlich noch nicht zu Ende. Wenn die Geschichte viele begeisterte Leser findet, gibt es auch bald einen zweiten Teil.

Vielen Dank und ganz liebe Grüße von mir,

Juno

Under water - Das Einmaleins für Meerjungfrauen Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt