Langsam öffne ich die Lider. Meine Arme, die ausgestreckt auf dem Boden liegen, fühlen die feine Asche. Noch immer liege ich im Wald.
Mein Blick ist starr auf den Himmel gerichtet. Ich sehe dort keine Sterne, keinen Mond und keine Sonne. Ob ein Gewitter aufzieht? Nein, ich habe hier noch nie ein Gewitter erlebt, bei dem nicht mal ein Lüftchen weht und Totenstille herrscht.
Ich erinnere mich an den Kampf gegen die Äste, die mich und Kaja verfolgt hatten. Vorsichtig und fast geräuschlos erhebe ich mich, wobei ich feststellen muss, dass mir immer noch leicht schwindelig ist. Dennoch sind meine wackeligen Beine stark genug, um mich aufrecht zu halten.
Meine Augen tasten alle Richtungen ab, jedoch können sie nichts bedrohliches finden. Die Gefahr scheint vorüber zu sein. Nun gleitet mein Blick von meinem Oberkörper hinab bis zu den Füßen. Erschrocken merke ich, dass ich meine Beine nicht sehen kann. Die Dunkelheit scheint sie verschluckt zu haben. Es ist wie ein dichter, schwarzer Nebel, indem man kaum noch seine eigenen Hände sehen kann.
Zum Glück habe ich noch die Taschenlampe bei mir. Sie mitzunehmen hat sich nun doch als gute Idee von Kaja heraus gestellt. Wo ist meine Freundin eigentlich? "Kaja!", flüstere ich und leuchte dabei mit dem Licht in die Dunkelheit. Besonders weit sehe ich damit nicht. Hoffentlich ist sie noch in meiner Nähe.
Ich muss zugeben, dass ich es mit der Angst zu tun bekomme. Das muss schon etwas heißen, denn normalerweise bin ich furchtlos. Nun läuft mir ein eiskalter Schauer den Rücken herunter. Es ist, wie wenn ich in Mitten eines Horrorfilmes wäre. Diese konnten mir nie gruselig genug sein. Einmal bin ich sogar im Mittelteil eingeschlafen. Beim Filme schauen muss man allerdings nicht um sein Leben fürchten.
Plötzlich sehe ich zwei Augen aufblitzen, wie die einer Katze in der Nacht. Erschrocken springe ich eine Satz zurück, als würde mich gleich ein Raubtier anfallen.
"Beruhige dich Lilly! Ich bin's nur, Kaja", murmelt meine Freundin: "Endlich bist du aufgewacht. Du warst zwar nur eine Stunde ohnmächtig, aber mir kam es vor, wie eine Ewigkeit. Du hast ja keine Ahnung, wie es ist, völlig alleine im Dunkeln hier zu sitzen. Zum Glück haben sich wenigstens die schwarzen Äste zurück gezogen."
"Oh doch, glaub mir, ich weiß genau wie das ist!", versichere ich. Neckisch fragt Kaja: "Soll das etwa heißen du hast Angst?" "Ja, habe ich. Im Gegensatz zu dir gebe ich das wenigstens zu", antworte ich. Kaja lässt es auf sich beruhen und meint hastig: "Jaja, schon gut. Jetzt ist keine Zeit für Diskussionen. Lass und endlich einen Ausweg finden! Wie viel Uhr haben wir eigentlich?" "Was interessiert dich jetzt die Uhrzeit? Los, lass uns in irgendeine Richtung gehen!", sage ich mit einem ungeduldigen Unterton.
Kaja reagiert nicht darauf und zieht ihr Handy aus der Jackentasche. "Es ist sieben Uhr früh. Eigentlich müsste die Sonne längst aufgegangen sein", meint Kaja skeptisch. "Was, so spät schon! Ich hätte gedacht, es wäre noch Nacht. Irgendetwas stimmt so ganz und gar nicht. Auch sollte es mindestens 30 Grad haben. Mir ist nämlich eiskalt, trotz Jacke und langer Hose", meine ich und finde das Ganze auch merkwürdig. "Lilly, wir finden hier nie wieder heraus. Die Äste werden uns köpfen und zerquetschen!", sagt Kaja mit weinerlicher Stimme. Die Angst steht ihr ins Gesicht geschrieben. Um meine Freundin zu beruhigen, spreche ich ein paar aufmunternde Worte: "Kaja, sei doch nicht gleich so pessimistisch. Das Geäst ist schon lange verschwunden und irgendeinen Ausweg gibt es immer. Der Wald ist nicht unendlich groß. Außerdem sind wir immer noch zu Zweit." "Na toll, dann nenne mir doch deine Idee. Ziellos in irgendeine Richtung zu laufen wäre nämlich sinnlos", meint Kaja mit einem zweifelden Blick und Tränen in den Augen. "Hast ja Recht....hmm....Eigentlich habe ich sogar eine Idee. Einer von uns klettert an die Spitze eines der größeren Baumstämme und sieht nach in welcher Richtung es am schnellsten aus dem Wald geht", schlage ich vor. "Bist du wahnsinnig! Was ist, wenn der kaputte Baum deinem Gewicht nicht stand hält und umfällt. Durch das Feuer ist das Holz sehr porös geworden", bestreitet Kaja. "Du musst da ja nicht rauf klettern. Das mach ich", erwidere ich fest von meinem Plan überzeugt. "Und was mach ich, wenn du dabei drauf gehst? Dann bin ich ganz alleine", meint Kaja. "Das ist nunmal der einzige Schlüssel zum Tor aus dem finsteren Wald, Kaja. Oder hast du noch einen Vorschlag?", frage ich. "Nein", sagt Kaja trocken und schweigt.
Mit beiden Taschenlampen leuchten nun wir in den schwarzen Nebel. Baumstämme gibt es hier genug, aber das Licht der Lampen reicht nicht bis nach oben an das Ende des Baumes. Der dunkle Schleier ist zu dicht. Mit dem Fuß trete ich gegen einen der Stämme. Dieser sieht jedoch nicht stabil aus. Er bricht schon in der Mitte auseinander. Der Zweite hält meinen Schlägen stand. "Ok, den nehme ich. Es ist zwar nicht sicher, dass der abgebrannte Baum mich aushält, aber ich muss es versuchen", beschließe ich. Kaja legt ihre Arme sanft um mich. "Lilly sei bitte vorsichtig und beeile dich!", haucht sie mir ins Ohr. "Bin in Zehn Sekunden wieder da", flüstere ich zurück.
Ich nehme einen kräftigen Atemzug und setze den ersten Fuß an den Stamm. Er is Rau und aus ihm ragen ein paar abgebrochene Zweige, was mir einen Vorteil verschafft. Für senkrechtes Aufwärtsklettern sind aber eher Affen geschaffen. Vor allem ist das das erste mal, dass ich einen Baum besteige.
Während ich den Stamm bezwinge, klammert sich Kaja zitternd an ihn und schaut zu mir hinauf. Das Klettern ist gar nicht so einfach, wie ich dachte und unvergleichbar mit einer Kletterhalle. Immer wieder spähe ich in die Dunkelheit hinein, ob nicht doch etwas Böses auf mich lauert. Wie hoch ist der Baum eigentlich? Ich bin schon ein gutes Stück voran gekommen. Wenn ich nach oben blicke, erscheint mir immer noch tiefe Schwärze. Bin ich froh, dass man wegen dem Nebel den Boden nicht sehen kann. Die Stämme sind bestimmt 20 Meter groß oder noch größer? Ich habe keine Ahnung.
Es knackt etwas! Vorsichtig ziehe ich mich mit meinen zwei Armen weiter hinauf. Der Ast, an dem ich mich festhalte bricht. Ein lauter Schrei rutscht mir heraus. Nur noch an einer kleinen Mulde im Stamm halte ich mich fest. "Lilly ist alles ok?", fragt meine Freundin. "Alles in Ordnung!", bejahe ich.
Ich versuche mich mit einem Arm hochzuziehen, jedoch schaffe ich es nicht. Meine Kraft ist zu gering. Die Mulde scheint mein Gewicht auszuhalten. Die Frage ist nur, wie lange noch? Mit meinen Füßen suche ich nach Halt an der rauen Rinde. Aber es ist nichts da, um mich mit meinen Beinen hochstämmen zu können. Ich strecke meine zweite Hand in Richtung Mulde, erreiche sie aber nicht. Meine Beine klemmen sich links und rechts neben den Stamm. Wenn dieser nicht so dick wäre, wäre es leichter. Meine Knie borren sich ebenfalls an die Rinde. Jetzt stemme ich mich langsam etwas hoch. Es sind nur ein paar Zentimeter, aber es reicht um die rettende Mulde auch mit der zweiten Hand erreichen zu können. Puh, geschafft. Mit beiden Arme kann ich mich nun hoch ziehen und erreiche den nächsten Ast.
Meine Kräfte gehen zu Ende. Ich möchte gar nicht mehr weiter klettern, aber ich muss. Wenn ich wenigstens wüsste, wie lange es noch aufwärts geht.
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Waldgeister - Der Dämon
FantasyDie 17-jährige Lillian wächst in einer Welt auf, in der es kaum noch Pflanzen gibt. Sie hat eigentlich ein ganz normales Leben, bis sie etwas über ihre Heilkräfte und die dunkle Vergangenheit der Menschheit erfährt. Seitdem ist einfach nichts mehr s...