Kapitel 6 - Misteriöser Angriff

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Schon um drei Uhr morgens erwache ich von meinem ruhigen Schlaf. Langsam krieche ich aus dem Bett von Kaja, die noch tief und fest schläft.

Die Bewegungen von unserer gemeinsamen Decke wecken sie jedoch. In der nächtlichen Dunkelheit sehe ich nun ihre zugekniffenen Augen hervor blitzen. "Entschuldigung Kaja, ich wollte dich nicht wecken", flüstere ich ihr zu. "Passt schon", meint Kaja.

Leise schleiche ich über den Teppichboden bis zum Fenster. Vorsichtig öffne ich es und strecke meinen Kopf in das Freie. Eine leichte, warme Briese weht durch meine langen Haare. Ich sehe eine enge Straße und viele aneinander gereihte Hochhäuser. Meine Freundin Kaja wohnt mit ihren Eltern im Erdgeschoss eines Hauses mit 10 Stockwerken. Manchmal kann man die Mitbewohner oberhalb hören. Bei mir Zuhause war das ganz anders. Wir wohnten am Rande der Stadt in einem Haus mit drei Stockwerken für uns ganz alleine.

"Kaja, bist du noch wach?", frage ich. "Ja, wieso?, antwortet meine Freundin. "Ich gehe ein bisschen nach draußen", flüstere ich, während ich mir schon meinen Schlafanzug ausziehe. "Warte, ich komm mit!", ruft Kaja mir fast ein bisschen zu laut zu. "Ok, aber sei still, sonst weckst du noch deine Eltern auf", erwidere ich leisen Wortes. "Ja, ich hole nur noch kurz zwei Taschenlampen", flüstert Kaja. Da kann ich mir eine hämische Bemerkung nicht unterdrücken: "Wieso, hast du etwa Angst im dunkeln?" "Nein, so sehen wir halt mehr", erwidert Kaja, während ihr Kopf schon Feuerrot anläuft.

Meine Freundin ist in manchen Dingen etwas ängstlich und kann es gar nicht ausstehen, wenn jemand darüber lacht. Ich denke, dass ihr das peinlich ist.

Nach einem kurzen grimmigen Blick, lockern sich ihre Gesichtszüge wieder. "Ich weiß schon, du willst mich nur ärgern. Aber das funktioniert bei mir nicht!", sagt Kaja mit einem siegessicheren Grinsen und verschränkten Armen. "Schade, von mir lässt du dich nicht mehr ärgern. Da muss ich mir dringend etwas Neues einfallen lassen!", erwidere ich mit einem fiesen Grinsen. Natürlich ignoriert Kaja meine Ansage und ist der Meinung, dass ich sie nicht foppen oder ärgern kann. Sie wird schon noch merken, dass sie sich dabei getäuscht.

Vorsichtig klettern wir durch Kajas Zimmerfenster auf den schmalen, mit Lampen erleuchteten Geweg.

"Wohin willst du denn?", fragt meine Freundin. "Zum Wald", antworte ich. "Etwa mitten in der Nacht, wenn es dunkel ist? Da sind doch eh nur abgebrannte Bäume. Oh je, wenn einer umfällt und wir gerade darunter stehen!", meint Kaja etwas ängstlich. "Ja, und wenn Monster kommen und deine Seele fressen!", antworte ich mit satanistischer Stimme, die Taschenlampe unter dem Kinn haltend. Kaja zuckt zusammen mit einem entsetzten Gesichtsausdruck. Daraufhin kichere ich belustigt. "Haha, sehr witzig. Und ich lasse dich unter dem Baum liegen. Dann fressen dich die Würmer! Muhahaha!", erwidert Kaja mit einem bösen Lachen. "Iiih! Und wie willst du ohne mich den mörderischen Unterricht von Fr. Isele überleben?", frage ich entsetzt. "Oh, stimmt, dann brauche ich dich wohl doch noch", kichert Kaja. Daraufhin prusten wir beide lauthals los.

Ich kann es gar nicht glauben. Drei Tage nach Papas Tod lache ich schon wieder. Kaja ist einfach die beste Freundin, die man sich wünschen kann. Sie lässt mich sogar das größte Unheil vergessen.

Vom Bahnhof aus geht es mit dem Zug quer durch die Stadt. Nach einer guten Stunde erreichen wir das Ende der unendlich lang wirkenden Häuserkette. Über eine Wiese geht es in Richtung Wald.

Während Kaja und ich den Wald betreten und uns immer tiefer in ihn hinein wagen, lassen mich meine Gedanken die Angst vor der Dunkelheit völlig vergessen. Nichts hat sich verändert. Die Asche bedeckt noch immer den einst mit Moos und Pilzen bewachsenen Boden. Vor dem Brand war die Luft mit angenehmer Frische und einem leicht modrigem Duft erfüllt. Jetzt riecht es, obwohl das Feuer seit drei Tagen erloschen ist, immer noch nach Rauch. Ein Ort zum wohlfühlen und entspannen ist der Wald für mich nicht mehr. Warum möchte ich nur immer wieder hierher zurückkehren? Die Worte des Waldgeistes schwirren mir wieder durch den Kopf. Ich muss den letzten Wald auf der Erde retten, sonst wird alles Leben auf der Erde sterben. Aber der Urwald ist bereits abgebrannt, zu spät um ihn noch retten zu können. Es wird mehrere Jahrhunderte dauern, bis auch nur ein kleiner Teil der Bäume und Pflanzen wieder nach gewachsen ist. Ohnehin hätte ich nicht gewusst, wie ich die Menschen vor der Vernichtung des Waldes abhalten hätte können. Ich vermisse das Vogelgezwitscher, den frischen Duft und den weichen Waldboden. Aber wer weiß, vielleicht ist es doch noch nicht zu spät. Als ich das letzte mal hier war, konnte ich das Gras wachsen lassen. Vielleicht schaffe ich es, ganze Bäume wachsen zu lassen. Zumindest muss ich es versuchen. Nun ja, es erscheint mir unmöglich, das so etwas funktionieren könnte. Angesichts der Tatsache, das meine Heilkräfte auch nicht existieren dürften, glaube ich, dass es auch möglich ist den Wald zu heilen.

Waldgeister - Der DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt