[Acht]

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,,Mit jemandem zu argumentieren, der die Vernunft ablehnt, ist wie die Verabreichung von Medizin an Tote."

Thomas Paine

Ich sah zu Ria. Ihr Gesicht war gen Himmel gerichtet und ihre Augen reflektierten die Sterne. Sie funkelten so schön. Eine schwarzen Strähne fiel leicht nach vorne und ihre dünne Bekleidung bewegte sich im Wind. Wieder fragte ich mich, ob sie nicht frierte und wieder fiel mir ein, dass sie tot war; dass ihr Herz nicht mehr schlug und es ihr Blut nicht mehr durch ihre Adern pumpte.
Und wenn man Ria so ansah, sah man nicht, dass sie gestorben war. Man sah ein Lebensfrohes, blasses Mädchen, das im Dunkeln leicht leuchtete und dessen Kleidung ziemlich dünn für dieses Wetter war.

Sie hatte anscheinend bemerkt, dass ich sie beobachtet hatte. Sie sah zu mir hinüber. Schnell sah ich wieder zu den Sternen hinauf und tat so,als hätte ich sie nicht beobachtet. Mir war vollkommen klar, dass sie das wusste - ich wusste aber auch, dass ich das nicht so schnell zugegeben hätte.
Sie sah zu Boden und schwieg; sie sah so aus,als wenn sie über etwas nachdachte. Sie atmete einmal tief ein, aus und schloss ihre Augen.

,,Glaubst Du mir?" Mit dieser Frage hatte ich schon gerechnet, jedoch wollte ich ihr darauf keine Antwort geben. Mein Herz schrie die Antwort, die sie sich wünschte, mein Kopf aber, stimmte dem immer noch nicht vollständig zu. Ich spürte, wie die kalte Luft bei jedem Atemzug meine Lungen füllte. Sogar bei diesem bisschen Licht konnte ich die Wölkchen erkennen, die mein Atem auslößte. Ich rieb mir die Hände. Währenddessen nickte Ria traurig. Sie hatte es verstanden. ,,Habe ich mir gedacht", sagte Ria und wirkte ein wenig verzweifelt. Ich sah sie von der Seite entschuldigend an. Ich wusste nicht, was ich auch hätte sagen sollen. Schließlich begriff ich nicht, warum es so wichtig war, dass ich ihr glaubte.
,,Schon gut", meinte sie. Jedoch war es nichtgut, wie sie es nannte.
Einige Minuten des Schweigens herrschten, bis sie dann fragte:

,,Machst Du Dir denn keine Gedanken, dass Du vielleicht immer hier bleiben musst?"

,,Meine Lehrerin wird mich so schnell nicht holen kommen - so lange, bis meine Eltern bei der Schule anrufen und sie kommen müssen."

,,Meinst Du, das tun Deine Eltern?"

,,Ich glaube, dass meine Eltern mich lieben, obwohl sie derzeit ein wenig im Stress sind. Deshalb glaube ich, dass es ihnen irgendwann auffallen wird. Also, Ja." Ria lächelte leicht traurig.

,,Liebe", flüsterte sie in den Wind. Leise genug, dass ich es fast überhört hätte. Es klang nach Sehnsucht.
,,Inwiefern Stress?"Lenkte sie schnell ab, nachdem sie hastig den Kopf schüttelte.
,,Sie wollen sich scheiden lassen. Also meine Mutter und mein Vater. Sie haben sich auseinander gelebt und dadurch öfter gestritten. Zurück bleibe ich. Ich bin mir überhaupt nicht sicher, zu wem ich gehen soll, wenn sie nicht mehr zusammen wohnen."
,,Scheiden lassen, was heißt das?"
,,Du weißt nicht, was das ist?" Ein wenig entgeistert sah ich sie an.
,,Ja"
,,Ja also Nein, ich weiß es nicht oder Ja also Ja, ich kenne die Wörter?"
,,Nein, ich kenne diesen Begriff nicht."
,,Ach so. Okay. Es bedeutet, dass die Ehepartner sich trennen wollen."
,,Also wie in 'den Bund der Ehe auflösen' ? Das gibt es?"
,,Ja, Ria. Das gibt es. Wie kommt es, dass Du es nicht kennst?" Interessiert sah ich sie an und wartete auf eine Antwort.
,,Ich bin schon einige Jahre tot, Elias. Die Leute, die hier herkommen, unterhalten sich eher weniger über so was. Selbst wenn, könnte ich sie nicht fragen, was das bedeutet. Ich kann mich nicht mit ihnen unterhalten - ganz anders als mit dir." Okay, ergab Sinn.
,,Und Du darfst dann wählen, zu wem Du gehst - also bei wem Du lebst?"
,,Ja, genau. Ich entscheide dann, ob ich bei meiner Mutter oder bei meinem Vater wohne."
,,Aha."  Sie sah sich um. ,,Was suchst Du?", fragte ich sie und beobachtete sie dabei, wie sie aufstand und hinter einem Baum verschwand. Ihr leichtes Licht wurde weniger, bis ich es gar nicht mehr sah. ,,Ria?" Nichts. Keine Antwort. Als ich gerade aufgestanden war und sie suchen gehen wollte, kam sie auch schon wieder. Zumindest sah ich ihr Licht, das näher kam. Bis sie wieder vor mir stand, war mir nicht aufgefallen, dass ich die Luft angehalten hatte. Ich atmete erleichtert aus und bemerkte dann, dass sie etwas in ihrer Hand hatte.

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Das MoormädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt