[Vier]

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,,Wenn du herausfinden möchtest, wer dich beherrscht, finde einfach heraus, wen du nicht kritisieren darfst."

Wird Voltaire zugeschrieben

Als Frau Bohlters anfing zu sprechen, hatte ich schon längst nicht mehr zugehört. Ich habe einfach abgeschaltet; es war mit nicht sonderlich wichtig, was sie zu sagen hatte. Ich sah an ihr vorbei. Plötzlich sah ich einen Schatten in meinen Augenwinkeln. Er bewegte sich schnell. Der Schatten war nun viel interessanter, als der Monolog von Frau Bohlters. Ich drehte meinen Kopf in Richtung des Schattens. Ein Huschen. Weg war er. Wo war er hin? Und noch viel wichtiger: Was war das?

,,Hast Du mir nicht zugehört, Elias?!"

,,Aber sicher doch, Frau Bohlters. Es wird nicht noch einmal vorkommen."

Sie wusste, dass ich nicht zugehört hatte. Sie wusste auch, dass ich mit den Gedanken gerade wo anders war; Hatte ich mir das nur eingebildet, oder war das real? Wahrscheinlich nur Einbildung, so dachte ich zumindest. So lange, bis ich diesen Schatten schon wieder in den Augenwinkeln sah. Diesmal war der Schatten größer. Näher.
Ein leichter kalter Schauer kroch mir den Rücken runter. Verdammt, ich werde noch paranoid!

Frau Bohlters holte mich wieder zurück ins hier und jetzt, als sie mit ihren Fingern vor meinem Gesicht rumschnipste.

,,Hallo! Elias!" Ich schüttelte leicht meinen Kopf und sah dann in die Augen von Frau Bohlters. Sie war größer als ich und hätte sich zu mir heruntergebeugt. Ich konnte ihren Atem spüren und riechen; so nah war sie mir! Aber egal wie sehr ich diese Frau hasste; ihr Atem roch immer nach Minze.
,,Schau mir nicht in die Augen", flüsterte sie mir zu. Nicht, dass sie meinen Blick nicht standhalten konnte, doch sie wollte von ihren Schülern ein unterwürfiges Verhalten, das sie von mir nicht bekam. Das war wahrscheinlich auch der Grund, weshalb sie mich so hasste. Ich sah ihr weiter in die Augen. Man konnte es sich wie ein Blickduell vorstellen: Wer zuerst blinzelte, hatte verloren.
Es hätte Minuten dauern können, bis einer von uns aufgegeben hätte. Da Ben das nicht riskieren wollte, lenkte er, mit der Frage, wie spät es war, ab. Frau Bohlters sah auf ihre Uhr- somit hatte ich gewonnen. Innerlich freute ich mich wie ein kleines Kind. Nach Außen hin, schien ich gefasst zu sein.

,,Dreiviertel Vier. Aber Ben, Du hast doch eine Uhr um."

,,Oh, tut mir leid, das habe ich total vergessen. Um wie viel Uhr treffen wir uns noch einmal?"

,,Wir treffen uns um Viertel nach Vier."

,,Okay, Danke, Frau Bohlters. Ich denke, Elias und ich sollten uns weiter umschauen. Wir sollten Ja auch was lernen", Ben sah zu mir rüber. Ich nickte leicht.

,,Ja, Du hast recht, Ben. Also: seid pünktlich!"

Wir nickten. Mir warf sie noch einen bösen Blick zu. Ich war mir sicher, dass wenn Blicke töten könnte, ich mit einem Herzinfakt umgefallen wäre.
Wir entfernteten und von ihr. Gott, war ich darüber glücklich.

,,Du kannst es nicht lassen, richtig?"

,,Was meinst Du?"

,,Du kannst es nicht lassen, sie zu provozieren...", antwortete er meiner Frage.

,,Nope." Simpel, aber direkt. Ich zuckte mit den Schultern.
,,Ich habe nicht angefangen!", beteuerte ich.

,,Natürlich nicht." Für meinen Geschmack war da ein Hauch von Sarkasmus zu viel in seiner Stimme. Ich sah ihn schief von der Seite an.
,,Was?"

,,Dein ernst? Mit Dir kann man auch nicht ein einziges Gespräch führen, ohne dass Du Sarkasmus verwendest."

,,Hätte ich kein Sarkasmus verwenden sollen? Dann wäre es doch langweilig gewesen!" Ben und sein bisschen Sinn für Humor. Ich rollte mit den Augen.
,,Such ruhig weiter Dein Gehirn!" Wow. Das war hart. Kurz darauf fiel mir ein Konter ein:
,,Ich suche nicht mein Gehirn, ich bete zu Gott, dass er für Dich Hirne oder einen Steinen regnen lässt- hauptsache er trifft. Schließlich brauchst du nur noch einen Stein, bis zum perfekten Steinhaufen."
Bääm, gewonnen. Oder doch nicht?

,,Lieber einen Steinhaufen, als Stroh und Wasser. Wenn das Stroh in Deinem Schädel brennt, brauchst Du nur Deinen Kopf zu schütteln. So wird immerhin das bisschen, das Du in Deinem Kopf besitzt, nicht zur Asche."

Dann fingen wir beide herzlichst an zu lachen. Wir dissten uns gegenseitig- und es machte riesen Spaß. Was wäre das Leben ohne Späßchen? Richtig: Es wäre total langweilig.
Mir verging das Lachen, als ich mich beobachtet fühlte. Ich sah mich um; Nichts zu sehen, das mich beobachtete.

,,Naa, hat es Dir die Sprache verschlagen?", fragte Ben lachend.
,,Pscht!"
,,Was hast du-" Ich unterbrach ihn.
,,Halt doch mal die Klappe." Ben hörte schlagartig auf zu lachen. Verwirrt sah er mich an. Ich sah mich aufmerksam um. Dieses Gefühl der Beobachtung, ich wurde es nicht los.

,,Spürst du das?"

,,Was?", fragte Ben, deutlich angespannt.

,,Wir werden beobachtet."

,,Elias, das ist nicht witzig!" Ich hörte jemanden lachen. Es war aber niemand da. Ben und ich waren weit und breit die einzigen. Wo die anderen aus unserer Klasse gerade waren, wussten wir nicht.

,,Da! Hast du das Lachen gehört?!"

,,Nein, Elias."

,,Elias, Elias, Elias", eine Mädchenstimme rief meinen Namen. Es kam von rechts. Schnell sah ich in die Richtung.

,,Du hast es doch gehört? Sie ruft nach mir..."

,,Du verarscht mich doch! Mal im Ernst; lass den Scheiß!"

,,Ich verarsche Dich nicht, Ben. Ich meine es vollkommen ernst!"

,,Elias, Elias, Elias." Es fühlte sich an, als wenn sie mir meinen Namen ins Ohr hauchte. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich hatte Angst- ehrlich. Es war unheimlich.

,,Ey, ich hau' jetzt ab! Kuschel doch mit der imaginären Stimme!" Ich wollte rufen, er solle mich nicht alleine lassen. Aber ich war wie gelähmt. Mein Atem ging schnell. Mein Herz raste. Ich war unfähig, mich zu bewegen.
Als ich mich aus aus meiner Starre lösen konnte, war Ben bereits weit genug weg, dass ich ihn nicht sehen konnte. Ich schluckte schwer.

,,Elias, Elias, Elias." Sie schien sich wegzubewegen.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und folgte der Stimme.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und folgte der Stimme

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Das MoormädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt