[Zehn]

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Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.

Salvador Dali

Als ich heute morgen aufwachte, da war es erst sieben Uhr. Den restlichen gestrigen Tag hatte ich verschlafen. Meine Eltern sagten mir, als ich in Eile ins Bad gegangen war (die Schule begann bereits um kurz vor acht), dass ich nicht zur Schule müsse. Ich könne ausschlafen, sagten sie. Also schmiss ich meine Sachen auf meinen Wäschestuhl und legte mich zurück ins Bett. Doch ich konnte nicht schlafen, egal wie ich es versucht habe. Also atmete ich genervt aus und stand auf. Ich ging an meinen Schreibtisch, zog die Schublade auf und nahm ein Notizbuch heraus. Meine Großmutter hatte es mir vor Jahren zum Geburtstag geschenkt. Ich wusste nie, was ich darin reinschreiben sollte. Schließlich war ich nicht besonders begabt für so was. So viele Male wollte ich etwas hineinschreiben, so viele Male zerbrach ich mir den Kopf, doch nie kam etwas gescheites raus. Diesmal war es anders. Ich hatte einen seltsamen Traum: Es kam ein Mädchen darin vor, das dachte, es sei tot; Ben und Paul - ja sogar Frau Bohlters kamen darin vor. Schnell setzte ich mich wieder auf mein Bett und schrieb alles nieder, das mir einfiel. Natürlich erinnerte ich mich nicht mehr an jedes Wort, das Ria zu mir gesagt hatte. Der Kontext blieb der gleiche. Dieser Traum... Er fühlte sich so echt an, so dass es auch hätte tatsächlich passiert sein können.

Plötzlich, als ich den nächsten Satz in das blaue Notizbuch schreiben wollte, da klingelte mein Computer. Er stand auf meinem Schreibtisch, direkt vor meinem Bett. Seufzend stand ich auf und akzeptierte den Anrufer. Videoanruf. Toll, dachte ich. Ben und Paul waren am Apparat.
,,Elias, man. Bist Du Zuhause?", fragte Paul.
,,Hätte ich sonst annehmen können?", erwiderte ich und war am überlegen, ob er von heute auf morgen ein bisschen... Ich nenne es jetzt mal: ,,unüberlegt" geworden ist. Dann fiel mir jedoch ein, dass er immer so war.
,,Ach ja, stimmt."
,,Wie war es gestern?", fragte mich Ben und sah ernst in die Kamera.
,,Was meinst Du?"
,,Bohlters hat Dich im Moor vergessen. Du weißt schon, nachdem Du der Stimme gefolgt bist." Ich sah ihn mit großen Augen an. Ich war ein wenig verwirrt: War es nun real oder nicht? Ich dachte, dass ich es nur geträumt hatte. Andererseits: Warum sollten meine Eltern sonst sagen, ich könne Zuhause bleiben? Also bestimmt nicht wegen meine guten Noten. Aber, wenn alles real war, dann hatte Bohlters mich vergessen. Im Moor... Wie zur Hölle konnte man einer seiner Schüler vergessen? Haben sie mich nicht gesucht?

,,Doch, Bohlters hat Mika, Sohalia und mich zum Suchen losgeschickt. Aber Wir konnten Dich nicht finden. Du warst einfach weg... Wie vom Erdboden verschluckt." Upps, vielleicht hatte ich das laut ausgesprochen...
Mika war ein recht cooler Typ, jedoch war seine Frisur eine Katastrophe: glatte braune Haare und einen Pottschnitt.

,,Und da hat sie sich gedacht: Ach komm, lasst uns den nervigen Elias mal hier lassen. Da wird schon nichts passieren... Ernsthaft?!"

,,So ähnlich... Und ja, ich weiß, dass sie das eigentlich nicht durfte... Aber naja, da kann man nicht viel machen." Ich atmete einmal tief ein und aus. Um ganz schnell das Thema zu wechseln, fragte ich, ob Ben und Paul nicht zum Unterricht müssten.
,,Doch", erwiderte Paul, ,,aber wir haben gerade Pause."
,,Übrigens: Wir hatten eben Bohlters in Vertretung... Sie erlöst Dich nicht davon , dass Du den Aufsatz schreiben musst. Schließlich hättest Du ja heute viel Zeit und außerdem bist Du angeblich mit Absicht verschwunden. Extra, damit sie ärger bekommt." Ich lachte laut auf.

,,Will die mich verarschen?!", fragte ich ironisch und zog meine Augenbrauen hoch. Natürlich wollte sie mich verarschen! ,,Du kennst doch Bohlters..." ,,Ja..." Ich hörte, dass die Schulglocke erklang. ,,Wir müssen los. Wir sehen uns noch heute?", Ben war sich da nicht so sicher - das hörte ich raus.

,,Nein, morgen. Ich muss doch den Aufsatz schreiben", als ich das sagte, verdrehte ich meine Augen. ,,Okay", erwiderte er gehässig ,,Dann schreib mal schön." Bevor ich etwas erwidern konnte, sagte er ,,Bis dann",und legte auf. Arsch, dachte ich. Ich seufzte und wollte mich an den Aufsatz setzen, doch dann fiel mir auf, dass ich in der Zeit rein gar nichts über das Moor gelernt hatte. Und, anstatt fleißig zu googeln, stellte ich mir die Frage, ob Ria nicht nur eine Einbildung war, damit ich nicht alleine im Moor verharren musste. Und dann kam mir die Kette in den Sinn. Schnell rannte ich in den Flur und suchte meine Jacke. ,,Was machst Du da?", fragte meine Mutter mit in den Hüften gestemmten Armen. ,,Ich suche." ,,Und was?",,Meine Jacke." ,,Tja, die müsste im Wagen von Deinem Vater sein." Ich hörte auf zu suchen. ,,Wo?!", fragte ich entsetzt und sah sie dabei an. ,,Bei Deinem Vater im Auto." ,,Was macht die da?!" Wenn mein Vater bereits auf der Arbeit war, dann würde er sicherlich nicht vor zwanzig Uhr daheim sein. Sowas war mir klar. Auch, wenn ich nicht ganz verstand, wo er sich den ganzen Tag rumtrieb. Schließlich konnte er doch nicht so lange auf der Arbeit sein.

Ich wusste nicht warum, aber ich hatte ein großes Verlangen diese Kette zu sehen. Am besten vor heute Abend.

,,Mist"

,,Mist"

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Das MoormädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt