1 - Kellerkind, Buchwurm, Yukiko.

2.9K 91 7
                                    

Langsam schloss ich die Augen und atmete tief ein, suchte den Ruhepol in mir. "Yuki, was machst du da?" Dröhnte Es aus meinem Headset. Der Typ am anderen Ende war ungeduldig. Ein nerviger Mitspieler. Aber das hat man nunmal von Pugs. Spieler mit denen man nicht regelmäßig spielt. Sie verstehen einen nicht, selbst wenn man sich die Mühe machte es ihnen zu erklären. Kenma war ein guter Mitspieler. Ruhig, gelassen, konzentriert und vor allem wusste er was er tat. Aber er hatte Training. Also blieb mir nichts anderes übrig als mit diesem Kohlkopf von lausigem Krieger die nächste Quest zu bearbeiten. "Pennst du oder was?" Schweigend öffnete ich wieder meine Augen und ließ meine Finger kurz knacken. Kurz darauf flogen sie nur so über die Tastatur, lösten eine Skillkombination nach der nächsten aus und ließen den Schreihals am anderen Ende der a Leitung verstummen. Ich heilte seinen Charakter auf volles Leben, buffte ihn kurz bevor er seinen Burst ansetzte und tat daraufhin nichts weiter als ihn am Leben zu halten. Selten habe ich mit solch einem Idioten gespielt, der jeden Schaden des Gegners frisst. Eine Ausweichrolle ist ja auch solch ein Akt. Die eine Taste liegt ja auch Meilenweit entfernt.
Erleichtert atmete ich auf als der Boss endlich zu Boden ging. "Du bist echt gut. Hab selten jemanden gesehen der so viel Heilung raus haut." Ich konnte die Bewunderung in seiner Stimme tatsächlich hören. "Kein Ding. Man sieht sich.", antwortete ich ruhig und loggte mich aus. Ein Seufzer entwich meiner Kehle während ich das Headset abnahm und mich auf meinem Stuhl zurück lehnte. So viel zu einer entspannten Runde bevor ich meine Hausaufgaben erledige. Bei dem Gedanken an die Visage meines Englischlehrer verschlechterte sich meine Laune drastisch. Sicher war ich eine seiner Lieblinge im Unterricht. Jedoch bescherte einem dies mehr Arbeit als einen lieb war. Schüler die den Unterricht voran brachten werden natürlich häufiger zu einer Antwort aufgefordert. Ich schnaubte leise während ich mich erhob. Dann tappste ich hinüber zu meiner Tasche um meine Aufgaben aus zu kramen und mich an meinem Schreibtisch über die Bücher zu beugen. Das Dritte Jahr der High School hatte gerade erst begonnen. Warum also wurden wir bereits mit Aufgaben bombardiert? Als ich alles auf den Tisch fallen ließ und mich gerade setzen wollte, vibriert mein Handy auf der Tischplatte. 'Warum jetzt?', fragte ich mich innerlich. Auf dem Display ploppte eine Nachricht auf.

"Die Aufgaben schreibe ich morgen früh ab. Wenn du nichts zu tun hast, kannst du sie auch kopieren." Die Nachricht stammte von niemand anderem als der Klassenzicke Mira. Hübsches Gesicht, lackierte Nägel, blond gefärbte Haare, stets Schminke im Gesicht als käme sie gerade von einer Clownsparade. Seit ich in der Sommerschule zwischen dem ersten und zweiten Jahr aushalf, hing sie mir an der Backe. Seither war es eine meiner Aufgaben für Sie Hausaufgaben zu erledigen und ihr beim Lernen zu helfen. Kaum zu glauben, dass sie mittlerweile in meiner Klasse landete. Das ersparte mir die doppelte Arbeit.
Warum ich das mitmache? Nun ja. Pubertierende Jugendliche sind eine Plage. Komm einem Jungen zu nah, nimm am Literaturclub teil oder sei einfach nicht immer auf dem neuesten Stand wenn es um neuesten Klatsch und Tratsch geht, gegebenfalls auch alles zusammen und schnell sind Unruhe und Hänseleien deine Tagesordnung. Mira ist bei dieser Plage keine Ausnahme. Nur hat sie genug Einfluss auf andere um mir für die Zusatzarbeit ein ruhiges Schulleben zu ermöglichen.
Ein Preis den ich also gern zahlte.

Sofort legte ich das Handy wieder zur Seite um mich nicht weiter ablenken zu lassen. Antworten musste ich auf die Nachricht des blonden Püppchens nicht. Sie wusste, dass alles seine geregelte Wege gehen würde. Meine Aufmerksamkeit galt also ganz meinen Hausaufgaben und es dauerte knapp eine Stunde bis ich alles erledigt hatte. Arbeitsheft in Mathe, Kurvendiskussion. Englisch, ein Essay zur afrikanischen Wirtschaftslage und in Geschichte einen Lebenslauf der letzten chinesischen Königin. Dinge, die nicht unbedingt als wichtig betrachtet werden müssen. Ein 'Good to know' geben Sie dennoch ab.
Nachdem ich alles nochmal kontrollierte, packte ich die Sachen zusammen. Stopfte alle meine Unterlagen in die Tasche zurück, legte meine Uniform für den morgigen Tag zurecht und machte mich auf in die Küche um das Abendessen vorzubereiten. Meine Großeltern waren nicht zuhause. Auch Rentner benötigten ihre Zeit für sich, hatten sie gesagt und sich mit Sack und Pack aus den Staub gemacht für einen dreiwöchigen Urlaub in Europa. Meine Eltern hatte ich seit Jahren nicht gesehen. Lediglich zu Weinachten und an meinem Geburtstag schickten sie ein kleines Paket. Meist mit neuen Games aus Amerika, Süßigkeiten oder Geld für 'Dinge die mich interessieren'. Ich konnte mich nicht beschweren. Es war nicht so, dass ich nicht allein zurecht kam. Dennoch vermisste ich das süße Lächeln meiner Oma welches mich nach der Schule begrüßte. Seit der Grundschule war dies zu einem Ritual geworden.
Etwas seufzend schlang ich mein Abendessen vor dem Fernseher herunter. Den Rest des Currys packte ich mir ein für die Schule und machte mich auch schon fertig für die Nacht. Duschen, Zähne putzen und so weiter. Meine braunen Locken entknoteten sich nur schwer. Viel zu dünn war mein Haar schon immer gewesen. Ansonsten gab es an mir nichts Besonderes. Giftgrüne Augen, langes braunes Haar und eine eher kleine, schmale Statur durfte ich mein Eigen nennen. Meine Augen hatte ich von meiner Mutter. Mehr aber auch nicht.
Nachdem das hygienische Abendritual vollführt war, schlüpfte ich unter die Decke und stellt meinen Wecker. Auch wenn die Aoba Johsei nicht weit entfernt lag, würde ich ein wenig früher aufstehen. Der Buchladen auf dem Schulweg hatte eine neue Lieferung bekommen und ich brannte darauf in den neuen Werken zu schmökern. Die Vorfreude erschwerte mir das Einschlafen durchaus. Es dauerte also eine Weile, bis ich zur Ruhe kam und Schlaf fand. Vermutlich mehrere Stunden.
Woran ich das merkte? Ich denke, mein Hass auf den schrillenden Wecker und das Bedürfnis diesen gegen die Wand zu feuern, sprechen dafür.

The Playboys Weakness (Oikawa X OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt