1. LOST BOYS

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[tokyo.winter.the rain is falling.again.]

불행 - sorrow

|but we just alwaysseem to just falloutwhen i'm most in need of it|

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|but we just always
seem to just fallout
when i'm most in need of it|

Es lag eine gewisse Notion von Selbsthass in der Luft als er in dieser regnerischen Winternacht die provisorische Bühne in einem überteuerten Club in Tokyos Shinjuku betrat. Das Orphic war in violettes Licht getaucht, ein kreisrunder Raum, gesäumt von Säulen aus Marmor, die bis an die Decke reichten. Und als Min Yoongi diesen Club betrat, fühlte er sich für einen winzigen Augenblick unsterblich.

Der Hall von bejubelnden Stimmen ließ seinen Gang federnd leicht werden und verlor einen Augenblick lang den Halt. Er hoffte, er würde von der Bühne fallen und sich den lächerlich leicht zerbrechlichen Nacken brechen. Doch es geschah nichts. Wie so immer. In letzter Sekunde erlangte er sein Gleichgewicht zurück und für einen Außenstehenden mochte es gewirkt haben, als ob er es nie verloren hatte. Doch Min Yoongi hatte in den vierundzwanzig Jahren in denen er schon durch die leeren Straßen dieser Welt wandelte, vieles verloren.

In dieser Sekunde jedoch, gewann er die Welt zurück und es schien als ob kein Fall in diesem leerem Universum ihn hätte bremsen können. Denn als er die Bühne betrat, prosperierte die mondäne Existenz Min Yoongis in die hinterste Ecke des kollektiven Gedächtnisses der Menschheit und Agust D trat an seine Stelle. Und Agust D fühlte sich nicht für ein paar lächerliche Minuten unsterblich. Nein, denn er war es wirklich und er betrat keine Bühne - er erklomm den Olymp.

Die Art wie der Name seines Alter Egos skandiert wurde erfühlte ihn mit ungewohnter Ekstase und vergaß jeden noch so kleinsten Zweifel, der doch sonst an jeder seiner Taten nagte. Min Yoongi hätte diesem Publikum den Rücken gekehrt. Agust D lachte es ihn seiner hämischen Natur aus.

Dies war seine Bühne, sein Olymp und als die Musik einsetze, er mit seinem Rap begann stand der Saal still. Die Diktionen, die seinen Mund verließen waren allesamt von einem nihilistischen Charakter, doch die Zerrissenheit darin schien niemand seiner Zuhörer zu bemerken. Vielleicht kümmerte es sie aber auch nicht.
Min Yoongi hingegen kümmerte es, denn er war ebenjene Dissonanz über die Agust rappte und deren versteckte Existenz er nun so offensichtlich in den Raum warf. Und als er ihn in die Gesichter des Publikums blickte und sie ihn alle zujubelten, wurde er tatsächlich wütend. Jubel bedeutete Zustimmung und die Grundlage seiner Texte bedurfte keine Zustimmung - sondern Rettung. Doch niemand in diesem Raum schien ihm tatsächlich zuzuhören, niemand würde ihn retten.

Und in diesem Moment der unwillkürlichen Einsicht begannen Min Yoongi und Agust D gleichzeitig in vollkommen Einklang mitten auf der Bühne einen gequälten Schrei auszustoßen. Er hatte auf verstörte Gesichter fast schon gehofft als er am Ende seines Ausbruches aufblickte, doch ihn empfing nur ein tosender Beifall in dem jeder weiterer Schrei nach Erlösung gnadenlos untergegangen wäre.

Also nickte er nur, murmelte ein kurzes „Danke" in das Mikrofon und verließ die Bühne und kurz darauf diesen Club.

Kim Namjoon, sein bester Freund und selbsternannter Manager würde ihn schon finden. Vielleicht. Und wenn nicht, so gab es immer noch Jung Hoseok, das letzte Drittel dieses Gespannes, was ihn mit seiner erschreckend richtigen Intuition in wenigen Stunden auf den Plan rufen wird.

Als er auf die überfüllte Straße trat, prasselte der Regen mit voller Härte auf ihn nieder und er zog sich die Kapuze seines dunklen und viel zu großen Parkas über den Kopf.
Die Straßen Shinjukus verschwammen im schleierhaften Licht, welches der unnatürliche Kontrast aus hell erleuchteten Neonreklamen und Regen - welcher für diesen milden Winter sprach - erschuf. Jedes Detail dieser Stadt verschwamm zu unbedeutenden schemenhaften Illusionen, welche sofort wieder weggeschwemmt wurden und da wusste er plötzlich was sein Ziel für diese Nacht sein würde.

In weniger als einer halben Stunde kniete Tokyo im Winterregen vor ihm nieder als er wie ein ungekrönter König auf dem Dach seines Hotels stand und mit unnachgiebiger Abscheu auf die Welt zu seinen schmalen Füßen blickte.

Das Stück zusammengefaltetes Papier fühlte sich schwer in seiner Jackentasche an und mit klammen Fingern umfasste er es. Der Regen um ihn herum war, ohne das er es zu bemerken schien, zu einem leichten Nieselregen geworden, der immer mehr an Stärke verlor.
Noch einmal las er sich die hingekritzelten Worte auf dem Stück Papier durch, bevor er es zu einem Papierflieger faltete. So wie er es immer tat, wenn er einen Gedanken hatte, der schwerer zu tragen war als er die Kraft dafür aufbringen konnte es auch nur zu versuchen.
Der Regen würde diese unliebsamen Worte wegwischen und damit seine Probleme von dieser Erde tilgen. Da war er sich sogar fast sicher. Und genau deshalb hatte er in dieser Nacht mit seinem Namen unterschrieben. Mit all seinen Namen. Der Regen würde diese Gedanken für ihn waschen.

Doch als er den Papierflieger über die Dächer Tokyos entließ, hörte der Regen auf.

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