Die Bilder vom Tatort hatten es wirklich in sich. Es war etwas anderes, davon zu hören, dass Raphael gestorben war, als ihn auf den Bildern wirklich tot da liegen zu sehen.
Schnell klickte ich mich am PC durch die weiteren Bilder. Speicherte die wichtigsten Informationen, die ich darauf erkennen konnte, in meinem Kopf ab. Die Blutspritzer. Der Ort an dem er lag. Seine Körperhaltung. Aber sie verriet mir nichts.Ich fand keinen Hinweis darauf, wer es getan haben könnte. Manche Mörder und Banden verrieten sich durch irgendwelche Details. Wenn der Mord eine Bedeutung hatte, eine versteckte Mitteilung an mich war, dann muss der Mörder sich irgendwo zu erkennen gegeben haben.
Denn ich war mir sehr sicher, dass Raphael nur aus einem Grund gestorben war: Damit sich jemand an mir rächen konnte.Fast jeder in meiner Umgebung wusste, wie nah wir uns standen. Und somit wussten sie auch, wie sie mich richtig treffen konnten. Mir wehtun konnten und sich für etwas rächen konnten. Ich wusste nur nicht, für was. Natürlich machte ich viel korrupte Scheiße. Damit verdiente ich mein Geld. Ich hatte viele Feinde. Aber wie sollte ich den einen finden, der für Raphaels Tod verantwortlich war? Wie sollte ich es schaffen, ihn zu Fall zu bringen, bevor er noch weitere Menschen, die mir etwas bedeuteten, tötete, wenn er sich nicht zu erkennen gab?
In meinem Unterbewusstsein wusste ich, dass irgendwo ein Hinweis versteckt war. Sonst wäre der Mord unnötig gewesen. Der Mörder wollte auf sich aufmerksam machen, mir mit dieser Tat sagen, was er von dem, was auch immer ich in seinen Augen falsch gemacht hatte, hielt.
Die Fotos halfen mir nicht weiter, also traf ich eine Entscheidung. Ich wollte die Leiche sehen. Oder vielmehr, ich musste die Leiche sehen.
Missmutig sah ich auf die Uhr. Ohne Liv würden sie mich nicht ins Leichenschauhaus lassen. Schließlich wollte ich da nicht als trauernder Freund auftauchen, was nichts mehr bringen würde, da seine Identität schon bestätigt wurde. Ich wollte dort professionell als ziviler Berater aufkreuzen. Und das konnte ich ohne Liv nicht.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als auf sie zu warten. Ich lehnte mich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte meine Arme. In meinem Kopf rasten die Gedanken, aber mir fiel niemand ein, der für den Mord infrage kommen könnte. Das besserte meine Laune nicht wirklich.Nach einer gefühlten Ewigkeit betrat Liv endlich das Büro. In der Hand hielt sie einen Kaffeebecher. Ohne dieses Zeug schien sie auch nicht mehr leben zu können. Da wir gefühlt schon zu viel Zeit verloren hatten, fiel ich direkt mit der Tür ins Haus.
"Ich will die Leiche sehen", teilte ich ihr anstelle einer Begrüßung mit, als sie neben dem Schreibtisch stehen blieb. Sie wirkte kurz überrascht, trank dann aber nur einen weiteren Schluck von ihrem Kaffee. Ich musterte sie einfach nur weiter abschätzend und wartete auf eine Antwort. Dabei versuchte ich, ihr ihre aktuelle Laune im Gesicht abzulesen. Sie wirkte immer noch angespannt und sah, um ehrlich zu sein, nicht so aus, als ob sie wirklich geschlafen hatte.
Mit einem lauten Knall stellte sie den Kaffeebecher auf dem Schreibtisch ab. "Du sitzt immer noch auf meinem Stuhl", stellte sie fest und ich biss mir auf die Lippe, um nicht aufzulachen. Wenn sie sonst keine Probleme hatte..."Das Problem erübrigt sich ja, weil wir jetzt gehen werden", teilte ich ihr gelassen mit. Der bissige Spruch, mit dem ich als Antwort gerechnet hatte, blieb allerdings aus. Ein bisschen enttäuscht war ich deswegen schon, ließ es mir aber nicht anmerken. Sie schien wirklich müde zu sein, wenn sie es nicht mehr schaffte, mit mir zu diskutieren.
"Alles klar, wenn du darauf bestehst. Selbst Schuld."
Ich runzelte meine Stirn und stand von ihrem Stuhl auf. "Wieso selbst Schuld?" hakte ich nach und folgte ihr durch das Büro zu dem Schrank, in dem wohl die Schlüssel für die Dienstwagen aufbewahrt wurden.
"Es ist kein schöner Anblick" antwortete sie und öffnete den Schrank mit ihrer Schlüsselkarte.
"Das kann ich mir denken, ich habe die Bilder gesehen. Aber ich will es trotzdem noch einmal selbst sehen." Fast hätte ich gesagt, dass mir ein Hinweis fehlte, klemmte es mir aber noch rechtzeitig.
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Murder - You can't hide [Pausiert]
Misteri / Thriller*derzeit pausiert* Olivia ist eine junge, idealistische Polizistin, die gegen das organisierte Verbrechen von Chicago kämpft. Durch den grausamen Mord an Raphael bietet sich nach Jahren endlich die Möglichkeit für sie, den Banden, die für diesen und...