Schmerz (2)

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Meine Lider flattern, ich komme ich wieder zu mir.
Mein Kopf dröhnt.
Ich würde gerne meine Hände zu meinen Schläfen reißen, um sie zu massieren, doch ich kann meine Arme nicht bewegen.
Dann bemerke ich, dass ich fast meinen kompletten Körper nicht bewegen kann.
Erschrocken reiße ich schließlich die Augen auf.
Wo bin?
Warum liege ich nicht in meinem Feldbett?
Leichte Panik breitet sich in mir aus.
Dann fluten die Bilder von vor meiner Bewusstlosigkeit auf mich ein - der schwarze Schatten, Vosslers Tod, Leonidas und Tyrus am Boden.
Mattes, bräunliches Licht scheint auf mich herunter.
Langsam sehe ich mich um. Ein großer Raum erstreckt sich um mich, die Wände sind blutrot gefärbt.
Ein hölzerner Tisch mit zwei Bänken kann ich vor mir erkennen.
Dahinter, in der Wand mir gegenüber, ist eine eiserne Tür eingelassen
Langsam lasse ich den Blick jetzt auch an mir heruntergleiten.
Ich bin auf einer Art schräg gestellten Tisch befestigt, Arme Beine und Oberkörper sind mit schwarzen, lederähnlichen Gurten befestigt. Nackt liege ich auf der warmen Platte. Nackt, bis auf mein Medaillon, welches mir immer noch um den Hals hängt. Warum?
Erschrocken beginne ich mit aller Kraft an den Gurten zu reißen, doch sie lockern sich keinen Millimeter.
„Ganz ruhig...ganz ruhig", versuche ich mich gedanklich selbst zu beruhigen, denn eine Panikattacke würde mir in dieser Situation auch nichts bringen.
Ich schließe die Augen, atme langsam durch und öffne sie danach wieder.
Beobachten, erkennen und die Möglichkeiten durchgehen!
Mein Blick wandert neben den Tisch, auf den ich geschnallt bin.
Irgendwelche Geräte sind dort aufgestellt - medizinische vielleicht?
Dann fällt mein Blick auf die Beistelltische neben den Geräten...Messer, Skalpelle, Haken, Peitschen, Seile...ein ganzes Sammelsurium voller blitzender Folterwerkzeuge sind dort aufgereiht.
Jetzt bricht die Panik erst so richtig los: Wieder reiße an den Gurten, meine Hände und Füße trommeln gegen die Unterlage, ich versuche meinen Oberkörper hochzustemmen. Doch alles Zerren und Reißen hilft nichts.
Ein Schrei voller Frustration und Panik verlässt meine Lippen, meine Sicht verschwimmt vor mir.
Kraftlos sinke ich wieder zurück - es gibt kein Entkommen.

Die Minuten verrinnen...ich weiß nicht wie viele es sind, ich hatte schon immer ein schlechtes Zeitgefühl. Es konnte ein Minute vergangen sein...aber auch eine halbe Stunde....
Leichtfüßige Schritte nähern sich von draußen...Schritte, die kaum zu hören sind, dann schwingt mit einem leisem Quietschen die schwere Eisentür auf.
Der schwarze Schatten von letzter Nacht - War das alles wirklich letzte Nacht erst geschehen? - steht in der Türschwelle.
Jetzt, im Licht, kann man die Konturen erkennen und er sieht noch schrecklicher aus.
Die schwarze Rüstung ist voller Stachel besetzt, der Helm mit zwei furchterregenden Hörner geschmückt - diesen Helm hatte er gestern Nacht nicht auf!

Der schwarz gerüstete Krieger schließt langsam die Tür, dann legt er denn Kopf schief und schaut mich lange an.
Ich würde ihm am liebsten anschreien und ins Gesicht spucken, doch stattdessen starre ich ihn still an - ich kann nicht anders.
Wie ein Stein einen gefrorenen See durchbricht, so bricht eine sanfte Stimme die eisige Stille: „Schön...du bist also wach...schön, schön"
Diese Stimme ist...seltsam...sanft und warmherzig...doch gleichzeitig kalt, schneidend und furchteinflössend.
Ein besonderer Klang liegt in der Stimme...als ob eine Person gewohnt wäre, wie eine ein Adeliger zu reden, sich jedoch dazu genötigt werden würde, sich auf das Sprachniveau der untersten sozialen Schicht zu begeben.
Während ich die schwarze Gestalt immer noch anstarre, als hätte ich alles andere vergessen, bewegt sich der Krieger auf den Tisch zu und nimmt den gehörnten Helm ab.
Glatte, lange, helle blonde Haare gleiten darunter hervor. Ein edles und hochmütiges Gesicht blickt mich an. Tiefe Falten zerfurchen das bleichen Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Attraktive, mandelförmige Augen blicken mich mit einem beunruhigenden Funkeln an.
Ein wunderhübsches Gesicht - und doch gleichzeitig so abschreckend.
Spitze Ohren ragen aus den glatten Haaren hervor.
„Ein Eldar...", zische ich kaum hörbar zwischen meinen Zähnen hervor.
Die Eldar sind eines der am weiten entwickeltsten Völker der Galaxis, doch sie sind arrogant, dekadent und überheblich geworden und seit ihrem Fall sind sie nur schwache Schatten ihrer ursprünglichen Vorfahren. Sie blicken uns mit Menschen mit Verachtung an. Sie halten uns für unterentwickelte Maden!
Langsam und bedrohlich kommt der große und schlanke Eldar auf mich zu.
„Fast richtig, meine Liebe", säuselt er mir zu, „doch ich bin nicht ganz das, für das du mich hältst. Ich bin keiner dieser schwächlichen Eldar, die sich unsere Brüder nennen."
Direkt vor mir bleibt er stehen und blickt abschätzig auf mich herunter, als wäre ich nur ein Stück saftiges Fleisch.
„Ich, meine Kleine, bin ein Krieger aus dem Volk der Dark Eldar. Wir sind weitaus gefährlicher, als unsere feigen Verwandten. Außerdem...entführen Eldar keine Menschen..."
Und da ist sie wieder...die Furcht...sie bohrt sich wie ein dünner Stachel in den Kopf....zuerst bemerkt man es kaum, doch dann spritzt sie wie tödliches Gift in die Venen und der ganze Körper scheint sich mit Eis zu überziehen.
Denn von den Dark Eldar hatte ich schon gehört...zu viel, als jetzt noch einen kühlen Kopf zu bewahren. Das Schlimmste, was einem passieren konnte, ist ihnen lebendig in die Hände zu fallen.
Im Gegensatz zu den Dark Eldar waren sogar die Orks noch gnädig, denn bei Ihnen konnte man sich eines kurzen Todes meistens sicher sein.
Doch bei den Dark Eldar, in ihren teuflischen Folterkammern, ließ sich der Tod Zeit und war alles andere als schmerzlos.
Tage, Wochen, Monate kann es dauern...je nachdem wie lange diese Todesengel mit ihren Opfern spielen wollen, so erzählte man sich jedenfalls Geschichten über sie.
Der groß gewachsene Blonde schaut belustigt auf mich herab, als könnte er alle meine Gedanken lesen und als würde ihn meine Angst amüsieren.
Ich bin ihm hilflos ausgeliefert, keine Chance zu entkommen. Er weiß und ich weiß es. Unser tödliches Spiel beginnt.
Sanft legt er mir seinen langen Finger unterhalb des Halses auf die Brust. Ein Schaudern überläuft meinen Körper, während sich sein Gesicht aufgrund meiner Furcht zu einer Fratze versehrt, die vor Sadismus zu triefen scheint.
Dort, wo seine Hand meine Haut berührt, scheint meine Haut zu brennen; seine Berührung widert mich an, doch ich bin wie gelähmt.
„Vielleicht kannst du dich nicht erinnern", flüstert er kaum hörbar, während er seinen Finger genüsslich an mir heruntergleiten lässt, „aber meine Name ist Cherubael, meine kleine Freya..."
Woher weiß er meinen Namen?!
„...merke ihn dir gut, denn ab heute werde ich dein Meister sein!"
Mit dem letzten Wort klopft er seinen Fingernagel auf die metallene Oberseite meines Medaillons.
„Aha, was haben wir denn hier?", fragt der dunkle Eldar, als würde er das Medaillon zum ersten Mal sehen.
Mit einem leisen Klicken lässt der den Deckel aufschnappen.
Mit einem sadistischen Grinsen blickt er auf die blonde Haarlocke, die darin verwahrt ist.
Langsam holt er sie heraus und hält sie zwischen unseren Gesichtern in die Höhe.
Die Augen von Cherubael wechseln von der Haarlocke zu mir, er schaut konzentriert in die Augen und bevor ich auch nur reagieren kann, schießt ein mentaler Stachel geradewegs in meinen Geist.
Ich reiße meinen Mund auf und ich höre wie aus weiter Ferne, wie ich vor Qualen aufschreie.
Ich selbst wurde schon längst irgendwo hingezogen, meine Sicht verschwimmt, Schleier senken sich auf mich herab. Einzig und allein die Haarsträhne bleibt in meinem Sichtfeld.
Dann kann ich wieder etwas erkennen. Cherubael und ich stehen auf einem nächtlichen Wall, neben uns liegt ein hölzerner Unterstand.
Bewegen kann ich mich immer noch nicht, aber ich kann erkennen, wo wir uns befinden: Das Militärlager, aus dem ich entführt wurde - doch, wie kamen wir dahin?
Dann erkenne ich die Szenerie - in dem hölzernen Bunker stehen zwei Personen, innig miteinander verschlungen, Tyrus und ich selbst.
„Das ist nicht real...nicht real...", flüstere ich leise.
Der Kommissar kommt in den Bunker und ermahnt uns.
Doch da verschwimmt das Bild wieder. Ich sehe jetzt Tyrus und mich, während wir uns bei einer Tasse Kaffein verliebt in die Augen schauen.
Nächstes Bild: Tyrus und ich beim Lagerkommandanten.
Nächstes Bild: Tyrus und ich in einer langen Umarmung.
Nächstes Bild: Tyrus und ich in einer ruhigen Ecke.
Nächstes Bild.
Nächstes Bild.
Immer schneller schießen die einzelnen Szenen vorbei.
Immer schmerzhafter bohrt sich der Stachel in meinen Kopf, während eine Erinnerung nach der anderen herausgerissen und aufgebaut wird.
Noch immer schießen die Bilder von Tyrus und mir immer schneller vorbei.
Ich sinke mental auf die Knie, mein Kopf brennt, eine Fleischmühle scheint sich in meinen Kopf zu drehen, während über dem allen diese blonde Locke steht.
„Bitte...bitte...auf...hören", hauche ich leise.
Dann bleibt alles plötzlich bei einer letzten Szene stehen: Unsere erste Begegnung; Tyrus mit seinem Buch, umringt von Soldaten, während ich am Rand stehe und ihn beobachte.
Das Bild verharrt kurz, dann werde ich mit einem schmerzhaften Ziehen wieder in die Realität gebracht.
Keuchend reiße ich meine Augen wieder auf.
Das für mich jetzt plötzlich so helle Licht brennt mir unangenehm in die Netzhaut, während mein Schädel pocht, als würde jemand mit einem Energiehammer darauf einprügeln.
Meine Haut ist von Schweiß bedeckt.
Cherubael steht über mir gebeugt und blickt mich zufrieden an, während ich nach Luft schnappe.
Er scheint auf ein mal fiel jünger auszusehen, seine Falten sind merklich weniger geworden.
„Gut...gut", sagt er wieder mit seiner sanften leisen Stimme, „das hat mir sehr gefallen, doch lassen wir es für das erste Mal gut sein."
Mit eleganten Schritten verlässt er den Raum und lässt mich zitternd zurück.
Die Eisentür fällt schwer wie der Hammer eines Richters ins Schloss.

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