Kapitel 9

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„Na Maus, wie war dein erster Tag?", fragte ich Gracie und pickste ihr in die Seite. Heute war ihr erster Tag gewesen in der Sunshine Nursery School.
Sie strahlte mich an und entblößte weiße Zähnchen und die kleinen Grübchen, die man auch in meinem Gesicht fand, wenn ich wirklich breit lächelte: „ Ich liebe Schule so gerne. Ich liebe das so gerne. Heute haben wir Farben gelernt."
Dann stemmte sie empört die Hände in die Seite, stampfte auf, find an zu gestikulieren und sprach: „ Lani, was ist da los? Wieso kann ich schon alles? Ich kann alles und ihr könnt nichts."
Ich lachte. Zucker, die Kleine.
„Wie kann man nur so süß sein? Würdest du nicht meine Schwester sein, würde ich dich glatt klauen, meine kleine Maus!"
Wieder stemmte sie die Hände in die Seite: „ Wieso bin ich nur so süß?"
Lachend antwortet ich: „ Du bist einfach süß, nichts zu ändern.", und kniff ihr mit den Worten in ihre kleinen Bäckchen, die sich dadurch leicht rosa färbten.
„ So ich muss Hausaufgaben machen, gehst du in dein Zimmer, Gracie? Ich muss noch ganz viel arbeiten."
Eine Ausrede, um Ella anzurufen, aber Gracie nickte und lief hopsend aus dem Zimmer.

Nach dem Gespräch fühlt ich mich ziemlich mies. Ella hatte mir vorgeworfen, dass ich meinen Squad einfach so schnell ausgetauscht hatte. Für mich hatte das nichts mit austauschen zutun. Ich liebte diesen Sport einfach und was kann ich bitte dafür wenn meine Mom zurück in ihre Heimat ziehen wolle. Es war nicht so, als hätte ich mich nicht lautstark gewährt. Ich hatte für meinen alten Squad schon so viel getan und mit dem neuen würde die gleiche Bindung schon deshalb nicht entstehen, weil wir nur ein Jahr zusammen tanzen würden und meine Freundinnen aus Santa Monica kannte ich schon mein ganzes Leben. Doch Ella wollte oder konnte das auch einfach nicht verstehen und so hatte unser Gespräch schneller geendet als gedacht.
Traurig hatte ich mich deshalb in mein Bett gelegt und darüber nachgedacht, was sie mir alles an den Kopf geworfen hatte. Was solls. Echt. Ich hatte mich bemüht, aber noch war ich nicht volljährig und konnte über mich selber bestimmen.

Es klopfte leise an der Tür: „ Lani, wir wollen frühstücken!" Die Tür öffnete sich. Es war Gracie, die mich zum Abendessen abholen wollte. Obwohl sie ziemlich intelligent war verwechselte sie trotzdem noch banale Dinge, was ihr im Alter von frischen vier Jahren definitiv noch zu verzeihen war. Sie krabbelte zu mir aufs Bett und setzte sich auf meinen Bauch.
„Bist du traurig, Lani?"
Für ein so kleines Wesen war sie unglaublich aufmerksam und sensibel für die Gefühle anderer Leute. Ohne ihr zu antworten schloss ich sie einfach nur in den Arm und drückte sie. Sie sollte nicht mitbekommen, wie sehr mich der Umzug mitnahm, das würde sie erstmal nicht verstehen und würde sie nur traurig machen.
„Nicht traurig sein, Lani.", flüsterte sie und strich mir mit ihrer winzigen Hand über die Haare. Ich löste mich von ihr und grinste sie schwach an: „Wollen wir runter gehen, Essen? Mom wartet bestimmt schon auf uns mit ganz leckerem Essen."
Sie nickte und ich hob sie hoch und trug sie die Treppe runter in die Küche, in der es schon köstlich duftete.

Mom servierte uns Spaghetti mit selbst-gemachtem Pesto. Egal wer kochte, bei Mama schmeckte es doch immer am Besten.
Während des Essen wurden wir bezüglich unseres Schulalltages ausgequetscht. Besonders freute sie sich, als ich ihr von meinem Erfolg im Cheer-Team erzählte, sprang sie auf, umrundete den Tisch und drückte mich so doll, dass in meinem Rücken die Knochen knackten.
„Ich bin ja so stolz auf dich, mein Engelchen. Ich wusste, dass du das schaffst!"
Ich verdrehte die Augen. Ja klar. Ich war mir auch sicher, dass ich es geschafft hätte und Team zu kommen. Es war keine Frage des Könnens, sondern einfach des Wollens, aber das verstand Mom nicht. Für sie waren das Selbstzweifel , die ich definitiv nicht besaß, welche mich quälten. Sie in den Glauben lassend lenkte ich das Thema von mir, indem ich meinen Bruder ansprach: „ Und Henry, wie war deine Tage in der Schule? Hab dich kaum gesehen." Und das stimmte sogar, wenn ich ihn gesehen hatte, dann nur alleine oder bei den super coolen Typen, die als letztes sich den Zwang der Schulpflicht beugten und sich bei den Mülltonnen tummelten, um heimlich eine zu rauchen. Die Schwimmmannschaft war anscheinend so enttäuschend, dass er nicht mit denen abhängen wollte.
Er zickte nur mit den Schultern, um meiner Frage aus dem Weg zu gehen.
„Henry, wir sprechen hier mit Worten. Gedanken lesen können wir tatsächlich nicht, auch wenn wir so fantastisch gut aussehen, dass wir glatt als Superhelden durchgehen könnten."
Oh man, wie peinlich, wenn die eigene Mutter versuchte lustig zu sein.
„Gut."
Und mehr bekamen wir nicht als Antwort. Seufzend widmete sich jeder seinem eigenen Essen.
Gracie durchbrach die Stille: „ Ich hab gewonnen!", und präsentiert und stolz ihren leeren Teller.
„Super mein Schatz, dann geh schonmal den Teller in die Spüle legen und Hände und Mund waschen.", lobte Mom sie. Freundin sprang Gracie auf und verließ den Raum, um sich sauber zu machen. Im selben Moment stand Henry auf.
„ Ehm, wohin willst du noch, Freundchen? Morgen ist noch Schule, das weißt du doch."
„Ja, Mom. Mein Gott, musst du jetzt etwa alles kontrollieren? Ich treffe mich mit Wyatt und Logan. Jetzt zufrieden?"
„Nein bin ich nicht, Henry! Morgen ist Schule, wenn du nicht aus dem Bett kommst dann bin ich richtig sauer und du brauchst unter der Woche die nächsten Tage erstmal nicht mehr weg."
„Gosh, Mom...", antwortetet Henry nur, drehte sich genervt weg und verließ schnellen Schrittes das Haus.

Mom saß zusammengesunken auf ihrem Stuhl und sah aus als würde sie gleich anfangen zu weinen. Das sie die Situation auch so mitnahm hätte ich nicht erwartet. Ich setzte mich neben sie und sah, dass Mom versuchte ihre Tränen zurück zu halten.
Aus tränenverschleierten Augen blickte sie mich an und sprach heiser: „ Was mach ich nur falsch mit diesem Jungen? Ich habe das Gefühl ich kann ihm überhaupt nichts mehr recht machen...", am Ende brach ihre Stimme.
Ich nahm sie vorsichtig in den Arm: „ Gar nichts Mommy.", diesen Spitznamen benutzte ich nur, wenn ich wirklich gerne was haben wollte oder Mom wirklich traurig war. „ Er ist einfach ein Idiot. Lass den einfach der wird schon irgendwann einsehen, was er falsch gemacht hat."
„ Für mich ist das auch nicht einfach, Amelia. Ich habe auch mein Leben hinter mir gelassen, Freunde und auch das mit deinem Vater war so ein schwerwiegender Verlust. Aber ich konnte das alles nicht mehr. Ich wäre dort zerbrochen ..."
„Ich weiß, Mommy. Keiner macht dir irgendwelche Vorwürfe. Vielleicht brauchst du einfach mal eine Auszeit. Leg dich heute früh hin und ich übernehme das mit Gracie. Gar kein Problem!", versuchte ich zu ein bisschen zu beruhigen.
„Womit hab ich nur so eine Tochter wie dich verdient?"

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