13. lacuna

136 24 63
                                    

lacuna: eine leere Stelle; ein fehlendes Teil

-

Samstag, Mai

Als Sebastian durch das kleine Gartentor trat und auf das Haus der Moriartys zuging, bemerkte er bereits von weitem, dass die Haustür offenstand. Er runzelte die Stirn und näherte sich ein wenig langsamer.

Aus dem Inneren wurden laute Stimmen zu ihm getragen. Der zornige Ton wollte nicht ganz zu dem sonnigen Wetter mit strahlend blauen Himmel und dem Vogelgezwitscher passen.

Sebastian wusste nicht, ob er eintreten sollte oder nicht. Weil er aber auch nicht vor der Tür warten wollte, wo sie sowieso offen war, trat er schließlich doch über die Schwelle.

Im Flur erklangen die Stimmen noch lauter - Sebastian erkannte nun, dass es Eliza war, die mit Jim zu streiten schien. Sebastian zog den Kopf ein wenig ein und warf einen kurzen Blick nach draußen, wo alles friedlich zu sein schien, während die Luft sich hier drinnen anstaute.

Gerade als Sebastian sich irgendwie bemerkbar machen wollte, erhob Eliza ihre Stimme noch weiter, sodass ihre Worte deutlicher an Sebastians Ohr drangen. „Du kannst so nicht weitermachen, Jim! Du hast gehört, was Doktor Donnelly gesagt hat - er denkt auch, dass dein Verhalten sich nicht bessert und- und jetzt auch das noch!"

„Das kann dir und ihm doch völlig egal sein!" Während Eliza verzweifelt klang, hörte Jim sich eher so an, als wollte er seine Mutter in der Luft zerreißen. „Ihr habt nicht das Recht, über mich zu urteilen! Keiner von euch beiden kennt mich wirklich!"

Sebastian sollte besser gehen. Doch er bewegte sich nicht von der Stelle.

„Jetzt sei doch nicht immer so schwierig, James!" Elizas Stimme klang nun scharf und selbst Sebastian zuckte zusammen; er hatte nicht einmal gewusst, dass Jim nicht wirklich Jim hieß. „Ich halte es einfach für besser, wenn du eine Weile von zu Hause wegkommst. Damit es dir bald wieder besser geht."

„Du meinst wohl, damit du mich loswirst!" Irgendetwas fiel rumpelnd zu Boden. Sebastian fuhr erneut zusammen. „Du tust immer so, als wolltest du nur, dass es mir gut geht. Aber in Wahrheit hasst du mich. In Wahrheit willst du mich einfach nie wieder sehen. Und ich weiß auch, warum: Nur, weil ich dich an Harvey erinnere! Aber ich lass mich deshalb nicht einfach so abschieben! Das kannst du vergessen!"

Dieses Gespräch war nicht für seine Ohren bestimmt. Nichts, von dem, was gesagt worden war, ging Sebastian etwas an. Er fühlte sich ungeheuer schlecht, weil er lauschte, aber nicht schlecht genug, um wieder zu verschwinden. Immerhin musste er heute hier sein, zum Babysitten. Und es war nicht seine Schuld, dass Jim und seine Mutter so laut diskutierten, oder vielmehr stritten, dass er es bis in den Flur und zur Eingangstür hörte. Außerdem hatte er kaum eine Ahnung, wovon sie überhaupt sprachen - obwohl er sich seinen Teil denken konnte.

Als auf Jims Aussage hin Stille herrschte, sah Sebastian den Moment gekommen, seine Anwesenheit zu verkünden.

Er ging durch den Flur ins Wohnzimmer, von wo auch die Stimmen gekommen waren, und räusperte sich. „Hey, die Tür war of-"

Er unterbrach sich selbst. Er wünschte sich, er wäre doch gegangen.

Im Wohnzimmer herrschte Chaos. Die Kissen waren von der Couch gerissen und auf dem Boden verteilt worden und dort lag auch das Telefon mitsamt Station. Selbst, wenn dies keine Konsequenzen des Streites, sondern lediglich Andrews und Dorians Werk war, so konnte man seine Auswirkungen doch deutlich aus den Gesichtern der beiden Beteiligten lesen.

Jim stand wie erstarrt da, als Sebastian ins Wohnzimmer trat und es kam erst wieder Leben in seine Glieder, als Sebastian seinen eigenen Satz unterbrach. Dennoch zeichnete sich weiterhin tiefe Bestürzung in Jims Gesicht ab - Sebastian konnte nur vermuten, dass sie von dem herrührte, was Jim zuvor seiner Mutter entgegengeschleudert hatte.

m e t a n o i aWo Geschichten leben. Entdecke jetzt