Wenn ich du wäre...

K7 Scherbenmeer

Genervt ziehe ich zum gefühlten zehntausendsten Mal an diesem Tag mein Handy aus der Tasche und mache zum hundertausendsten Mal ein enttäuschtes Gesicht. Immer noch keine Nachricht von Mason! Dabei war das gestern doch so gut gelaufen, sogar noch besser als in diesen ganzen Liebes-Kitsch-Filmen. Er hatte sich doch so verhalten, als hätte ich ihm auch gefallen. Meh!

"Kommst du Cara?" Meine Mutter steht ein paar Meter von mir entfernt und will schon das nächste Geschäft ansteuern, doch ich habe wirklich keine Lust auf diese blöde Shoppingtour. Zuhause war ich mit meiner Mutter in jeden Laden gegangen, der gut aussah, auch wenn es dort mal etwas günstigere Klamotten gab, doch jetzt bestand mein Stiefvater darauf, dass 'wir uns unserem finanziellen Stand gemäß kleiden sollten'. Ich habe generell nichts gegen Shoppen, doch ich finde es vollkommen unnötig Prada, Chanel und diesen ganzen anderen versnobten Kram zu tragen. Warum kann es nicht einfach ein normales T-Shirt für fünf oder zehn Euro machen?

"Mum, kann ich nicht einfach meine alten Sachen tragen?" jammere ich und laufe extra etwas langsamer.

"Du weißt, dass Peter davon nicht begeistert ist. Außerdem ist das doch eine super Gelegenheit dir alles zu kaufen, was du schon immer wolltest." Ich merke, dass auch sie nicht hundertprozentig glücklich ist. Ihr Handy klingelt und sie signalisiert mir kurz zu warten. Meine Mutter hat mehr zu tun, seitdem sie diesen neuen Freund hat. Im Moment möchten alle mögliche Firmen mit ihrer und der meines Stiefvaters kooperieren. Dazu muss man sagen, dass meine Mutter als Grafikdesignerin tätig ist und seit neuesten Aufträge für das erstellen von CD Covers herein bekommt. Es war ein kleiner Betrieb, bis eine Mitarbeiterin und gute Freundin meiner Mutter einen Auftrag für eine populäre Band bekommen hat und es seitdem immer mehr Nachfragen gab. Dann auf irgendeiner Veranstaltung war meine Mutter da, um ihre Firma zu vertreten und Peter um seine, so haben sich die beiden kennen gelernt.

Doch meine Mutter hat nicht nur Stress wegen ihrer Arbeit, sondern hat sich nach Peters Antrag letzte Woche Hals über Kopf in die Hochzeitsvorbereitungen gestürzt. Yippih, wir werden in zwei Monaten eine kleine, glückliche Familie sein (man beachte bitte die IRONIE). Weder Drake, noch ich sind wirklich erpicht auf diese Hochzeit, doch ich freue mich für meine Mutter, irgendwie.

"Engel, macht es dir etwas aus alleine weiter zu machen? Auf der Arbeit gibt es ein kleines Problem, das nur ich beheben kann."

"Ach quatsch." Ich winke ab, im Grunde freue ich mich darauf alleine loszuziehen. Dann kann ich mir auch die Sachen holen, die mir gefallen und nicht Peter.

"Dankeschön, wir können es aber bald nachholen." Sie drückt mich kurz und flüstert in mein Ohr: "Brauchst du noch Geld?"

"Nein, Peter hat auch mich ausreichend versorgt", sage ich mit einem etwas zu saurem Unterton. Ich untertreibe nicht, mir mal eben eine eigene Kreditkarte geben und mein Taschengeld auf tausend Dollar im Monat anheben, finde ich ein wenig sehr übertrieben  dafür, dass er nicht einmal mein richtiger Vater ist! "Ich komm schon klar."

Sie lächelt mich noch einmal an, ruft sich ein Taxi und steigt ein.

ich wende mich von der teuer aussehenden Boutique ab, vor der ich mich befinde und laufe los, egal wohin. Es ist das erste Mal, dass ich mich allein durch die vielen Straßen von LA bewege und es macht mir sogar mehr Spaß als gedacht. Meine vorherige nicht vorhandene Neugierde an LA ließ sich wohl weniger auf die Stadt, als auf das mangelnde Interesse an einem neuen Leben begründen. Ich wollte kein neues Leben, mein altes gefiel mir eigentlich ganz gut!

Ich biege in eine kleine Gasse ab, die aussieht wie aus einem Film. Kleine Läden reihen sich aneinander, jedes Haus besitz mindestens zwei kleine, malerische Balkone mit bunten Hängeblumen(?) und die Straße ist mit bunten Steinen uneben gepflastert, für Autos nicht passierbar. Obwohl ich mich nicht auskenne, fühle ich mich heimisch.