Cara (oder auch Candy)
Mein Blick fällt auf ein pinkes Telefon an der Wand und für einen Moment überlege ich, ob es wohl echt oder nur Dekoration, doch dann gebe ich mir und Sandys Körper einen Ruck und nehme den Hörer in die Hand. Das Freizeichen ist ja schonmal ein gutes Zeichen. Meine Nummer ist so mit die einzige die ich auswendig kenne, aber das sollte ja in diesem Fall reichen. Ist Sandy gerade in meinem Körper oder liegt er einfach nur komatös in meinem Bett und wartet auf seinen rechtmäßigen Besitzer?
Doch als jemand abnimmt, wischt es alle meine Gedanken fort. "Hallo, Candy?", höre ich meine Stimme fragen.
Wer zum Geier ist Candy, denkt die etwa ich würde so heißen? Welche Mutter nennt ihr Kind denn bitte Süßigkeit?! "Hier ist CARA!", antworte ich etwas zu angepisst. So schwer kann es doch wohl nicht sein, sich diese vier Buchstaben zu merken. Ich nenn sie ja auch nicht Susi.
"Wie auch immer. Was zum Teufel hast du in meinem Körper verloren?!"
"Da könnte ich dich dasselbe fragen!"
"Mach das wieder rückgängig", faucht sie und ich halte mir den Hörer automatisch weiter weg. Wie schafft sie das nur, mit meiner Stimme ebenso nervtötend zu klingen wie mit ihrer Babystimme?
"Ich war das nicht! Was hast du gemacht?"
"Ich habe gar nichts gemacht. Du willst mir doch nur das Leben ruinieren!"
"Ohja, ich habe schon seit Wochen in meiner kleinen schwarzen Kammer im Keller an diesem diabolischen Plan gearbeitet, aber nur nicht berücksichtigt, dass es auch mein Leben ruiniert!"
Jemand klopft an die Kleiderschranktür. "Führst du da drin etwa Selbstgespräche?"
Für Sandy scheint Sarkasmus ein Fremdwort zu sein, denn sie schnappt sofort zurück: "Ich wusste schon immer, dass mit dir etwas nicht stimmt!"
Es klopft noch einmal. "Warte, ich muss meinen Bruder, deinen Lover, abwimmeln."
Ich höre, wie sie hörbar nach Luft schnappt. "Wehe du machst mit ihm rum."
"Bin ich gestört?! Wir sehen uns in der Schule, Mädchentoilette erster Stock!" Dann hänge ich ohne auf eine Antwort zu warten einfach auf.
"Ich komme gleich... Babe", flöte ich gekünstelt und fühle mich unglaublich dämlich, aber das wäre so ungefähr das, was Sandy von sich geben würde.
Dann wende ich mich mit der Hoffnung, irgendetwas normales zu finden, dem Monster von Kleiderschrank zu.
Sandy (Vielleicht bald Susi)
Ich fühle mich unwohl in diesen Sachen, die sind so ordinär und von der Stange! Wenigstens ist diese Carol nicht fett!
Langsam traue ich mich ins Schulgebäude und rechne schon fast damit, dass gleich die ersten Leute anfangen mich auszulachen, doch nichts geschieht. Ach natürlich, von diesem Mädchen sind sie ja gar kein gutes Outfit gewohnt! Eigentlich ist sie ja gar nicht so hoffnungslos, ihre Wangen lassen sich gut für Rouge eignen und auch aus ihren Haaren kann man noch was machen. Sie sollte sich gleich bei mir bedanken, dass sie einmal nicht aussieht wie der letzte Penner.
Im Mädchenklo im ersten Stock bin ich noch nie gewesen, ich habe mich sonst immer auf die Lehrertoilette geschlichen und ich wappne mich mutig für das Schlimmste. Doch als ich die Tür aufstoße ist das Schlimmste nicht der Zustand der Toiletten, der sogar überraschender Weise noch akzeptabel ist, sondern das Outfit, das sich Cary übergezogen hat, oder eher gesagt mir. Wie kann sie es wagen mich derartig zu blamieren? Eigentlich hatte ich mir vorgenommen mich erst einmal nett zu verhalten und zu versuchen Kompromisse zu machen, doch allein ihr hochnäsiger Blick weckt pure Sturheit in mir.
Angewidert muster ich die verwaschene Jeans und was sind das, Sneakers?! So etwas besitze ich? Ich lasse meinen Blick weiter hoch zu dem einfachen schwarzen Top und dem blau- grün karierten Holzfällerhemd wandern. Wieso hat die kein Make-Up drauf? Ich sehe aus, als läge ich im Sterben oder wäre schon tot.
"Hast du auf dem Weg zur Schule noch einen Halt bei der Altkleiderstelle gemacht?"
"Ob du es glauben kannst oder nicht, das habe ich in den Untiefen deines Schrankes gefunden." Auch sie schaut angewidert aus bei meinem Anblick. "Was hast du da an? So etwas ziehe ich zum Feiern gehen an und dann auch nur den Rock! Und wisch dir dein Gesicht sauber, ich sehe aus wie ein Alien."
"Naja bei deiner spärlichen Auswahl musste ich eben Abstriche machen. Außerdem habe ich dir mit dem Make-Up einen Gefallen getan, gern geschehen." Ich trug einen schwarzen Minirock und dazu eine rosafarbene Rüschenbluse, die sogar gar nicht so schlecht aussah, doch bestimmt nur höchstens zwanzig Dollar gekostet haben muss.
"Zieh sofort den Rock tiefer, man kann ja beinahe deinen ganzen Arsch sehen!"
"Deinen Arsch meine Liebe! Außerdem, sei mal nicht immer so spießig. Zieh das Hemd aus, du siehst aus wie ein Kerl! In meinem Spind ist noch ein paar High Heels, zieh diese Sportschuhe aus!"
"Du ziehst den Rock runter, ich zieh das Hemd aus, aber High Heels kannst du knicken!"
Stures kleines Ding, aber ich gehe darauf ein.
"Wie machen wir jetzt weiter Cary?", frage ich.
"Cara", verbessert sie automatisch. Streber! Sie vermittelt mir immer das Gefühl dumm zu sein. "Ich würde sagen wir versuchen uns so unauffällig zu verhalten wie nur möglich und mehr über den anderen zu lernen. Nebenbei versuchen wir dann heraus zu finden, wie das passieren konnte und machen es so schnell wie möglich wieder ungeschehen."
Ich nicke gedankenverloren. "Ich mag kein Fastfood und finde Katzen besser als Hunde."
Sie schaut mich irritiert an. "Was?!"
"Ich dachte wir sollen etwas über den anderen lernen."
"Doch nicht jetzt, später, nach der Schule. Jetzt haben wir Unterricht!"
"Wen interessiert das denn schon?"
"Mich, beziehungsweise dich."
Entnervt seufze ich auf. "Nee du sorry, mit der Schule und Wissen habe ich es nicht so."
"Hast du wenigstens meine Schulsachen mitgenommen?" Sie klingt verzweifelt, blöder Streber, wahrscheinlich ist das der erste Tag, an dem sie keine Hausaufgaben hat oder so. Oder der erste Tag, an dem ich an ihrer Stelle Hausaufgaben haben werde.
"Ich hab einen Stift, dein Portemonnaie und dein Steinzeithandy dabei. Hast du etwa mehr mit in der Schule?"
Sie fängt an in ihrer/ meiner geliebten Prada Handtasche zu kramen, ich muss mich zusammenreißen ihr nicht auf die Finger zu schlagen, als ich sehe, wie grob sie mit ihr umgeht und hält mir schließlich etwas vor die Nase. "Schonmal davon gehört, das nennt man BUCH!"
"Ich bin nicht dumm!" Schon wieder behandelt die mich wie ein Kind, ganz schön dreist und dieser belehrende Tonfall macht sie nur noch unsympathischer.
"Ganz was neues."
"Hör zu, wenn wir den heutigen Tag ohne Verluste" von Beliebtheit, schießt es mir durch den Kopf "überstehen wollen, müssen wir uns zusammenraufen und das gemeinsam ohne Streit schaffen." Ich glaube das ist das netteste, das ich jemals zu jemanden ihres Ranges gesagt habe.
Sie nickt. "Okay treffen wir uns in der Mittagspause nochmal."
"Hier?"
"Du willst nicht, dass ich mich mit dir/ mir blicken lasse oder?"
Ja das ist in der Tat meine Sorge. Wie kann sie mich nur so gut durchschauen, ohne mich zu kennen? "Einigen Leuten liegt etwas an ihrem Rang!"
"Okay Mädchentoilette, Mittagspause."
Ich nicke und stolziere zurück auf den Gang. Hoffentlich kann ich mich bald wieder mit meinen Dingen beschäftigen und muss nicht Babysitter für das Mauerblümchen spielen.
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Wenn ich du wäre...
Novela JuvenilCara Harpers Leben wird komplett auf den Kopf gestellt, als sie sich in einer Welt der Schönen und Reichen wiederfindet. An einer Privatschule in LA. Sie ist nicht das beliebteste Mädchen der Schule. Sie möchte es auch nicht. Sie ist nicht wie eines...