Prolog

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New York City. Ich mochte diese Stadt nie. Es ist kalt, selbst hier Mitten im Smog gefrieren die Scheiben der stehenden Autos. An mir ziehen die Menschen wie ein Strom vorüber. So viele und doch ist jeder in seinem eigenen kleinen Universum gefangen. Sie interessierten sich nicht für die anderen um sich. Wenn ich in ihre Gesichter blicke, sehe ich nichts. Ich war einst fasziniert von den Menschen. Ihr Ehrgeiz, trotz oder gerade wegen ihrer Endlichkeit, etwas zu schaffen. Doch nun bedauere ich sie zumeist. Sie sind so blind. Sie wissen, dass es den Tod gibt, aber so lange alles gut ist, glauben sie trotzdem alles sei für immer.

Ich entferne mich von der belebten Straße. Einige Meter vor mir läuft ein Mann. Krumme Haltung, schlampige Klamotten, übler Geruch. Ich verfolge ihn schon seit einigen Tagen. Und er.. nun, er verfolgt ein jung aussehendes Mädchen. Sie trägt trotz der Kälte keine Jacke und hat nur einen Schal um ihren Hals geschlungen. Vermutlich wollte sie nicht lang draußen bleiben. Mein Telefon surrt. Als ich darauf blicke, sehe ich den Eingang Drei neuer Nachrichten. Darum kümmere ich mich später. Als ich wieder aufblicke sind sie weg. Scheiße. Dann höre ich es. Ein unterdrücktes wimmern. Ich balle die Hände zu Fäusten. Na schön, dann wollen wir mal. Ich biege um die nächste Ecke. Die Straße führt in eine Sackgasse. Mülltonnen stehen ungeordnet an den Hauswänden. Und dort sind sie. Er hält sie vor sich gepackt. Eine Hand verschließt ihren Mund, die andere fummelt unter ihrem Oberteil herum. Ich weiß wer dieser Mann ist, ich kenne jedes Detail über ihn. Er ist arbeitssuchend, raucht stark, trinkt, erpresst seine Tochter und schlägt seine Frau. Sie war es auch, welche mich aufsuchte. Doch sie wollte keine Vergeltung für das, was er ihr antat. Sie wollte nur, dass er bei ihr bliebe und dass niemand sonst von ihm verletzt würde. Und nun stehe ich hier. "Lass sie los." Ich bin nicht laut, gerade so, dass er es hört. Er wendet sich mir zu. "Scher dich zum Teufel!" keift er. Ich habe keine Geduld, nicht mehr. Bevor er auch nur noch einmal Zwinkern kann, bin ich bei ihm. Ich packe ihn an der Kehle, zerre ihn von dem Mädchen weg und schiebe ihn die Hauswand hinauf. "Es gibt keinen Teufel, das ist gar nicht nötig." Er keucht und versucht meine Hände zu öffnen, doch ich lasse nicht locker. "Was tust du da!", presst er hervor, "Die Götter werden dich dafür bestrafen!" Nun muss ich fast lachen. Ich grinse den Mann an. "Kein Gott würde dich auch nur anhören. Menschen wie du sind mir und meiner Art so fremd, als hätten sie nie existiert." Ich greife noch fester zu und gehe mit meinem Gesicht ganz nah vor seins. "Was bist du.." bringt er kaum hörbar hervor. "Mein Name ist Ayame und ich bin hier um dich zu richten." Er starrt mir direkt in die Augen. Langsam beginnen sich seine Iris milchig weiß zu färben. Ich lasse ihn los und er fällt unsanft zu Boden. "Was...was ist das. Ich sehe nichts mehr, ich sehe nichts." Ich blicke zu ihm hinab, wie er da sitzt und sich mit den Händen über das Gesicht reibt. "Nächstes mal schneide ich dir die Arme ab."

Das Mädchen hatte die ganze Zeit dort gestanden, mit vor Angst weit aufgerissenen Augen sieht sie mich an. Sie stottert " Wer seid Ihr?" Immer diese Fragen, die Menschen glauben an uns und wissen doch nichts. Die meisten sehen uns nicht weil unsere leibhaftige Existenz ihren Verstand übersteigt. Doch sie könnten es. Ich greife in meine Tasche und ziehe eine kleine Schwertlilienblüte daraus hervor. "Ich bin eine Schicksalsgöttin." Ich reiche ihr die zarte Pflanze. "Was...was soll ich tun?" Sie sieht mich so verwirrt und verzweifelt an, als hätte ich ihr den Tag ihrer Todes genannt. Ich wende mich zum Gehen. Der Mann sitzt noch immer dort, weint und klagt. Der Reißverschluss meiner Jacke surrt als ich ihn wieder zuziehe. "Bete zu mir!" Damit bin ich aus der Gasse verschwunden

Ayame of FateWhere stories live. Discover now