1 Ayame

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Ich bin eine von unendlich vielen Göttern. Wir erwachsen durch die Menschen. Wenn sie an uns glauben, uns fürchten, zu uns beten und uns bitten, steigt unser Ansehen und unser Reichtum. Wir haben viele Namen. Jedes Zeitalter, jede Generation und jede Erzählung entwickelte seinen eigenen. Ich bin aus der Familie der Schicksalsgötter. Masahiro- der Gott der Gerechtigkeit. Ich bevorzuge jedoch Ayame.

Ich weiß nicht wie spät es ist, draußen scheint noch kein einziger Sonnenstrahl über den Horizont. Mein Handgelenk schmerzt, ein dumpfes Wummern, wie ein Pulsieren kriecht meinen Arm hinauf. Es ist einige Wochen her seitdem es das letzte mal geschah. Ein Auftrag. Alle Götter haben Aufgaben zu erfüllen. Entweder die Menschen sprechen zu uns und bitten uns um Hilfe oder der Himmel selbst sendet uns aus. Manchmal verbringen wir Wochen, wenn nicht sogar Jahre an einem Ort ohne den Auftrag erfüllen zu können. Ein Blitz schießt durch mein Sichtfeld und blendet meine Augen. Ich blinzle dagegen an und als langsam wieder ein Bild vor meinen Augen erscheint, befinde ich mich in einem großen Saal mit vielen massiven Säulen. Damit habe ich nicht gerechnet. Statt an einem anderen Ort auf der Welt zu sein, befinde ich mich in Oyona, dem Himmelsreich. Eine Einberufung aller Götter. „Ayameeeee" Ich dachte es könnte nicht schlimmer werden. Als ich mich umdrehe kommt Yso mit offenen Armen auf mich zu gelaufen. Er ist einer der Glücksgötter. Schmal gebaut, langes blondes Haar und immer einen goldenen Schimmer auf der Haut. Sie hatten es schon immer leicht. Viele Menschen glauben an das Glück und umgekehrt auch an das Unglück. „Ayame, lang nicht gesehen. Wie ich höre hast du eine hohe Rate in letzter Zeit." „Du solltest deine Zunge hüten Yso." „Ich bitte dich, das ist nur eine Tatsache, nur die Götter des Todes haben eine höhere Unheilrate." er grinst mich hämisch an. „Ein Schicksalsgott zu sein reicht eben nicht aus Ayame. Die Menschen vergessen dich. Sie vergessen die Gerechtigkeit." „Vergiss du lieber nicht, wir sind alle verbunden, wenn es keine Gerechtigkeit mehr gibt, versinkt die Menschheit in Argwohn. Auch das Glück würde darunter leiden." Yso runzelt die Stirn „Und du Ayame, solltest nicht vergessen wo deine Wurzeln liegen. Das Unheil ist dir vorbestimmt und..." doch weiter kommt er nicht. Sein Blick wandert zu einem Punkt hinter mir.   „Tomoko..." ich drehe mich um. Ein Paar freundlicher Augen sieht zu mir herab. „Hallo Ayame. Yso, würdest du uns kurz entschuldigen?" Ohne auf eine Antwort zu warten packt er mich bei den Schultern und wendet sich ab. „Ich hoffe er hat sich nicht allzu sehr aufgespielt." „Nicht mehr als sonst." Tomoko ist der Gott der Weisheit und des Wissens. Überall auf der Welt wurden ihm zu Ehren Schreine errichtet. Er sieht jung aus, jünger als die meisten, aufgrund seines hohen Alters, vermuten würden. Ich bin immer wieder von seiner Größe überrascht, welche durch seine sehr langen dunklen Haare nur verstäkt wird."Nun er ist ein Hitzkopf und hat wohl nichts besseres zu tun, als sich mit anderen Göttern anzulegen." Ich kenne Yso schon viele Zeitalter. Er schien schon immer einen Groll gegen mich zu hegen. Viele von uns stehen sich nicht positiv gegenüber, ihre Wesen stehen im Kontrast und so kommt es nicht selten zu Machtkämpfen zwischen ihnen. Irgendwann bleibt Tomoko stehen und sieht mich an. „Du siehst müde aus Ayame." Ich hatte nicht viele Aufträge in letzter Zeit. Und jene welche mir anvertraut wurden, waren mehr als kräftezehrend. „Es geht schon, ich wäre nur heilfroh, müsste ich nicht an jeder dieser unsinnigen Veranstaltungen hier teilnehmen." „Nanana.." wenn Tomoko jemanden rügte, klang er trotzdem immer freundlich. Er war stets auf ein Lächeln bedacht. „Du weißt es ist Pflicht hier zu erscheinen und das hat auch seinen Grund. Es sollen viele neue Götter entstanden sein, sie benötigen Rat." Ich schnaufe. Wenn sich die Zeiten ändern, so ändern sich auch die Wünsche der Menschen. Alte Götter verschwinden, neue entstehen. Diese neue Generation braucht ein wenig Führung und so werden sie alten Generationen für eine bestimmte Zeit zugeteilt. „Oh nein, ich hatte doch erst so einen am Hals. Ich will nicht wieder Babysitter spielen." „Aber Ayame, deine letzte Führung war vor über 200 Jahren." „Sagte ich doch eben, ich brauche das nicht schon wieder." Tomoko lachte leise in sich hinein. „Vielleicht hast du ja Glück, immerhin ist die Auswahl groß." „Ich hoffe nur wir bringen es schnell hinter uns, ich habe heute zwei Bitten wahrzunehmen." Tomoko sah sich einen Augenblick um. Viele Götter tummeln sich hier. Dementsprechend laut ist es. „Wir sollten uns langsam an unsere Plätze begeben." Ich nicke, je eher desto besser. Man sollte meinen einen Saal dieser Größe gäbe es nicht, um alle Götter unter zu bringen und wenn, so könnte hinten niemand erkennen was vorn geschieht. Doch dem ist nicht so. Jeder sieht und hört exakt das Gleiche. Ich folge Tomoko in den Versammlungssaal. Hogo-sha steht bereits auf dem Podium. Er ist der Hüter des Himmelreichs, zumindest glauben das viele. In Wirklichkeit ist er wohl nur ein alter Gott, der sich hier gern um alles kümmert. „Nun" Hogos Stimme schallt durch die Menge. „Ich bitte um Ruhe. Der Grund der heutigen Versammlung ist das Verteilen der neuen Generationen." Ein raunen geht durch die Menge, die meisten haben, wie ich, keine Lust auf dieses Prozedere. Hogo fährt fort „Ich will ohne weitere Umschweife beginnen. Der erste neue Gott wäre die Reinkarnationen einer alten Generation. Ich schnaufe. „Der arme Teufel der ihn bekommt..." Tomoko zieht die Augenbraue nach oben. „Du solltest nicht so voreilig..." „ Sein Name lautet Jiha Rikai. Ich ordne ihm folgendem Gott zu: Masahiro Ayame." Das ist lächerlich. Ich stehe auf und deute auf Hogo. „Vergesst es, ich verweigere." „Ihr könnt nicht verweigern, wenn er euch einmal zugeordnet wurde." „Und wie ich kann." Ich berühre das Mal an meinem Handgelenk. Ich zwinkere Tomoko noch einmal zu und dann... ist mein Platz leer.

Endlich wieder zu Hause, dieser Trubel ist nichts für mich. Sollen sie machen, ich werde jedenfalls kein Führer. Definitiv nicht. Schon gar nicht der, einer Reinkarnation. Das ist, als würde man versuchen ein bereits volles Glas weiter aufzufüllen. Ich bin froh das ich hier allein wohne, keine anderen Seelen die mir auf die Nerven gehen. Der Blick auf die Uhr verrät, dass ich noch ausreichend Zeit habe, mich auf meine Termine vorzubereiten. Als erstes wurde ich in ein Bürogebäude zu einem großen Firmenchef gerufen. Es scheint wohl, er gehe nicht sonderlich gut mit seinen Angestellten um. Gleich mehrere Bitten empfing ich aus seinen Reihen. Und danach muss ich wieder einmal zu einem Fall Häuslicher Gewalt. Diesmal jedoch, wurde Vergeltung gefordert. Ich höre wie der Wind um die Ecken der Häuser zieht. Wie ein heulender Wolf schlängelt er sich durch die Straßen. Gerade als ich aufstehe, um mir meine Jacke über zuziehen klopft es an meiner Tür. Normalerweise weiß ich vorher wenn Bittende zu mir kommen, es wundert mich, dass es mir nicht angekündigt wurde. Ich laufe durch den schmalen Flur und greife im Gehen nach meinem gesegneten Werkzeug. Oder wie ich sage, Dolch. Ich stecke ihn in eine Schlaufe an meiner Hose. Immer griffbereit. Ich öffne die Tür ohne zu wissen, was mich erwartet. Vor mir steht ein schmal gebauter Mann. Er lächelt zaghaft und seine grünen Augen leuchten erwartungsvoll. Doch was noch viel auffälliger ist, sind seine Haare. Weiß, fast silbern schimmernd. Sie hängen ihm wirr ins Gesicht und scheinen irgendwie die Dunkelheit dieser kalten Tage vertreiben zu wollen. Ich denke zuerst an einen heiligen Schein als ich ihn dort so stehen sehe. "Seid gegrüßt. Es ist mir eine Freude Euch kennen zu lernen" sagt er bestimmt und verbeugt sich mit einer Hand hinter dem Rücken. Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Wer seid Ihr?" "Oh verzeiht, ich wollte nicht unhöflich sein. Mein Name ist Jiha Rikai, ich bin der Gott der Gnade und Barmherzigkeit. Ihr wurdet mir als Führer zugeteilt. Es ist mir eine große Ehre.." "Auch das noch." Ich schüttle den Kopf und schließe meine Tür vor seiner Nase. Das sie so hartnäckig sind hätte ich nicht gedacht.

Ayame of FateWhere stories live. Discover now