„12,40€" knurrt der Taxifahrer und drückt seine Zigarette im Aschenbecher aus. Es wundert mich sehr, dass er im Taxi raucht. Noch mehr wundert es mich, dass es Ayame nicht zu stören scheint. Sie kramt in ihrer Jackentasche herum und drückt dem Taxifahrer ein Paar Scheine in die Hand. „Behalten Sie den Rest. Vielleicht können sie sich irgendwann ja Benehmen kaufen." Das war immerhin eine Spritze, deswegen mussten wir jedoch trotzdem die ganze Fahrt über diesen beißenden Qualm ertragen. Meine Augen sind leicht gerötet als ich aussteige. Ich blinzle gegen das Brennen an und sehe mich nach Ayame um. Sie steht bereits auf der anderen Straßenseite und blickt ein schick aussehendes Wohnhaus hinauf. Luxuswohnungen mitten in der Stadt. Ich frage mich was ihr Auftrag ist. Ich stelle mich neben sie und folge ihrem Blick nach oben. Die Sonne steht schon recht tief am Himmel und spiegelt sich in den vielen Glasfassaden des Gebäudes. „Also...was nun?" „Houhuku." Das ist alles was sie sagt. „Wenn du hier warten möchtest kannst du das." Damit geht sie durch die Eingangstür des Hauses. Meine Füße wollen ihr nicht folgen. Houhuku. Vergeltung. Ich weiß ich sollte besser hier warten, weil etwas in mir sagt, dass Vergeltung niemals der richtige Weg sein kann. Man bekämpft Feuer nicht mit Feuer. Die Tür fällt hinter Ayame ins Schloss, als ich mich entschließe ihr doch nachzugehen. Als ich die Türklinke nach unten drücken will, ist sie verschlossen. Ich klopfe sachte. „Ayame? Seid ihr noch hier? Lasst mich doch bitte rein." Ich sehe hinter der Milchglastür eine Gestalt die sich mir nähert. Sie bleibt hinter der Tür stehen. „Wenn du willst, dass die Tür nicht mehr verschlossen ist, dann befehle es ihr." Nur gedämpft höre ich Ayames Stimme. „Ich soll was?" „Du hast mich verstanden. Entweder du versuchst es oder ich gehe allein." Ich stutze noch immer. Wie soll ich einer Tür Befehle erteilen. Ich meine, es ist eine Tür. Wäre es ein Hund, könnte ich es ja nachvollziehen. Aber selbst einem fremden Hund Befehle zu erteilen scheint mir schwierig. Aber eine fremde Tür? Ich muss selbst ein wenig über meine Gedanken schmunzeln. „Wird das heute noch was?" dringt erneut Ayames Stimme zu mir. Ich räuspere mich und lege meine Hand an die Tür. „Tür..." ich komme mir dämlich vor, „...ich befehle dir, dich zu öffnen." Ich bin Dämlich. Doch bevor ich mich beschweren kann Klickt es leise und die Tür schwingt langsam auf. Ayame hält sich die Hand vor den Mund und unterdrückt ein Lachen. „Was ist?" Sie wendet sich dem Treppenhaus zu."Du musst das doch nicht laut aussprechen. Das klang recht Dämlich." Ich seufze. Ganz genau so habe ich empfunden. Viel Zeit bleibt mir nicht mich zu ärgern, denn Ayame ist bereits wieder auf dem Sprung. Ich habe das Gefühl alles was ich tue ist, ihr nachzurennen. Zwei Stockwerke höher bleibt sie vor einer Tür stehen. Etwas an ihr hat sich verändert. Sie wirkt ernst. Fast schon angespannt. Sie greift an ihren Gürtel und zieht einen Dolch daraus hervor. Mit einer weichen Bewegung schwingt sie ihn durch die Luft und während dessen beginnt er seine Form zu ändern. Seine Klinge verlängert sich und endet in einer glänzenden Spitze. Ein Katana. Meine eigene Anspannung wächst bei ihrem Anblick. Sie klingelt nicht, sie klopft nicht. Sie tritt gezielt gegen einen Punkt neben dem Schloss und die Tür schwingt auf. Zielstrebig und doch leichtfüßig betritt sie die Wohnung. Sie wirkt wie ein Panther kurz bevor er aus der Deckung springt. Und wieder bleibt mir nichts anderes übrig, als ihr nachzugehen. Darum bemüht ebenso leise zu sein und gefährlich auszusehen. Doch ich habe das Gefühl, kläglich bei diesem Versuch zu versagen. Wir verlassen den Flur und gelangen in das Wohnzimmer. Zumindest denke ich dass, doch es sieht kalt aus, unbelebt. Nichts was das Wort -wohnen- im Namen verdient. Wenig möbliert. Nichts in diesem Raum gibt einen Hinweis darauf, dass hier tatsächlich ein Mensch lebt. Am Fenster steht ein Mann. Er hat uns den Rücken zugewandt doch ich sehe, in der Spiegelung der Glasscheibe, dass er in die Ferne blickt. In der einen Hand hält er eine Kaffeetasse, in der anderen ein Telefon. Sein weißes Hemd passt gut zu der Stimmung, welche dieser Raum ausstrahlt. Kalt, unnahbar. Ayame steht nur wenige Schritte vor mir. Ihre Aura scheint zu glühen. Sie hält ihr Katana in beiden Händen fest umfasst, als sie zu sprechen beginnt. „Bittende kamen zu mir und baten mich um meine Hilfe. Zu rächen die Taten der Bestie. Mein Name ist Ayame und ich bin hier um dich zu richten." Mit wenigen schnellen Schritten geht sie auf den Mann zu. Wie in Zeitlupe sehe ich, wie sie ihre Waffe erhebt. Der Mann dreht sich gerade um, als die Klinge durch die Luft surrt. Wie erstarrt stehe ich dort und sehe zu wie er Ayame mit weit aufgerissenen Augen ansieht. Sein Hemd färbt sich über seiner Brust rot. Es klirrt und erst dann erwache ich aus meiner Trance. Es war die Tasse, welche nun zu tausend kleinen Teilen auf dem Boden liegt. Ayame dreht sich zu mir um, in dem Moment, als der Mann wie eine geschlagene Schachfigur zu Boden fällt. „Was!" Ich schreie. Doch es ist mir egal. „Was habt ihr getan?! Warum?" Ayame greift in ihre Tasche und zieht erneut eine Blüte daraus hervor. Vorhin war sie Lila, nun ist sie rein Weiß. Sachte legt sie sie auf dem Telefon des Mannes ab, welches ebenfalls auf dem Boden liegt. Sie sieht mich an, als sie ihr Katana in den Gürtel zurück steck, wo es sich wieder zurück in seine ursprüngliche Form verwandelt. „Das ist nicht richtig! Ihr könnt nicht einfach jemanden ermorden." Bevor ich mich versehe steht Ayame nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Ihre Augen glühen als sie mit scharfer eindringlicher Stimme spricht. „Für Götter gibt es kein Richtig oder Falsch. Es gibt einzig und allein die Entscheidung selbst. Zweifle nie wieder meine Urteilskraft an." Ich hatte aufgehört zu atmen. Das bemerke ich erst, als sie sich von mir entfernt um wenige Sekunden später die Treppen des Hausen hinunter zu gehen.
Zurück in Ayames Haus weiß ich nichts so recht mit mir anzufangen. Ich bin verwirrt und bestürzt zugleich. Ich verstehe einfach unsere Philosophie nicht. Aber vermutlich ist es genau das. Wir Götter haben kein Maß für unser Handeln. Jeder von uns entscheidet nach eigenem Ermessen. „Komm mit, ich zeig dir wo du schlafen kannst." Ich sehe Ayame an. Sie hat vor wenigen Augenblicken einen Mann getötet und nun steht sie hier, als ob nichts geschehen ist. Als ob alles normal wäre. Als würde es sie nicht nerven, dass ich hier bin. Ich nicke nur und folge ihr durch den kleinen Flur und die Treppe hinauf zur ersten Etage. „Hier ist das Bad." Sie tippt auf die vorderste Tür die wir passieren. „Und das hier.." ,die Tür gleich daneben, „... kannst du beziehen. Aber fass ja nichts an hast du gehört." Ich bemerke, wie sie den Bruchteil einer Sekunde zögert bevor sie die Klinke nach unten drückt und vor mir das Zimmer betritt. Es ist nicht gerade klein, was mich angesichts der Größe ihres Hauses überrascht. Im Raum stehen zwei Betten und zwei Schränke sowie ein großes Regal voller unterschiedlichster Sachen. Bücher, Figuren, Bilderrahmen. Die Fenster geben den Blick auf den Garten frei, welcher von hier drin betrachtet, nicht ungenutzt sondern eher wild romantisch aussieht. „Ich werde uns was zu essen machen." Ich höre wie sie die Treppe hinunter eilt und noch zu mir hinauf ruft."Und nichts anfassen!" Als ich mich ein wenig umschaue, fallen mir als erstes die Fotos auf, welche im Regal stehen. Ayame ist auf ihnen zu sehen. Sie und zwei weitere Personen. Zu ihrer Linken, ein jung aussehendes Mädchen mit goldenem Haar und einem zuckersüßen Lächeln. Und zu ihrer Rechten ein großer, schlanker Mann. Sein Gesicht liegt im Schatten und seine schwarzen Haare liegen wild um seinen Kopf. Doch man erkennt, dass auch er lächelt. Er trägt eine mir unbekannte militärische Uniform, welche akkurater nicht sitzen könnte. Ich frage mich, wer diese Menschen sind und was sie mit ihr zu tun haben. Als ich mich im Zimmer umdrehe fällt mir noch etwas auf. Ein hölzerner Balken, der das Zimmer in zwei Hälften zu teilen scheint. Seine eine Seite ist mit tiefen Furchen übersät. Es wundert mich, dass er überhaupt noch steht. Ich wage eine Vermutung, dass die Furchen durch andauerndes Einschlagen einer Waffe auf das Holz entstanden sind. Vielleicht ein Dolch. Der Größe der Schlitze nach zu Urteilen aber eher eine Art Schwert. Ich scheine lange dort gestanden zu haben, denn in meine Nase zieht ein wunderbarer Duft.
„Hähnchenreis. Ich muss erst einkaufen gehen. Ich habe nunmal nicht mit Besuch gerechnet. Das heißt du hast also gar keine andere Wahl als es zu essen." Ich sitze am Tisch im Wohnzimmer und bekomme eine dampfende Schüssel vor die Nase gestellt. Erst jetzt bemerke ich, wie viel Hunger ich eigentlich hatte. „Ich danke Euch, das sieht sehr lecker aus." Ayame winkt ab und setzt sich mir gegenüber. Ich nehme den ersten Löffel und es schmeckt genauso lecker wie es riecht. Ich glaube fast, ich kaue gar nicht richtig, sondern schlinge einfach nur. Irgendwann sehe ich auf und bemerke ihren Blick. „Scheint wohl, du hattest großen Appetit." Sie steht auf. „Ich bring gleich den ganzen Topf her." Peinlich, ich muss fürchterlich ausgesehen haben, wie ich mein Essen hinein geschlungen habe. Ich lege gesittet meinen Löffel beiseite und Falte die Hände im Schoß. Ayame will gerade den Topf abstellen, als ich sie frage: „Wer sind die Leute oben auf den Fotos. Sind das auch Götter? Oder Menschen? Sind das Freunde von Euch?" Mit einem dumpfen poltern knallt der Topf die letzten Zentimeter nach unten auf den Tisch. Ich sehe erschrocken auf. „Entschuldigt... ich wollte nicht unhöflich sein." Ayame räuspert sich und und füllt meine Schüssel auf. Sie schüttelt den Kopf „Es waren Freunde." Als sie nicht weiter spricht frage ich: „Was ist mit ihnen?" Sie unterbricht ihr Tun kurz, doch sieht nicht auf. „Sie sind nicht mehr."
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Ayame of Fate
FantasiDank den Menschen existieren sie, durch ihre Wünsche, Träume und Sehnsüchte entstehen sie. Doch werden sie vergessen, verschwinden sie.